Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

25.11.23

Frau Grete Hänsel


Zu Hänsel:

Du gehst mit Gretel durch den Wald und weißt nicht mehr, wo's lang geht.

Na ja: eigentlich hat Grit Deine Mom ermordet. Die musikalische Untermalung trug damals ebenso zur Unterhaltung bei wie die popkulturellen Anspielungen. Romantik eben.

Aber die Schwiegermutter wollte doch ihren Mann fressen! Dennoch: schon lange vor 70 rief Dir Dein Gewissen einen Schauder zu.

„Zum Würstchen“, ruft es vom Häuschen aus Zucker und Lebkuchen. Hier trifft sich alles, was Rang und Namen verloren hat auf einen Schlag Senf vom Kant. Es hilft nicht. Das Hirn hat keine Muskeln.

Hänsel und das Top-Model gingen mit Stock und Hut hinaus in die Welt. Der Ruhm fletschte märchenhaft die Zähne. Sie rannten und Gretel warf den Schleier von sich, Gelbe Säcke und obdachlose Väter am Wegrand.

Die Spur der Steine glänzte. Von oben antworteten die Sterne. In den Bäumen des schwärzesten Schwarzwalds sang der Wind vom ewigen Leben. Hatte sich Gott hierher verirrt, um von der Heimat gekreuzigt zu werden?

Ein Tier bricht durch das Unterholz. Es stimmt, was die Erzähler schreiben: Borsten, Hufe, Zähne. Nach allen Seiten flieht das Kleingetier.

Hänsel horcht. Aber nur das Schlagen einer Axt ist zu hören. Er sammelt die Steine auf, wirft sie hoch zu den Sternen. Sie sollen nicht in das Haus des Terrors zurückfinden, in das Herz der Herrschaft.

Urmutter lutscht am Hühnerknochen. Und ihre Schwester wirft ein Netz von guten Noten aus nach frisch gepflückten, naturblöden Söhnen und Töchtern. Wer war es,  die oder der das Feuer im Brandbeschleuniger entfachte? Sieh die Lava in Jamaika! Männer ermordet von Muttersöhnen.-

Mit der Geburt des Kindes wirst Du Vater, das ist: der Ausgestoßene. Aber was nur kann eine Stiefmutter tun, Mutter zu sein?

Der Trödler vom japanischen Flohmarkt wirft sein Herz vom Dach des Hotels Einsamkeit. Der Schatten, aus dem er hervortritt, quillt aus einem Kübel Spiritualität, Bewusstsein und Wellness.

Da ist ein schwülstiger Hiphop von der falschen Uhrzeit in der U-Bahn. Du lernst die Angst, die Glauben macht. „Wir werden den Weg schon finden.“, hofften die beiden Dichterkinder, während eine unglaubliche Wut hinten die Fenster des Zuges zerkratzte.

Aber sie fanden den Weg nicht. Sie gingen die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend, aber sie kamen aus Wald und Wahn nicht heraus, verirrten sich in önologischen Katakomben, wie ein Maschinenring auf Kreuzfahrt.

Und weil sie so müde waren, legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein.

Als es Mittag war, sahen sie ein schneeweißes Vögelein auf einem Ast sitzen, das sang so schön, dass sie stehen blieben und ihm zuhörten. Uns ruft das Käuzchen eine blaue Pille in den Blutdruck. Die Katze Richard aber fragt: „Was ist das: „Gott vom ersten Wort?““

"Wer ist da?": Einen Vers warfen die Kinder nach dem süßen Schmerz einer lodernden Lust aus, die nach Knusperkindern lechzte: „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.“ Das fachte das Feuer erst richtig an.

Die Alte war aber eine Hexe, die für gewöhnlich jungen Säufern und Partybomben auflauerte, um sie zu vernaschen.

Geil! Da war das Hänsel aber zu schwach, hatte nicht Bizeps noch Waschbrettbauch. Außerdem redete er Dialekt, was echt nicht geht. Und das Gretel wußte nicht, wie es mit dem Euro Putzgeld all die Steaks und Amphetamine zum Body-Styling besorgen sollte.

Nun ward dem armen Hänsel das beste Essen gekocht, die Alte knackte die Shrimps, aber Gretel bekam nichts als Krebsschalen.

Spar nur dein Geplärre, sagte die Alte, es hilft dir alles nichts. Gretel fühlte sich gehänselt und reagierte brutal. Die Erblasserin musste elendiglich verbrennen. So hilft man sich als angehender Lifestyle-Coiffeur.

