Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

31.12.20

Einen Strich ziehen

Ich träume davon, einen Strich zu ziehen.

Wie wohlhabend ich doch bin: ich habe eine Feder, ein Glas, weißes Papier von der Rückseite eines Kalenders.

Etwas seitlich von der Mitte setze ich die Feder an. Ich bin alt und habe mir vorgenommen, anders als in der Jugend keine raschen Striche mehr zu ziehen, sondern langsame, bewusste, um den Fortschritt zu genießen. Der Apotheker Hertel aus Weinheim hatte vor langer Zeit einmal einen Kurs nach chinesischen Meistern des 11. Jahrhunderts gegeben. Eine steife Technik wie im europäischen Mittelalter. Aber damals lernte ich den langsamen Strich schätzen.

Ich betrachte das Ergebnis. Eine schwarze Linie bricht in die Nebel der Zeit. Erwartungen oder Vergessen? Ich sehe die geteilte Welt.

Der Schreiber Handke, der einmal Roman-Dichter sein wollte, liebt das Weißeln: mit dem Farbroller über die Bäume. Manche lieben es. Ich finde das Leben selbst schöner. Und ich beginne mit einem Strich. 

Wohin führt es mich? Wenn das Kanu Richtung Meer geht, muß ich nicht mehr mit Wasserfällen oder Stromschnellen rechnen. Gerne tauche ich noch das Paddel ein, treibe durch das Delta. Nur den Dämpfen der Sümpfe nicht nahe kommen! Ob ich heute Abend ein warmes Ufer finde mit Treibholz für das Feuer?

Der Strich erreicht das Ende des Blattes. Ob ich eine neue Linie aus ihm ziehe oder ganz frisch ansetze? 

So betrachte ich nun Bilder.


31.12.2020              Klaus Wachowski

 

 


30.11.20

In den Baum schauen

In den Baum schauen,
Dahinter Himmelblau.
Braun und rot ìm Licht
fallen die Blätter,
sie fallen und fallen.

Von Enthusiasmus leert sich das Leben.
Kalt hinter Zweigen und Ast.

In den Baum schauen,
warten und schaun.
Sie fallen, leuchten und fallen.

Klaus Wachowski 30.11.20

17.11.20

Gelöscht aus 2009 - unter 10 Leser*innen

Konkret: Barbie Turat 8 Leser*innen 1 09

Beim Lesen der Meereswellen 2 Leser*innen 2 09

Amok und Narziß 2 Leser*innen 3 09

Mythos Milgram 2 Leser*innen 4 09

Sonntagsfahrer 3 Leser*innen 5 09

Der Vesuv 3 Leser*innen 5 09

Ideologie 3 Leser*innen 6 09

Schock 2 Leser*innen 6 09

In 7 Jahren 1 Leser*innen 6 09

Blues kein Leser*innen 6 09

Vorabdruck meines Jazz-Buchs 2009 8 Leser*innen 6 09

Frühling Mauve 2 Leser*innen 6 09

Bedeutung 6 Leser*innen 11 09

Liebe und Tod 5 Leser*innen 11 09

Weihnachtsglitz 3 Leser*innen 11 09

Caprice 15 Paganini 5 Leser*innen 11 09
















Gelöscht aus 2008

Café Einsamkeit 7 08  20 Leser*innen

Mit Shiva bei Strindberg 12.08

Epidauros 12.08 

Meine Shildkröte heißt Einstein 11.08

Die Autotür schlägt zu und das Nichts umfängt mich

10.08

Hellblauer Alien im September  7 08


13.11.20

Vergoldete Schuld

An diesem Schreibtisch hat er ausgewählt, welches Leben noch sinnvoll zu retten sei und welches ohnedies sterben müsse. 

Warum sollst Du das noch lesen (-nach Wikipedia):

Carlo Schmid

Deutschland und der Europäische Rat…

Regierung und Parlament. …

Vier Jahre Erfahrungen mit dem Grundgesetz. …

Die Opposition als Staatseinrichtung. …

Macchiavelli, ..

Der Abgeordnete zwischen Partei und Parlament. …

Der Deutsche Bundestag in der Verfassungswirklichkeit. …

(mit Horst Ehmke und Hans Scharoun): Festschrift für Adolf Arndt …

Politik als geistige Aufgabe; Gesammelte Werke ..

Der Deutsche Bundestag. Ein Essay. ..

Das Fundament unserer staatlichen Ordnung. …

Demokratie – Die Chance, den Staat zu verwirklichen. …

Europa und die Macht des Geistes. …

Erinnerungen. ..


Ist die Haltung des entronnenen Täters nicht bezeichnend genug? Wenn er Verzeihung anmahnt, christliche Haltung in allen Lebenslagen, die Antwort seiner Opfer auf die Tat aber scheut. Es war schließlich Mord. An dem er zumindest beteiligt war. 


Und warum bittet er anstelle der Opfer um Verzeihung für den Massenmörder Sandberger bei den Richtern?

Glaube nicht den Verehrern.


Dagegen ist OLG-Chef Goller ein kleines Licht. Vielleicht hat er ja wirklich "nur" einem Künstler die Karriere verdorben. Vielleicht wurde er ja wirklich "nur" aus Versehen zum Politoffizier vorgeschlagen, in der Ukraine, wo doch auch Babi Yar liegt. Und wo ein Staatsanwalt niemals nur "einfacher Soldat" war!

Der Punkt ist doch: er hat am Aufbau des Mordsystems mitgewirkt, hat sich zum Staatsanwalt des Bösen machen lassen, statt auf Karriere zu verzichten, die dann andere gemacht hätten. Er hat ohne Scheu den Übergang gemacht, keine Beförderung abgelehnt, die Ehrung unverdient eingesteckt. 

Glaube nicht an die Seriösen vom Club.


Und wer war nochmal der dritte unter den Humanisten?

Der Schumann von der Gaukultur, der nachher der Karlsruher Literatur präsidierte, geehrt, geleckt von der Wohlstandsidylle. 

Du kennst den Plunder.


Was ist mit Arno Schmidt, dem frank- und freien von der SS-Bewerbung, von der stillen Tätigkeit im norwegischen Außenposten? Einige Russen hungerten innerhalb des Zauns. (Wohin verschwanden sie?)

Er änderte nicht den Namen, nur das Geburtsdatum.

Sein Apostel schweigt statt düsteres Wissen neben der Heiligenverehrung zu verkünden.    

Lüge des Ruhms!


                            *

Ich gehe durch die knapper bemessene Zeit. Was für eine Bedeutung kann es noch haben? Die Dünen der Ewigkeit wehen meine Erinnerungen zu, türmen sich vor meiner Zukunft auf. Die Wurstigkeit streut ihre Samen aus. 

Ich rufe in Eure Zeit, den Faden weiter oder neu zu spinnen. Tut es gut nach Eurer Weise. Vielleicht ist's eine kleine Hilfe. 

Fern wie die Sterne, von denen es auch nichts mehr gibt als die Lichtspur. Es war einmal..


