Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

10.4.25

Staub wischen


Staub wischen

Auf dem Regal meiner Erinnerungen entdecke ich dieses Schälchen Du. Vergessen! 

Schopenhauer, der letzte weit denkende Erkenntnisphilosoph, hat auch manche üble Vorstellungen vom Menschen verbreitet. Dazu gehört das verächtlich gemeinte Schimpfwort von der "Fabrikwaare der Natur". 

Dieses Schälchen mag so etwas sein. Es ist aber Wert und eigener Wert. Aus zwei Teilen gegossen wird es nach dem Zerbrechen nicht mehr Schale sein, nicht mehr sein.

Auch vor der Geburt, ja vor der Vereinigung, war da alles von Dir, aber nicht Du. So wird es nach Dir auch für alle Ewigkeit aller möglichen Zeiten und Räume sein. 

Freue dich oder trauere: dieses Schälchen mit diesem einmaligen Sprung in der Seele gibt es nur einmal, war nie zuvor, wird nie später sein. 

Ich erkannte Dich in Deiner Schönheit des Eins. Jetzt verfliegt der Staub über den Erinnerungen. Schmerzhaft spüre ich, daß ich vergaß.

Ostern 25


PS. Die Zwillingsfrage: ist der/die nicht zwei mal das gleiche? 

Kann sein. Aber nicht das Selbe. Der Unterschied liegt schon in Zeit und Ort. Aus zwei Anteilen wurde nicht eins, sondern zwei. So betrachte jede/n von ihnen als Eins und unverwechselbar, auch wenn Du es nicht siehst/ fühlst. Jedes wird für sich erfahren und erlöschen wie jede/r und alle. Achte sie wert...

Und kein Kintsugi-Gold wird etwas anderes daraus erscheinen lassen können. 

1.4.25

Seltsamer Ort



Die Wolken werden dunkler, die Kälte beißender. Unter den schrillen Sebsterhöhungen und dumpfen Drohungen eines Politclowns schwirren gleisende Lichter, düstere Schatten darüber.

Das Kind kann sie nicht sehen, aber sie stürzen in die Seelen der Älteren, verhärten sie, wirken als mürrischer, genervter Umgang, erregen Mißtrauen, Niedergeschlagenheit, Verlorenheit. 

Er weiß es nicht, daß sein wiederholter Gang auf die Berge zu an die Worte von Anne Sexton über das schreckliche Rudern auf Gott zu erinnert. Was sucht er in den Wäldern? Es mag schwieriger für die Orks sein und stiller. Aber dafür lauert im Schatten die Angst.

Er sucht den Brunnen vom Rand der Lichtung. Dort erschien ihm einst erstmals das Gefühl, angenommen zu sein. Waren es Wärme und Licht und kühlender Schatten? War es das Plätschern des Wassers? Es ist kein Kraftort für Esoteriker, die Wandervereine zersingen mit guter Stimmung das Schweigen, Förster, Jäger, Arbeiter verstehen erst, wenn sie ihre Aufträge und Projekte ablegen. Ab und zu verirrt sich ein Vertreter für Staubsauger oder Versicherungen in strack gebügelter Seele hierher, geführt von bohrender Einsamkeit, die das Leben als Akquise nicht mehr aushält. Ein Blatt fällt, und es geht weiter. Spesen gespart.

Dies ist ein ganz individueller Sehnsuchtsort. Und der Junge geht immer wieder darauf zu.

Es ist kalt und die Wolken werden dunkler. Die Reben rechts und links der Straße zeichnen expressionistische Tuschen in die Luft. Aber daheim und in der Stadt bereitet sich ein zunehmendes Wirgefühl auf das große Weihnachtsfest vor. Es klappert, hämmert, sägt, plappert, ruft einander zu.

Man erwartet doch wohl nicht die Wiedergeburt Christi? Aber man erhält doch einen feinen Abglanz von Frieden und Freundlichkeit. Liegt nicht schon darin etwas von Paradies für das in Einsamkeit der Liebe geborene Wesen Mensch? Der Junge weiß nicht, daß er durch die letzten Tage des Jahres der Barmherzigkeit geht. Wo es seiner Welt gut geht, fühlt er sich frei, seinen Ursprung aufzusuchen. Hier sang der Vogel.

Er taucht in die Waldwege ein, wird sein Ziel finden. Vielleicht wird ihn sogar ein Duft aus der Erinnerung berühren. Und er wird beschwingt zurückkehren, seinen Platz in einem unaufgeregten Alltag wieder einnehmen.

Was wohl aus ihm werden wird? Ob er überhaupt mein Alter erreichen wird, einen Raum der Sicherheit und von Horizonten? Ob er dem Wunder Liebe begegnen wird, verschont wird von Verlust der Liebe?

Ich wünsche ihm Menschen und Berührung. Ich wünsche ihm die Fähigkeit und die Möglichkeit, diesen, seinen Platz immer wieder zu finden.