Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

27.10.20

Von besseren Freunden

 Diesen Text schrieb ich, als ich von einem Freund in der Art von Parteifreunden abgekanzelt wurde. Wie froh war ich dann doch, Beamter und nicht Funktionär zu sein!


Mein Pony                                                                                                         15.6.1994

Mein Du hatte sich in den Vorgarten von X verirrt.

Er musste schwer an sich halten, nicht dienstlich zu werden. Mein Du kann von Glück sagen: mein Sie wäre nicht so gut davon gekommen.
 
Es kann das halt nicht: Freundschaft und Herrschaft unterscheiden, Person und Amtsperson. Vertraut naiv den Vertraulichkeiten, redet zu Menschen wie von Mensch zu Mensch. Verzweifelt versuche ich ihm beizubringen, sich vor Krawatten zu trollen.
 
Es ist ein naives Indianer-Du, das immer wieder auf die Sage vom weisen Vater in Washington hereinfällt und mit der Kavallerie redet wie mit stolzen Kriegern. Was hilft es, dass es Anstand und Würde kennt, wenn es keine Ahnung von den Winkeln und Weihen der Uniform hat?
 
Aber – ehrlich gesagt -: es soll weiter über Wiesen springen und die Vorgärten meiner Freundschaften durcheinander bringen. Soll sich doch manche Freundschaft als Beziehung entpuppen! -Lieber mal peinlich zurückschrecken als vor den Säulen der Verantwortung erstarren. Die Bücklinge des alten Goethe sind nichts für mich. Ich brauche keine Fürsten, sondern Freunde.
 
Ich packe noch schnell meine freundlichen Grüße ein und bin dort nur noch hochachtungsvoll. Aber mit Euch probier ich‘s weiter und lasse mein freies Du frei springen.


alt und jung bei links und rechts

Alt oder Rechts, Links oder Jung?!

Aus der taz-Diskussion über Maron

„Ebertus2“ taz 21. Okt 2020 („Kommunard*in)

"Habe von Monika Maron noch kein Werk gelesen, bin dennoch dem nun auch hier getriggerten Streisand-Effekt erlegen. Wenn erst die SZ, dann die ZEIT und jetzt die taz beinahe unisono klingende Verteidigungsschriften für den Fischer-Verlag verfassen, dann musste ich mir gerade mal diese inkriminierten Essays aus drei Jahrzehnten vom EXIL-Verlag bestellen.

Interessant wäre zu erfahren, ob Maron die Sammlung zuerst dem Fischer-Verlag angeboten hat; und der ihn nicht wollte."

Wieso wäre das interessant? Ist doch stark anzunehmen! Muss man auch das noch wissen? Ob es nun die Verkaufszahlen waren oder das Anschmiegen bei der rechten Konkurrenz, was macht den Unterschied? Bei den Verkaufsschlagern Walser (Ranicki-Beleidigung) und Handke (Milosevike) wäre der ein angezeigter Hinauswurf so leicht nicht möglich gewesen! 

Sie hat ja schon 2017 die übliche literarische Abschiedsfeier durch den Preis fürs Lebenswerk erhalten (Wikipedia), nachdem sechs Jahre mau war. Sie hatte wohl den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden (zu viel fauler Ruhm zuvor?). Nicht schön vom Verein. Eine traurige Sache für das Selbstbewusstsein, was nicht nur in D irgendwie naturgemäß auf die Seite enttäuschter Überschätzter wie Sarrazin treibt. Eine Art literarisches Trump-Gefühl, was aber auch Erfolg gebären kann. 

Wer kannte sie? 
Ob man sie nun kennenlernen muss?

Ein flotter Junge namens „Achterhoeker“  bringts gleich ganz hart:

"..... Tja, es gibt eben Literaten und Krächz-Sänger, die bis heute nicht gemerkt haben, dass sie nichts mehr zählen im Kulturbetrieb. 

Am besten helfen diese überalterten Künstler bei der Gestaltung der "bunten Nachmittage" in ihrem Seniorenheim. Dort ist die Zeit stehen geblieben und sie gehen dem Alltagsmenschen unserer Zeit nicht mehr auf den Wecker."