6.11.20

Der Ast

An diesem Ast

Hängt noch ein Blatt

Aus der Zeit in die Ewigkeit.

Es wird fallen, fallen,

Lebt, wie es kann.

 

Die Jahre des Affenkönigs sind vorbei. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff und versuchen das schwankende zu erobern.

 

Wir sind noch einmal davon gekommen. Die Republik steht schwer angeschlagen um uns herum.

Beginnen wir mit der Reparatur, beginnen wir mit der Sicherung.

 

Sei. Und erfreue Dich Deines Lebens. Feiere!

Aber lehne dich nicht zurück in eine private Mystik

oder in eine Hass gärende Weltanschauung.

Schau genau!

 

Dies ist Leben

es gibt kein richtigeres,

kein tieferes,

kein höheres.

 

Ich schaue in mein Glück, in mein Leid.

Du bist da.

 

Ein Blatt ragt aus dem Leben in die Ewigkeit.

Auch es muss fallen in eine bewusstlose Zukunft.

Es wird sein. Es wird vergangen sein.

Nicht mehr Blatt, nur noch Teil.

 

Dies ist der Tag,

dies ist die Nacht.

 

Ich sehe hin zu den Bergen.

Von wo kommt mir Hilfe?

Sie ist da.

 

Wir sind vom gleichen Stern

 mit Namen Liebe.

Fratelli tutti...

 


27.10.20

Von besseren Freunden

 Diesen Text schrieb ich, als ich von einem Freund in der Art von Parteifreunden abgekanzelt wurde. Wie froh war ich dann doch, Beamter und nicht Funktionär zu sein!


Mein Pony                                                                                                         15.6.1994

Mein Du hatte sich in den Vorgarten von X verirrt.

Er musste schwer an sich halten, nicht dienstlich zu werden. Mein Du kann von Glück sagen: mein Sie wäre nicht so gut davon gekommen.
 
Es kann das halt nicht: Freundschaft und Herrschaft unterscheiden, Person und Amtsperson. Vertraut naiv den Vertraulichkeiten, redet zu Menschen wie von Mensch zu Mensch. Verzweifelt versuche ich ihm beizubringen, sich vor Krawatten zu trollen.
 
Es ist ein naives Indianer-Du, das immer wieder auf die Sage vom weisen Vater in Washington hereinfällt und mit der Kavallerie redet wie mit stolzen Kriegern. Was hilft es, dass es Anstand und Würde kennt, wenn es keine Ahnung von den Winkeln und Weihen der Uniform hat?
 
Aber – ehrlich gesagt -: es soll weiter über Wiesen springen und die Vorgärten meiner Freundschaften durcheinander bringen. Soll sich doch manche Freundschaft als Beziehung entpuppen! -Lieber mal peinlich zurückschrecken als vor den Säulen der Verantwortung erstarren. Die Bücklinge des alten Goethe sind nichts für mich. Ich brauche keine Fürsten, sondern Freunde.
 
Ich packe noch schnell meine freundlichen Grüße ein und bin dort nur noch hochachtungsvoll. Aber mit Euch probier ich‘s weiter und lasse mein freies Du frei springen.


alt und jung bei links und rechts

Alt oder Rechts, Links oder Jung?!

Aus der taz-Diskussion über Maron

„Ebertus2“ taz 21. Okt 2020 („Kommunard*in)

"Habe von Monika Maron noch kein Werk gelesen, bin dennoch dem nun auch hier getriggerten Streisand-Effekt erlegen. Wenn erst die SZ, dann die ZEIT und jetzt die taz beinahe unisono klingende Verteidigungsschriften für den Fischer-Verlag verfassen, dann musste ich mir gerade mal diese inkriminierten Essays aus drei Jahrzehnten vom EXIL-Verlag bestellen.

Interessant wäre zu erfahren, ob Maron die Sammlung zuerst dem Fischer-Verlag angeboten hat; und der ihn nicht wollte."

Wieso wäre das interessant? Ist doch stark anzunehmen! Muss man auch das noch wissen? Ob es nun die Verkaufszahlen waren oder das Anschmiegen bei der rechten Konkurrenz, was macht den Unterschied? Bei den Verkaufsschlagern Walser (Ranicki-Beleidigung) und Handke (Milosevike) wäre der ein angezeigter Hinauswurf so leicht nicht möglich gewesen! 

Sie hat ja schon 2017 die übliche literarische Abschiedsfeier durch den Preis fürs Lebenswerk erhalten (Wikipedia), nachdem sechs Jahre mau war. Sie hatte wohl den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden (zu viel fauler Ruhm zuvor?). Nicht schön vom Verein. Eine traurige Sache für das Selbstbewusstsein, was nicht nur in D irgendwie naturgemäß auf die Seite enttäuschter Überschätzter wie Sarrazin treibt. Eine Art literarisches Trump-Gefühl, was aber auch Erfolg gebären kann. 

Wer kannte sie? 
Ob man sie nun kennenlernen muss?

Ein flotter Junge namens „Achterhoeker“  bringts gleich ganz hart:

"..... Tja, es gibt eben Literaten und Krächz-Sänger, die bis heute nicht gemerkt haben, dass sie nichts mehr zählen im Kulturbetrieb. 

Am besten helfen diese überalterten Künstler bei der Gestaltung der "bunten Nachmittage" in ihrem Seniorenheim. Dort ist die Zeit stehen geblieben und sie gehen dem Alltagsmenschen unserer Zeit nicht mehr auf den Wecker."

Ein linker Alltagsmensch unserer Zeit, dem offensichtlich vor uns "Vulnerablen" graut. Bitte beantworte nicht meine Frage: "War ich auch so?!" Ich erinnere mich an „klamheimliches Lächeln“, das mich dann doch von Kommunard*innen weg trieb.

Wir haben es also mit drei Alten zu tun.
Mit der/m Kommunard*in Ebertus mit Zug zur Lautstärke,
mit einer ausgebooteten Literatin und
mit einem nicht zum Trog gekommenen Neider, also mir. 

Ich brauche bei der Feier im Seniorenheim nicht mitzugestalten, war ich doch schon in viel früheren Jahren als diese jungen und alten Schimpfer von Pflasterstrand und Loft erfolglos. Mir genügt, mich etwas von M entfernt an die Wasserflasche zu setzen. Lang hin wird’s nicht mehr sein.

Auch jetzt verstehe ich nicht: 

Freiheit gegen Verstand und Anstand reklamieren? Was ist der Mensch? 

Was ist der Sinn? Dieses Dröhnen von Märtyrertum in der Menschenverachtung scheint mir mit der Freiheit eines Trump mehr zu tun zu haben als mit der eines Grundgesetzes. War nicht auch tänzelnder Übermensch Nietzsche etwas von der Art? „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen.“

Gesuchte Metaphern, ereiferter Ruhm. Die gehässige Reaktion des Nationalismus eines untergehenden Adels mitsamt still-verbissenem Rassismus - etwa einer Droste- auf die globalisierende Klassik von Weltbürgern scheint sich in dem Gefühl deklassierter Führungsansprüche von heutigen Halbintellektuellen zu wiederholen, deren Volksnähe sich in besonderer Menschenferne ausdrückt. Da ist noch Sehnsucht nach Ruhm und Herrschaft über gequälten Applaus.