Grausamkeit gegen Verbrechen. Da schaudert‘s dem Kind. Ob die brave Gretel immer nur alte Frauen ins Feuer stoßen wird? Von Gretel lernen: dass es nur der passenden Begründung bedarf, Orgien der Mordlust zu feiern.

Da sprang Hänsel heraus wie ein Vogel aus dem Käfig, wenn ihm die Tür aufgemacht wird. Wie haben sie sich gefreut, sind sich um den Hals gefallen, sind herumgesprungen und haben sich geküsst.

Hier schwimmt eine weiße Ente, sagte Gretel. Wenn ich sie bitte, so hilft sie uns hinüber. Weiße Vögel lieben es, in Märchen Glück zu machen. Nur manchmal streift der Schatten eines riesigen Flügels unsere Hoffnungen und wir hören den Schrei des Raben.

Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen in der Villa Vologda. Die Zikaden beugten sich unter der Lust und rieben schmerzhaft Knie an Knie, um zu zirpen, damit der Hans zu seiner Grete kommt.

Die Menschen aber lecken sich noch heute die Lippen, wenn sich ein Märchen auszieht, das Fürchten zu lehren.  10.08.2009

Ergänzung 2023

"Einhörner sind entgegen ihres lieblichen Erscheinungsbildes aggressive Kreaturen, die innerhalb eines Augenblicks in Raserei verfallen können." (Konstantin O. Boldt: Fast verschwundene Fabelwesen)

Lieber doch nicht Kind von Künstlern sein.

 

 

 

 


18.11.23

Hinaus gehen

 

Hinaus   nach der Grippe 23 

Ich gehe hinaus aus dem geschützten Raum,

will zu mir kommen,

               mich wieder finden

               oder neu.

 

Was man will!

Die Menschen, ich?!?

 

Die Bäume, das Blau, das Zwitschern aus den Büschen.

Eine Erinnerung aus den Sehnsüchten der Kindheit, blaß aber voll Unter-schieden der Farben.

 

Walter muß noch in den Regen,

Flyer verteilen für einen feuchten Gottesdienst. Graue Hose, blaue Jacke, klammer Rucksack.

Er lebt auf einen warmen Herd und Glühwein hin, wo man träumen kann

von märchenhaftem Glück.

Wo freundlich oder sogar liebend

Sich Dir jemand zuwendet.

Sonst hilft kein Fernseher oder Salzstängel.

 

Die Bäume, das Blau, das Zwitschern aus den Büschen.

 

Die Erinnerung geht in einen warmen Frühlingstag.

 

Draußen auf dem Nebenplatz

wackelt der grinsende Akkordeonmann aus Deutsch-Rumänien

schreckliche Egerländer und aber auch die Amelie.

 

Das ist je das märchenhafte im Alter.

Was fürchtest Du?

Was mehr erhoffst Du?

Und immer noch nicht weiß ich!                             17.11.2023

4.11.23

Zimelie

Was das wohl ist: Zimelie?

Man sagte, ich sei neidisch auf die Nobelpreismanufakturen. Alt erwidert ich: 
Ich produzierte nicht Preise vom Junk, sondern ich fertigte Zimelien. 

Mein Kind 2006

Mein Kind (2006)

Mein wildes Kind,
Mein sanftes Kind,
Mein ordentliches Kind.

Die Zeit entriss mir Deine Hand,
Einsam ist nun meine Angst.

Sternschnuppen fallen,
Ich ziehe den Mantel enger.

Wer berührt Dich,
Wer lässt sich berühren von Dir?
Ich wünsche Dir fühlende Hände!

Brausen der Wellen.
Singt oder weint es, mein Kind?
Muscheln sammelnd sehe ich auf:
Steigt oder stürzt es in Träumen?

Wie weit wollte ich fliegen,
Frei und allein.
Ich ziehe die Einsamkeit enger,
Sternschnuppen fallen in die Zeit.

21.1.06

2.11.23

Du bekommst das hin

Du wirst nicht von 68 berichten können. Nicht von Hype, Verrat und Weltgefühl. 

Aber Deine Fridays for future werden ebenso Fanatiker mit dem heiligen Blick erzeugen, die "Verräter" und "Feinde" terrorisieren, "Kollateralschäden" in großem Umfang in Kauf nehmen und entschuldigen. Du wirst Korruption und Verrat erleben, und die Sturmfluten der Gleichgültigkeit.


Wenn du Glück hast und lange genug lebst. 

Aber vielleicht geht es Dir dann doch so wie mir mit "meinen" 68ern.