Ein linker Alltagsmensch unserer Zeit, dem offensichtlich vor uns "Vulnerablen" graut. Bitte beantworte nicht meine Frage: "War ich auch so?!" Ich erinnere mich an „klamheimliches Lächeln“, das mich dann doch von Kommunard*innen weg trieb.

Wir haben es also mit drei Alten zu tun.
Mit der/m Kommunard*in Ebertus mit Zug zur Lautstärke,
mit einer ausgebooteten Literatin und
mit einem nicht zum Trog gekommenen Neider, also mir. 

Ich brauche bei der Feier im Seniorenheim nicht mitzugestalten, war ich doch schon in viel früheren Jahren als diese jungen und alten Schimpfer von Pflasterstrand und Loft erfolglos. Mir genügt, mich etwas von M entfernt an die Wasserflasche zu setzen. Lang hin wird’s nicht mehr sein.

Auch jetzt verstehe ich nicht: 

Freiheit gegen Verstand und Anstand reklamieren? Was ist der Mensch? 

Was ist der Sinn? Dieses Dröhnen von Märtyrertum in der Menschenverachtung scheint mir mit der Freiheit eines Trump mehr zu tun zu haben als mit der eines Grundgesetzes. War nicht auch tänzelnder Übermensch Nietzsche etwas von der Art? „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen.“

Gesuchte Metaphern, ereiferter Ruhm. Die gehässige Reaktion des Nationalismus eines untergehenden Adels mitsamt still-verbissenem Rassismus - etwa einer Droste- auf die globalisierende Klassik von Weltbürgern scheint sich in dem Gefühl deklassierter Führungsansprüche von heutigen Halbintellektuellen zu wiederholen, deren Volksnähe sich in besonderer Menschenferne ausdrückt. Da ist noch Sehnsucht nach Ruhm und Herrschaft über gequälten Applaus.

Hier fragte Schopenhauer umsonst: Was wird sein, wenn Du entdeckst, dass der Gipfel, auf den ein günstiger Wind dich geweht hat, von einer Nadelspitze Zustimmung getragen wird? Wie hoch der Ruhm, wie tief der Sturz, wenn die Selbsterkenntnis kommt! 

Es wäre die Möglichkeit der Rückkehr von einem eingebildeten und eingeflüsterten Erfolg zum Ich. Walser geht ihn nicht, Handke…

Dem jungen Avantgarden von links, von der anders verlorenen Sehnsucht nach Herrschaft, sei gesagt: auch in den anders grauen Kneipen am anderen Rand der irren Hoffnung auf Eroberung von Macht trifft sich das Volk nicht. "Die Leute" mögen Dir mal zustimmen. Sie wollen aber nur eins: in Frieden leben. Sie erleichtern mir das betreute Leben, während die Wiederkäuer der guten alten Zeit, die wir verloren haben, nicht angenehmer sind als evangelikale Bekehrer oder Wut von rechts schnaubende ältere Damen und Herren.

So lange ich noch nicht ins Heim muß, wünsche ich mir, auch von einer Avantgarde verschont zu werden, der ich einst selbst nacheiferte. Auch die Gehässigkeit gegen Gehässigkeit zeigende Menschen ist – Gehässigkeit. 

Der/dem alten Kommunard*in/en wünsche ich genußvolle Vertiefung in hohlen braunen Kram. Den kenne ich aus den patriotischen Schinken, die aus den Vorurteilen der Generation knirschten, die zu meiner Zeit alt war. 

Erinnert mich an die bärtigen 48er, die zur Zeit des Karl Kraus die neuen Diktaturen nicht erkennen wollten. Sind die 68er und 89er nicht dort gelandet?

Manche, sogar in Verlagen, haben Mut, sei es auch nur im Verkauf. Immerhin! Oder sind sie nur jünger?