Hier fragte Schopenhauer umsonst: Was wird sein, wenn Du entdeckst, dass der Gipfel, auf den ein günstiger Wind dich geweht hat, von einer Nadelspitze Zustimmung getragen wird? Wie hoch der Ruhm, wie tief der Sturz, wenn die Selbsterkenntnis kommt! 

Es wäre die Möglichkeit der Rückkehr von einem eingebildeten und eingeflüsterten Erfolg zum Ich. Walser geht ihn nicht, Handke…

Dem jungen Avantgarden von links, von der anders verlorenen Sehnsucht nach Herrschaft, sei gesagt: auch in den anders grauen Kneipen am anderen Rand der irren Hoffnung auf Eroberung von Macht trifft sich das Volk nicht. "Die Leute" mögen Dir mal zustimmen. Sie wollen aber nur eins: in Frieden leben. Sie erleichtern mir das betreute Leben, während die Wiederkäuer der guten alten Zeit, die wir verloren haben, nicht angenehmer sind als evangelikale Bekehrer oder Wut von rechts schnaubende ältere Damen und Herren.

So lange ich noch nicht ins Heim muß, wünsche ich mir, auch von einer Avantgarde verschont zu werden, der ich einst selbst nacheiferte. Auch die Gehässigkeit gegen Gehässigkeit zeigende Menschen ist – Gehässigkeit. 

Der/dem alten Kommunard*in/en wünsche ich genußvolle Vertiefung in hohlen braunen Kram. Den kenne ich aus den patriotischen Schinken, die aus den Vorurteilen der Generation knirschten, die zu meiner Zeit alt war. 

Erinnert mich an die bärtigen 48er, die zur Zeit des Karl Kraus die neuen Diktaturen nicht erkennen wollten. Sind die 68er und 89er nicht dort gelandet?

Manche, sogar in Verlagen, haben Mut, sei es auch nur im Verkauf. Immerhin! Oder sind sie nur jünger?

1.10.20

Jimmy Hendrix



Einmal Frankfurter Kranz, bitte! 
Als meine Kinder in die Pubertät kamen, explodierte die alte Zeit nochmal in mir. Die alten Lieder, die alte Sehnsucht nach Freiheit, Horizont, Träume von unbekannten Paradiesen hinter der Welt. Eigentlich hieß das: Liebe.  Nicht ich, sie ging in ihnen hinaus. Jetzt ist Erinnerung. 
Vorgestern sah ich mir die Hendrix – Doku in arte an. Und war wieder zu. Ich schrieb:

***

„Ich war 19, er selbst 28, als er vor 50 Jahren starb.

Beim „Pio“ im Eiscafe in der Music-Box hatte ich ihn entdeckt. War ich 15? - Purple haze was in my brain.

Nie zuvor hatte jemand solche Musik ins Universum gespielt. Nach ihm kam bestenfalls Wiederholung.

Seine Freunde und die der Musik meinen, er hätte ohne den frühen Tod noch so viel mehr Geniales bringen können. Ich glaube nach einiger Erfahrung: besseres war nicht zu erreichen. Auch er hätte sich bestenfalls wiederholt. Vermutlich wäre er eher zu Muddy Waters und Howlin Wolf zurückgekehrt, in den Ursprung. 

Für ihn wäre es schön gewesen. Die Fans hätten ihn verlassen, für ihn wohl ganz okay. 

Ich bin lange Zeit mit seiner Musik an grünen Vulkanen des erweiterten Bewusstseins entlang,  unter violetten Himmeln gegangen. Ja, vielleicht will ich eines Tages auch zu seiner Musik in ein solches Meer eingehen.

Gerne und mit leicht ziehender Sehnsucht erinnere ich mich an meiner Jugend Sehnsucht. And the wind cried: „Mary!“

Viel von dem, das ich seither erlebte, durfte und musste er nicht erleben. Erwachsene Liebe vermutlich, Verantwortung, Scheitern, Schmerz der Trauer.

Aber was für eine Musik! Ich höre mir alle drei oder fünf Jahre wieder ein Lied von ihm an, nicht mehr: Den Verstand will ich behalten. Die Begeisterung bleibt.“

*

Abends dann:


„Wende des Alters

Jetzt ist Abend. Ich gehe zur 14tgl. Andacht.
Begeisterung ist der Betrachtung gewichen.

Ja, es war eine schöne Zeit. Begeisternde Klänge neuer Erfahrung, ferne Welten.

Aber nach dem Rausch braucht es Stille. Heute liebe ich wieder Vogelstimmen, Wind in der Luft, Menschenmiteinander. Ich bin alt.

Es war unsere Zeit. Die Konserve ist nicht die Frucht. Das Erleben wird mit uns vergehn. Warum nicht?

Wir begreifen ja das Tolle und Tiefe an Euren Erfahrungen ebensowenig. Euren Sehnsüchten sind andere Begeisterungen geworden.

Jimmy Hendrix.... war. Mehr zu hören wäre ein Hirnzudröhnen. Ich verlasse ihn und meine Zeit, gehe in noch verschwommenere Räume zurück.  

Wie wetterwendisch ist doch das Herz der Alten! 

„Ich sehe auf zu den Bergen. Von wo kommt mir Hilfe?“ Was nach diesen Worten folgt, sind Worte des Sängers, der so wenig weiß wie ich, mir aber seine Vermutung als Wahrheit eintrichtern möchte. Singe! Aber lasse mir das Wort! 

Ich möchte keine Drogen der Musik noch der Predigt. Gerne spreche ich mit Dir über Fragen, habe die nutzlosen Ruder abgelegt. Und treibe auf die Pforte zu.“ 

* * *

Lieber Richard, 

Der Mann war dir vermutlich zu laut. Aber die Toccata von Bach. Das war auch so etwas. Du warst nur einen Monat älter als er. Was bringt mich jetzt dazu, Dich zu erinnern? Du hast mich das Vertrauen in die Fragezeichen gelehrt. Was würdest Du jetzt mit 78 sagen und fragen? Was würde Jimmy jetzt spielen?

1.10.2020

7.9.20

Ende der Wichtigung

Der SES schreibt: 
"Sehr geehrter Herr Wachowski

Wir denken Ihnen für Ihre Nachricht und Ihren Einsatz
im Rahmen des Schulprogramms!
Alles Gute für Sie! 
Mit freundlichen Grüßen..."

Fast so höflich wie der Kreis Alzey-Worms nach meinen 40 Jahren Dienst. Dort hatte ich allerdings für Ärger durch Prüfung gesorgt und freundliche Worte eines Freundes bekommen, ich solle doch zufrieden sein.

Wozu auch Worte? Das hochgelobte Ehrenamt für Vulnerable.

Glaube nicht an die Begeisterung für das Gute Werk, mit der die Werber Dich fangen wollen. 




6.9.20

Rückschau

Rückschau

 

Aus andrer Zeit schau ich zurück,

In meines langen Lebens Glück.

 

Freude ist genug und mehr,

und auch Trauer grau und schwer,

Wie soll ich es denn leben?

 

Tiefer will ich nicht mehr graben.

 

Vom Dornbusch aus schau ich zurück.

In eines jungen Lebens Glück.

Klaus Wachowski     5.9.2020

 

                   Walter meint: „Was willst Du, Alter?

                   Dein Glück ist doch die

                   Backfabrik!“

                   Ist der Mensch erst vulnerabel,

                   wird jedes Altersheim rentabel!

27.8.20

Beim Lesen der Phönixflöte

Beim Lesen der Phönixflöte

Zu meiner Zeit gab es einen Dichter, der nur die Dinge beschrieb, das Herz der Dinge und Menschen als klingelndes Ding, das Leben als graue Fortsetzung grauer Erinnerung. Der Lohn blieb nicht aus, die Beförderung zum Meister des Pinselwalds. Weihrauch einst mächtiger Mörder.

Eigentlich geschaffen zum grauen Herrn in Management oder Kader.

Was war sein Gedicht, Schwatz?

Willst Du es wissen? Was du wissen willst, wirst Du es finden?

16.8.20

Dort links

Zur Klippe schaue ich auf.
Einzelne dicke Tropfen. 

Ist das der Augenblick?

Ich will nicht zurück in die Welt der Wölfe,
lockte sie auch mit dem Schrei des Einhorns.

Aber das Wasser steigt
und Boot zu fahren wage ich nicht.

Von allen Seiten hilfreiche Hände, aufmunternden Rufe, Lächeln.

Da sind Vögel über der Klippe, ein Strahl Sonne aus den Wolken. 

Da: Ein Schwarm von aufgeregten Spatzen! 

Das Rauschen der See.

Ich spüre Deine Berührung.

16.8.20 Klaus Wachowski 

4.8.20

Anders malen

Warum, oder besser wozu male ich noch (beziehungsweise ich zeichne ja lieber)?

Ja, ich zeige es auch gerne, bin ich doch gerne Teil des Menschenschwarms, aber noch mehr als früher merke ich, daß mich die Präsentation immer weniger interessiert. Mehr als früher zeichne ich auch nach. Das Fantastische, das in meinem kopf möglich ist, interessiert mich weniger als das Wirkliche, das mir der Tag und der Raum nahe bringt. Mir ist die Wirklichkeit zu reichhaltig, als dass ich sie mit meinen Phantasien noch weiter befrachten und barocken wollte. Aber ich möchte auch nicht zu sehr aus ihr abstrahieren, um sie den Vereinfachungen meiner Gedanken anzugleichen.

Ich glaube, daß diesem Nachfahren der Wirklichkeit mit einen Stift oder einem Wort eher der Wunsch nach Berührung verknüpft ist als der nach einem Gipsabdruck. Dies sehe ich eher bei einem bekannten Naja-Preisträger, der seine verwaschenen Fotokopien noch einmal mit fetter Acrylfarbe überstreicht.

Ich lausche auf den Herzschlag im Gesang der Vögel und spreize meine Flügel. Eine Art Selbstbefriedigung, wie wir in den 70ern den Ästheten vorwarfen.

Es gibt Glück

25.7.20

An der Haltestelle

Du reitest Durch phantastische Abenteuer des Na ja und bläst auf der Kulturtüte. Ich schaue auf die von unserer feiernden Gesellschaft verlassene Haltestelle.

Ein illustrierter Allesbeschwatzer, der das Zeug zu einem romanesken Sloterdijk hat, macht wichtig. Ich lese trotzdem mal eine Seite von ihm.

"Sexualität ist der nachtschwarze Schatten des Baums der Erkenntnis, aus der sie die Unschuld verlor. Sie steigt aus dem Grund in den Geist. Da aber klopft sie sein Helles ab,.."

Bahnt sich da eine Geschlechtsumwandlung vom Guru des Müpf zur Urmutter an?

Laß mal den Finger rund gehn! Lange Lappen, Strass und Goldzöpfchen. Und doch kein Lagerfeld?Der Verlag braucht noch 600 Seiten Schnalzen...

Nachtschwarzer Schatten? Der Quasselkasper aus Wasserburg bekommt barockale Konkurrenz.

Wie: nachtschwarzer Schatten? Reicht nicht schwarzer Schatten, reicht nicht Schatten? Das doppelte Überstreichen mit Acrylfarben. Ist es denn besser als das Betonieren nach Handke? Heller wirds nicht. Sex klopft es ab.

Sexualität soll der Begriff für diesen nachtschwarzen Schatten sein. Er schiebt sich vors Gehirn des Lesers, der Leserin.

War da nicht schon anderes gesagt von einem roten Apfel, der wiederum anderes symbolisierte? Acryl auf die Ikone schmieren. Wird es so schöner?

Rege ich mich auf über die Illustrierten im Regal des Discounters, über einen Garten voll Plastikblumen,  über Hartzungen von RTL? Nein! Ich verrate Dir: Ich kauf mir so 'n Ding, ich schlürfe in so 'nem Garten meinen Hugo, ich glotz so'n TV...

Was ätzt, sind die Gesten der Metaphernbläser.
Wo die Glasklicker des Pfeifelhans in das Ornat eines Literaturpreises eingebaut wird, wo die Literaturverwaltung das Strassenbegleitgrün in Plastikblüten wickelt, der Preis-Auswanderer Dir erklärt, wie schön sich die Protzbauten der Milosewitzen doch vor Gott und dem Menschen ausnehmen.

Rih wiehert Herbst auf Karl May. Aber dort war doch wenigstens Abenteuer mit Blick für die Wunder der Welt und der Liebe. Das bisschen geil aber macht den Mangel an Gefühl und Klarsicht des Reiters in der Tapete nicht wett.

Was der alles weiß! Wie am Tisch des betreuten Wohnens. 

Anreden gegen die Ewigkeit, Wichtigkeit auspacken. Aber uns zittern die Hände, während ihm noch der Mund überfließt. Nachtschwarzer Schatten, nicht ganz hell.

Wir haben gefeiert auf das Ende zu. Es war schön und bunt. Was war uns nicht alles wichtig! Wie zahm wir geworden sind!

Du fragst: "Ist das denn alles: Der Mensch?"

Sag Du's mir! 

10.7.20

Manchmal

Manchmal ist,

- was ich tue ohne Wichtigkeit,
- was ich glaube ohne Evidenz,
- wohin ich gehe Regen.

Ich vergesse.

Manchmal

- gehe ich mit mir selbst auf Wanderschaft.
Zu viele Leute, zu viel Ich.
Ich kann Dich nicht hören, nicht sehn.
Menschen aber brauche ich - auch.