1.10.20

Jimmy Hendrix



Einmal Frankfurter Kranz, bitte! 
Als meine Kinder in die Pubertät kamen, explodierte die alte Zeit nochmal in mir. Die alten Lieder, die alte Sehnsucht nach Freiheit, Horizont, Träume von unbekannten Paradiesen hinter der Welt. Eigentlich hieß das: Liebe.  Nicht ich, sie ging in ihnen hinaus. Jetzt ist Erinnerung. 
Vorgestern sah ich mir die Hendrix – Doku in arte an. Und war wieder zu. Ich schrieb:

***

„Ich war 19, er selbst 28, als er vor 50 Jahren starb.

Beim „Pio“ im Eiscafe in der Music-Box hatte ich ihn entdeckt. War ich 15? - Purple haze was in my brain.

Nie zuvor hatte jemand solche Musik ins Universum gespielt. Nach ihm kam bestenfalls Wiederholung.

Seine Freunde und die der Musik meinen, er hätte ohne den frühen Tod noch so viel mehr Geniales bringen können. Ich glaube nach einiger Erfahrung: besseres war nicht zu erreichen. Auch er hätte sich bestenfalls wiederholt. Vermutlich wäre er eher zu Muddy Waters und Howlin Wolf zurückgekehrt, in den Ursprung. 

Für ihn wäre es schön gewesen. Die Fans hätten ihn verlassen, für ihn wohl ganz okay. 

Ich bin lange Zeit mit seiner Musik an grünen Vulkanen des erweiterten Bewusstseins entlang,  unter violetten Himmeln gegangen. Ja, vielleicht will ich eines Tages auch zu seiner Musik in ein solches Meer eingehen.

Gerne und mit leicht ziehender Sehnsucht erinnere ich mich an meiner Jugend Sehnsucht. And the wind cried: „Mary!“

Viel von dem, das ich seither erlebte, durfte und musste er nicht erleben. Erwachsene Liebe vermutlich, Verantwortung, Scheitern, Schmerz der Trauer.

Aber was für eine Musik! Ich höre mir alle drei oder fünf Jahre wieder ein Lied von ihm an, nicht mehr: Den Verstand will ich behalten. Die Begeisterung bleibt.“

*

Abends dann:


„Wende des Alters

Jetzt ist Abend. Ich gehe zur 14tgl. Andacht.
Begeisterung ist der Betrachtung gewichen.

Ja, es war eine schöne Zeit. Begeisternde Klänge neuer Erfahrung, ferne Welten.

Aber nach dem Rausch braucht es Stille. Heute liebe ich wieder Vogelstimmen, Wind in der Luft, Menschenmiteinander. Ich bin alt.

Es war unsere Zeit. Die Konserve ist nicht die Frucht. Das Erleben wird mit uns vergehn. Warum nicht?

Wir begreifen ja das Tolle und Tiefe an Euren Erfahrungen ebensowenig. Euren Sehnsüchten sind andere Begeisterungen geworden.

Jimmy Hendrix.... war. Mehr zu hören wäre ein Hirnzudröhnen. Ich verlasse ihn und meine Zeit, gehe in noch verschwommenere Räume zurück.  

Wie wetterwendisch ist doch das Herz der Alten! 

„Ich sehe auf zu den Bergen. Von wo kommt mir Hilfe?“ Was nach diesen Worten folgt, sind Worte des Sängers, der so wenig weiß wie ich, mir aber seine Vermutung als Wahrheit eintrichtern möchte. Singe! Aber lasse mir das Wort! 

Ich möchte keine Drogen der Musik noch der Predigt. Gerne spreche ich mit Dir über Fragen, habe die nutzlosen Ruder abgelegt. Und treibe auf die Pforte zu.“ 

* * *

Lieber Richard, 

Der Mann war dir vermutlich zu laut. Aber die Toccata von Bach. Das war auch so etwas. Du warst nur einen Monat älter als er. Was bringt mich jetzt dazu, Dich zu erinnern? Du hast mich das Vertrauen in die Fragezeichen gelehrt. Was würdest Du jetzt mit 78 sagen und fragen? Was würde Jimmy jetzt spielen?

1.10.2020