Blätter, grüne Folie des Friedens,
Klar der Bach und fließender Spiegel.
Licht und Schatten flirren unter der Krone.

Wie schön.

Klaus Wachowski 9.7.20


7/20

19.6.20

Wort, Wert verlieren

Das Thema Literatur erschöpft sich in zunehmender Ermüdung. Das ist nicht Handke, der sich des Themas Müdigkeit mit zunehmender Langeweile angenommen hat.

Eine Weile glaubte ich, die Einstellung der literarischen Produktion bei guten Schriftstellern hinge mit der altersbedingten Impotenz zusammen. Die verursacht Depressionen und das führe zum Verlust allen Interesses.

Jetzt mit 69 erscheint es mir nicht ganz so. Das Interesse verliert sich nicht nur, es kämpft auch gegen die innere Stimme an, die ihm die Frage zuflüstert:"Ist das angesichts des nahenden Todes wirklich wichtig?"

Die andere Frage, wer das denn hören wolle, gewinnt mit der Vereinsamung an Gewicht. Gefolgt vom Zweifel darüber,ob es je jemanden gab, der es hören wollte und dem anderen Zweifel bezüglich der eigenen Qualitäten überhaupt. Die Depression fällt über dich her.

Der alte Mann auf dem Stadttor von Worms kann das Schwert gegen die Orks vom Banner des Kreuzzugs nicht mehr heben, der Schmied biegt das glühende Eisen nicht mehr, der Guru vergisst seine faule Formel, ich verliere das Wort.

Schwer zuzugeben, dass es nicht schade ist, sondern Teil des Geschenkes Leben, dessen Aufstieg nicht ohne den Abgang zu haben war.

Ich könnte mich darüber beklagen, dass ich die Reise nicht weiter führen kann, nicht mehr Diesel im Tank ist. Im Augenblick denke ich, das sei gut zu wissen, besser aber auch, mehr hinaus als nur in den Tank zu schauen.

17.6.20

Einschulung

"Guten Tag, liebe Schülerinnen und Schüler,  mein Name ist Schnursenkl!" Shit! Hätte ich nicht sagen sollen!

Der Haufen lacht wie blöd. So ein Vorlauter ruft von hinten: "Wir haben doch den Meier!"

"Was für'n Meier?"
Sie werfen sich aus dem Fenster. "Na den mit" -idiotischer, amerikanischer Fingerapostroph- "ay".

Ah, Gott sei Dank, Petra! Ist die wieder eingestellt? "Super, Petra, gut das ich Dich sehe! Weißt Du, wo die 7a dieses Jahr ist?"

"Hast Du die mail nicht bekommen? Du Arme! Dann weißt Du ja nicht, daß die Knarz jetzt die Leitung hat!" (Was,die?! Danke schön! Ich dachte die wäre wegen der Nazi-Sache versetzt,  oder war es Ministerium? Und meine Bewerbung?! Hätte ich mir denken können!).
"Aber welche Klasse Du hast,weißt Du?"

"Äh ja, mail! Habe ich irgendwie weggedrückt. Nö, weiß schon. Meine Klasse: hab ich aufm Zettel."
Warum lüge ich so blöd? Komisches Ambiente. Bin ich hier überhaupt richtig im Blassier-Gymnasium?

Da! Die drei kenn ich doch. Sind die nicht pensioniert. Oder stellen Sie seit neustem auch bei uns die Vulnerablen wieder ein? Die Glatze. Ach jaa! Das ist ja der Mayer "mit ay". Der alte Suffkopp! Schlängelt sich an die Knarz ran. Wie immer!

Schnell hier rein. Der Saal ist gottseidank leer.

"Frau Schnursenkl" Unverschämtes Grinsen! Das ist doch der Asoz von Goldberg. "Wissen Sie, wo die 6a dieses Jahr ist?" Der will doch wohl nicht weitermachen! Ab ins Homescooling! Papa wird's schon richten.

Wo ist nur diese verdamme Mail hin? Ah hier. Nöö! Aber wenigstens die von Vince! "...schön, daß Du für mich die Rede vom Personalrat hältst! Die Begrüßung ist übrigens in der Mensa der Brutalos drüben. Danke nochmal und schöne Grüße an Meyer mit ay. Wenn der nur nicht Chef wird!..."

   Die hochgeschätzte Pädagogin und beliebte Kollegin, Frau Monika Schnursenkl , kann auf absehbare Zeit ihren Unterrichtsverpflichtungen nicht nachkommen.

21.5.20

Ein Spielplatz in Kutaisi

Auf einem Spielplatz in Kutaisi steht sie, sieben oder acht, mit einem Eis am Stiel. Vanille mit viel Milch. Man muss mit einer klapprigen Gondeln hinauf fahren, kann aber auch mühsam durch die Hitze wandern. 

Es kracht von Blech und Eisenketten. Die Anlage stammt wohl noch aus Sovjetzeiten oder ist es eine zerfallende Hoffnung aus den Anfängen der Republik? 

Es ist ja nicht Sonntag. Die Leute müssen arbeiten oder beschaffen, die Kinder in die Schule. Ein verlorener Alter, ein heimlich tuendes Paar, die Mutter und das Kind. Es könnte auch die Großmutter sein. Wir sind in Georgien. 

Die Farben sind Rot, Blau und Gelb. Die rot – gelben Rohre der Absperrung stehen schief vor den Juxmaschinen, Gondeln, Schweinschen, Affen, Pferden des Karussells, Autos der scheppernden Rennbahn. Von oben grüner Schatten und Wolkenweiß aus dem Blau. Das Vergnügen ist (noch?) nicht in Betrieb, der Springbrunnen trocken. 

Am Kiosk ist aber schon der uralte Kampf von Lust und Geiz im Gange. Bier und selbstgesprächiges Geschwätz vom Wir.
„Na und?“, fragt der Spatz und knabbert am Popcorn. 

Sie saugt am Eis und schaut hinaus. Unsere Blicke kreuzen sich und ziehen sich zurück in die Höflichkeit. 

Ich sah Hoffnung und Freude. So erinnert sich das Alter. Sah sie das Märchen, dessen Versprechen uns in diese Zukunft trug? Und wenn sie einst mit ihrem Kind in den Vergnügungspark geht, werden da rot – gelb gestrichene Rohre der Erinnerung den Jux absperren? 

Es rasselt. Die Gondel wartet. 

Welche Farbe wohl ihre Haare hatten? 

21.5.20

17.5.20

Geiger über Didion

"Insgesamt finde ich das Buch schwach. Hier schreibt jemand, der ein Leben lang privilegiert war und nicht begreifen kann, dass er diesmal nicht privilegiert ist. Ich gebe gerne zu, dass man grob verallgemeinert wird in der Erfahrung des Todes. Aber deshalb liest und schreibt der Mensch, damit er nicht ständig jäh erschrickt."

Volltext 1 2020

Seltsam wenig Mitgefühl. Nach dem alten König hätte ich mehr erwartet. Zu seinen sonstigen Buchbesprechungen kann ich wenig sagen. Bei Handke stimme ich zu. Mit Karl Kraus würde ich mich nicht anlegen.

Zu Didion, was schreibt er da? Das tut weh! Ihr ist jemand gestorben, den sie liebte. Und noch jemand. Was soll in diesem Zustand die Erwähnung von Privileg?!

Ich habe die "blauen Stunden" gelesen. Da ist Trauer und Abgrund. Was hat das Wichtigtun der Sehnsucht an solchem Ort verloren? Das ist vorbei. Da ist ein anderer Raum als ein Erzählcafe oder ein Lappen von Roman.

In dieser Lage ist nichts von Suche nach Privileg! Da ist Verlust und Schmerz von anderem Schmerz. Im Verlust bist Du gleich wie nur noch im Gelächter aus den Türen der Versorgungsstation. Da gilt kein alter König, kein Literaturpreis.

Im betreuten Wohnen weint so manche/r um geschwundene Wichtigkeit. Im Verlust aber erheben sich wieder die tausend Stimmen der Menschen. Von der trockenen Sachlichkeit bis zum fetten Pathos. Das sind keine Looser-Geschichten. Da nimmt der Verlust sich seinen Abgrund. Und eigentlich muss die literarische Kritik vor dem Totengesang - schweigen.

Die blauen Stunden der Didion. Für Mutige zu empfehlen. Wer will schon in einen Abgrund folgen? Das Pfeifen in der Angst ist aber nicht das geeignete Mittel, von solcher Begegnung zu berichten.

Im übrigen lese und schreibe ich -wie viele- nicht, um nicht zu erschrecken, sondern weil ein Wort vorbeifliegt.

Präzisierung:

Es geht darum, mit Menschen zu reden.

Wie jemand den Garten bereitet, warum soll man die Unterschiede nicht aufzeigen.

Aber wie jemand an seinem Grab weint oder lacht?

6.5.20

Die Straße

Die Straße gehört den Bürgern, der Platz ist öffentlich!
Die Angst bläst die Wichtigkeit auf mit Verantwortung.
Ein Alp legt sich auf meine Brust. 

Die Straße wird zum Hofgang, der Platz gesperrt!
Die Angst bläst die Wichtigkeit auf mir Verantwortung.
Der Gedanke stirbt unter hektischen Anordnungen. 

Abstand! Abstand! Hier kommt wichtig!

Endlich Moral! Endlich wieder das Maul im Holster.
Mach Platz! Und Abstand, Abstand und Ruhe!
Mit einem kaum hörbaren Knacks zerbricht die Freiheit.

Die Erleichterung holt neues Klopapier ein.
Auf mit der Maske! Raus in den Abstand!
Spürst Du wie die Verantwortung quillt? 

Help! My independence seems to vanish in the hate?

Im Mai 20

28.4.20

Ahloo! Ahloo! 2005


"Ahloo, Ahloo!...":  Da rufen Dich lauter Angst und Verzweiflung eines machtlosen Mannes. Die zwei Polizisten haben den Flüchtenden niedergeworfen, drehen ihm die Hände auf den Rücken, drücken ihn mit dem Oberkörper auf die Motorhaube. Als Mensch spürst du den heftigen Impuls, zur Hilfe zu eilen. Der Hilferuf an Dich als einen Bruder, eine Schwester der Erde läßt sich nicht überhören. Todesangst, schauerliches Echo von den Wänden unseres Verwaltungsblocks. 

An den hohen Fenstern sehen wir zu 20 oder 30 zu. Was Recht an einer Abschiebung ist , können wir uns vorstellen. Aber was ist daran menschlich?

Ein Hilferuf zerplatzt. Verschlungen von den Schatten eines Innenhofs. Spürst du die Fluten der Einsamkeit?

Wir gehen zurück an die Schreibtische des Schweigens.

17.4.20

Empfehlung aus 2009

Post "Happy Jack 09".
http://ausmeinemarchiv.blogspot.com/2020/04/happy-jack-09.html

Über Hans im Glück

13.4.20

Treiben


Treiben

"Rudern auf Gott zu" Anne Sexton.
-Ich fühle Treiben auf Gott zu.

Das geht gut vor dem Schlaf. Im Dunkel der Nacht vor dem Bett in sicherem Raum. Lange ist das letzte Wort gesprochen, das letzte Bild erloschen. Ich spüre meinen Körper in den Füßen.

Die Nacht weit da draußen weht in mich hinein, löst mich in sich auf. Es ist wie fliegen, schweben - hinab. Reflexe des Lebens leuchten aus dem Traum.

Gott funktioniert nicht online. Das Wunder geschieht, ist. - Person.




Am nächsten Mittag fand ich eine tote Fledermaus auf dem Balkon.


9.4.20

Schmetterling

Ein Kohlweißling schwingt und sinkt zwischen den Düften und über den Reihen der Gräber. Sie singen in blauen und lila Blüten hinauf. Und da blitzt es in gelb, rot und orange unter dem Grün der ersten Blätter.

Ich stecke mir die Zigarillo x an. Sie schmeckt nicht, schickt aber die Seele eine Entspannung tiefer.

Ein neues Ostern. Du bist zum Tod verurteilt, aber Du darfst immer wieder noch zwischen Duft und Farbe leben.

Ich höre das Lachen nicht, das aus dem Beton und der Bitterkeit mancher Erfahrung über eine dick aufgetragene Freude gegossen wird. Es war und ist immer wieder auch einmal mein Lachen.

Ich sehe auf. Irgendwo über dem Regenbogen fliegen "Bluebirds", auf Schwingen der Sehnsucht, aus den Paradiesgärten von der guten Sphäre der Erinnerung.

Und Jesus, die Liebe, trägt das Kreuz des Verrats, der Verachtung und des Hasses.

Ich möchte ihm etwas von dieser halben Stunde geben, damit er es besser übersteht. 

Hier liegt Leben. 
Ein Schmetterling, ein Himmel voll mit Träumen des Regenbogens, Erinnerungen und das Versprechen eines neuen Tags winden sich um ein Kreuz. 

Laß! Hier sind Duft und Licht und etwas wie Hoffnung im Gesang der Amsel. Und -warum nicht? - laßt die Glocken in die Bäume läuten!

9.4.20 Klaus Wachowski 

5.4.20

Die böse Frau

Noch im Alter, sie ist nur wenig jünger als ich, kann sie von ihrer Bosheit nicht lassen.  Ich nehme an, daß sie es in ihrem Leben zu irgendeiner Position gebracht hat. Die Wichtigkeit, mit der sie ihre überflüssigen Ermahnungen und Aktionen unterlegt, ist so unüberhörbar wie ihre Gehässigkeit Falten unübersehbar. Da ist viel davon.

Niemand hat sie darum gebeten, diese oder jene Aufgabe wahrzunehmen. Aber sie tut es, um ihr Verantwortungsbewusstsein herauszustreichen. Ein Blockwart am Ende der Tage.

Die anderen und ich, wie haben es in unserem Leben eigentlich alle zu einer angesehenen Stellung gebracht und erzürnen uns regelmäßig über ihr übergriffiges Tun und Reden. Warum nur? Was geht sie uns an, was kann sie uns anhaben?

Jetzt, wo der Frühling die schönsten Erinnerungen und schönstes Wiedererleben der Kindheit wiederbringt, geht es mir auf:

wäre ich ein Junge von damals, der hier in der Anlage spielte und träumte, sie würde mich mit argwöhnischen Blicken verfolgen und auf die Gelegenheit lauern, mich zu schimpfen. Corona stellt ihr allerlei Möglichkeiten dazu an die Seite. Die Träume werden weggekeift. Oder heißt es weggekiffen? Die Meisen singen, der Specht klopft irre Lust ins Totholz. Die Augen schließen sich zum Blick ins Blau und die Märchen vom Frieden der Kindheit breiten sich im Inneren Garten aus. Am Beet hackt böse Herrschaft böses Unkraut.

Jetzt weißt du, warum Jesus mir lieber ist als die Urmutter. 

2.4.20

Andreas Maier

Will nur noch in Kneipen herumsitzen."Volltext 4 19." 

Glockenklang ist ihm durch die Knochen gefahren, wie mir - war es in seinem Alter? - Bach in der ev. Kirche Bayreuth. Mir flog damit ein gewaltiger Druck auf Gehörtwerden davon. (Lebte Richard, mein unerkannter Freund noch?)

Das Äpplwoi-Glas in der Hand? Einsam sind wir alle. Wenn stimmt, was er schreibt, erlebt er zum erstemal die Gleichgültigkeit der früheren Party-Peergroup. Etwas spät. Die Geschäftsfreunde aus der Literatur haben mit sich selbst zu tun. Also, was jetzt?

Ich biete meinen kleinen ohnmächtigen Bruder Jesus an. Kann nicht helfen, findet den jungen Alten mit dem Äpplwoi-Glas aber ganz okay und schaut, was der wohl weiter macht.

Der  m u s s  ja schreiben. Saufen braucht er nicht. Rabe Josef vom alten Janosch lesen, -ja: oder (Jungfrau)- Anton Reiser könnte auch gut sein. Aber

gern selbst leben.

Mich hat der Lodenmantel vom Onkel Stammtisch geärgert, habe andere Lodenmäntel ausreichend erlebt. War so was wie Tattoo-Glatze der Herrschaft. Inzwischen mittelmäßig berühmt und ausgelutscht hat er aber gut teilbare Texte in den Volltext getextet. Ruhmempfehlung: gern darauf pfeifen! Auch nehmen: geschenkt. Wer will schon son Walser sein (auch ohne ethisches Problem)?

Gegen den Schreibdruck hilft nichts. Ist ja auch ganz gut, wenn mal was gelingt. Aber, alt, nicht dich lieber einen Platz etwas abseits im Parkkiosk zum Singen aussuchen? Klingt doch noch ganz gut, die Stimme, wie vom Lodenzeisig Udo.

2.4.20

24.2.20

etwas Zeit

Nur etwas Zeit. 

Wir gehn hinaus. 
Voraus das rote Fähnchen, 
voraus die rote Nase,
mal schauen, wie sie schaun. 

Auch Du bist nun zu alt dafür. 
Bleib ernst, mein Jung, bleib ernst! 

Dr. Smirc sagt: "Narzißmus!"
Dr. Warnix, Psychagog 
mit Diplom vom alten Narren: "Aha! Na dann.."

Bin denn auch ich ein betschgräbler Pegide?
Vom Einhorn zum Blödmann kein Schritt, 
nur etwas Zeit vonnöten.

Raus, die rote Fahne, rote Nase,
mal schauen wie sie schaun. 

Auch Du zu alt, macht nichts, 
nur etwas Zeit vonnöten. 
Dollau, dollau alt Alzey.

Fastnacht 2020

22.2.20

Was danach kommt


Auf das, was danach kommt!

Ein Lied mit einer heroischen Melodie, deren weiterer Text mir nicht im Gedächtnis bleibt.

Ich wische die Brotschale aus Holz aus, auf deren Boden mit einem Filz-stift geschrieben steht: zum 84. Geburtstag. Wir haben sie in einem Sozialkaufhaus erworben. Ich war damals, so glaube ich, 66.

Vielleicht schenkt mir in 15 Jahren jemand eine Brotschale aus Holz. Werde ich noch leben? Wirst Du noch an meiner Seite sein? Werdet ihr Lieben, Freunde, gute Nachbarn noch da sein?

Mir gefällt die Zuversicht und Freude der Jugend noch, ist das alles auch gedämpft. 'Swirling above' sangen die Stones vor ungefähr 20 Jahren über die 'seeds of love'. Er, sie war damals kurz vor Rente.

Es ist immer noch schön auf den Filmplakaten der Erinnerung, hinter den Geschäftigkeiten des Tags, die den Rentner in die Straßenbahn stolpern. Singt und freut Euch, auf das was danach kommt!

Was kann schon sein? Der schöne Tag, das gute Gespräch, Berührung. Auch Schmerz, keine Frage. Singt! Es ist keine Erleuchtung von Gurus Gnaden. Und vielleicht gerade deshalb frisch und Freude auch für mich.

Ob der, die jetzt mindestens 88jährige noch lebt? Oder hat sie, er voller Wut und Not, die spießige Holzschale da-mals direkt ins Sozialkaufhaus geworfen? Dann laß uns gemeinsam eine Zigarillo rauchen auf das, was davor war und danach kommt.

Geschrieben unter dem Eindruck des einblühenden Frühlings im Februar 2020.

Klaus Wachowski

12.2.20

Erinnerungen im Dada


Erinnerung an Freunde

„Der liebe Gott hat euch alle gern! – Wisst Ihr: Ich war zehn Jahre bei ihm. Jetzt komm ich ab und zu zu ihm und schau mir seine Kirche an. Ihr habt Gott gern, er hat Euch gern. Ha,ha,ha!“
Was glaubt er zu wissen? Auch ich glaubte zu wissen von Liebe und Freundschaft. Und ich muss sagen: was ich da schrieb war nicht schlecht. Besser als Schopenhauer, der zugibt, davon nichts zu verstehen und erst recht als Nietzsche, der darauf spitzte, Schopenhauer zu überwinden und seine Flächengedanken mit poetischen Worten auszumalen, Tapetenphilosophie. Aber was war an den Gedanken so bedeutsam? Es half mir, aber wer liebte brauchte andere Hilfe und wer sich sehnte anderen Spiegel. Heue erkläre und beschreibe ich nicht mehr Liebe. Ich lasse mich von ihrem tragen oder von der Sehnsucht nach ihr ziehen. Was nicht heißt, dass ich meinen Verstand verliere. Eine Garantie, ihn zu behalten, glaube ich aber auch nicht mehr. Heute fühle ich mich in der Mitte des Lebens. Wie immer einmal wieder in unverhofften Momenten. Ich brauche keine Weisheiten mehr. Ich versuche, Gedanken zu teilen. Ob der liebe Gott mich also gern hat, hahaha, das lass mal unsere Sorge sein. Und unser Gespräch. 

Äber lasst mich ein wenig durch einige Sätze Dada hüpfen und danach sehen, was meine Erinnerungen machen. 

***

Die Volksbefrager, die aus Bürgern wieder Massen und Volk machen. Mit Familienwerten aus grimmigen Bärten auf der ehrenamtlichen Krötenwanderung zu den Strebergärten der Trumpiden von Hool. In der Bowlingbahn zwischen Erotikbar und Königreichssaal zieht man ein neues Smoothical auf. Achtsamkeit guckt auf ein tibetisches Lama.
***

Ein Sturm war und ich dachte an meine verstorbenen Freunde.

Vor 10,5 Jahren starb X mein 10 Jahre älterer Freund, der für seine humanistische Haltung gefoltert und vertrieben worden war. Bei seiner Heimkehr war kein Platz mehr für den verdienten Architekten. Hier in der Fremde aber hatte er gute Aufnahme gefunden, blieb fremd. Ach, ich konnte Deine Freundschaft nicht ausfüllen, ja ich flüchtete vor ihren Hoffnungen. Ich habe Dich tief enttäuscht. Zehn Jahre älter. Ein Mentor in Sachen Treue, dem ich entfliehen musste...

Heute wäre er etwa 80. Lebenslanges Lernen? Nein! Im Alter geht es eher um den Kampf gegen das Vergessen und später um die Akzeptanz der Tatsache des Vergessens. Nicht mehr lernen, mehr erfahren..

Ich bin jetzt drei Monate älter als Du geworden bist. Ich denke mit Schmerz an Deine Hoffnungen, die  sich so oft in Enttäuschung wendeten.

Richard, vor 14 und einem halben Jahr hörte ich vom Tod eines Freundes und Lehrers, mutig gegen die Mächtigen. Ich danke Dir für die Erfahrung eines Zorns gegen das Unrecht, als das Kuschen noch angesagt war. Die Pegiden vom Trump, die Typen vom heruntergekommenen Stammtisch? Auch das war der Feind. Sie kuschten noch, wo sie jetzt brüllen. Im Eiscafe vom leche, komm, noch eine Zigarette. Rauchen war okay. Du 63, ich 54, verstand ich noch nichts von Alter! Nicht, dass ich heute mehr davon verstünde. Der Körper tuts. Aber auch Dir war klar: "wie kann man zu wissen glauben?!" Nur: was Du in Erfüllung Deines Temperaments erfahren hattest, gab Deinem Wort Bedeutung. Es war durchgekämpft, durchlebt, durchfreut und immer wieder enttäuscht. Von den Dekonstrukivisten bis Schopenhauer und Christus. Dr. Smirc hätte  wahre Freude an Dir gehabt.

Was gab es zu berichten, zu diskutieren, dem Hofberichter vom regionalen Schwatzblatt an den Kopf zu werfen unter Zornesblick auf die regierende politisch-narzisstische Provinzgröße, die sich peinlich berührt in ihrem schwarzen BMW oder im weißen Benz vom Volk machte. Der Manager als Sozialdemokrat…

Und während ich dies schreibe setzt sich ein älteres Ehepaar an den Nebentisch. Plötzlich sind wir bei Schopenhauer, Marc Aurel, Arendt. Wie kommt das?! Jahre im Desinteresse!
Wie ich Dich vermisse! Die Akademie im Café leche, der italienische Weltenfreund vom hoffenden Streben unter der Begeisterung, bringt frischen Wind ins Fragen. 

M, an Sehnsucht leidender, tapferer Mann, ein Jahr später als Richard plötzlich aus dem Leben geholt, noch nicht 60. Du warst gestraft mit gebrochener Liebe und schmerzenden Knochen. 68 bist Du in Paris auf eine Phalanx brutaler Polizisten zu gerannt, vom schreienden Haufen plötzlich allein gelassen. In Heidelberg habt Ihr die starren Genossen von der Diktatur des Proletariats mit witzigen Aktionen stolpern lassen. Und als Pfarrer bliebst Du den Arbeitern treu.

Wir kannten uns in der Männergruppe, den Menschen aktiv verbundener, treuer Genosse Jesu und der Gewerkschaft. Es war die Haltung zu den Menschen, was uns verband und stärkte.

Wie auch mit Dir P., und K. beide vor fast 13 Jahren verstorben. Auch Ihr fast 5 Jahre älter als ich, nach einem Leben voll Arbeit und Verantwortung. P. herzlich, Du ,K., still.

Auch P. mit Studentenerfahrung, sozialistisch, Sponti in alternativen Bauernbezügen. Die Freunde im Geist trafen einander zum Reden, zum Austausch über die politische und die gesellschaftliche  Entwicklung. Wie wirkte es sich auf die persönliche Situation aus? Was konnte man tun? Was konnte helfen?

K war ohne gewaltigen akademischen Hintergrund. Er schwankte im Politischen. Aber er stand hinter dem Menschen. Wenn wir über seinen Kopf hinweg die wichtigen Fragen diskutierten, war er öfter mürrisch. Aber er half, wenn es ans Tun ging. Wir betrachteten ihn mit Sorge. Bleibt er treu den Menschen? Oder wirft er hin, wird zum egoistischen Spießer, den Wohl und Leid des Nachbarn Mensch nicht mehr interessiert? Zum mürrischen Alten, der das leben als feuchten Wischlappen wegwirft und in einer sinnleeren Wüste auf das Ende wartet. 

Immer wieder zeigte er, wie grundlos und beschämend unser Mißtrauen war. Hätte er nicht verdient gehabt, noch eins, zwei Jahrzehnte sich an der Sportschau zu freuen wie wir uns an Wallander und irgeneinem Liebesknochen im Kino?

Es war eine gar nicht bemerkte Zeit, diese Jahre von 2005 bis 2009, in denen ich wichtige Freunde, Begleiter verlor. Am Ende war ich beruflich auf dem Höhepunkt meiner Wirkung, familiär gingen die Wichtigkeiten als Vater in die Aufweichung, die Selbstentwicklung des Rentners versprach einen neuen Frühling, den die Schauer der Wirklichkeit öfter in sibirische Straßen verwandeln, an das Verschwinden in den Orten des Alters der Unsichtbarkeit konnte ich nicht glauben. 

Jetzt erinnere ich mich. Ja, Erinnerung, dafür kann man sich nichts kaufen. Aber ich genieße sie. Und wo sie das Böse und Böhse heran bringt, schütte ich es in den Alz-Eimer.

All meine noch lebenden Freunde, Nachbarn, Mitbürger, die Ihr auch mal wagt, zu „sinnieren“, wie es ein sympathischer Verstorbener mir gegenüber einmal bezeichnete, lasst uns auch der guten Menschen gedenken, die wir einmal nicht nur kannten, sondern erfuhren.

Klaus Wachowski  12.2.2020