Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

28.1.23

Hinaufgelangte

Hinaufgelangte

„Der Wachowski? Auch so'n Dichter.“ Maliziöses Lächeln überm Eisbein. Der Naja weiß Bescheid.

Hinaufgelangen um jeden Preis wollen andere. Noch andere erwischte die Ziehung der Nobelwürfler.

Handke, Depardieu, Walser (M), Sloterdijk. Da gab es doch Tausende, die genauso besonders talentiert waren oder eben genauso wenig. Und von denen hatten doch auch einige Tausende förderliche Beziehungen zu VIP und Schein-VIP. Es kann nicht jeder das große Los zum Kulurtrog ziehen. Man zahlt mal eins, dann muss aber auch gut sein. Man muss leben und, wenn man zum Beispiel „auch so'n Dichter“ ist, in die Welt schauen, nicht nur in die Gönnung.

Der Wachowski ist da nicht neidisch. Er hat sein Geld verdient, viel schreiben können (einiges davon schön) und er kann jetzt unerkannt, unbelästigt durch die Straßen und über die Wege. Mit verschrobenen Dichterblick, genannt Aufmerksamkeit. Ihn trennt nur selten ein wichtiger Artikel von Verehrung in Zeitung und Netz vom Leben und die Gedanken können frei fliegen.

Auch er hätte mit Glück und richtiger Anwesenheit bei wichtiger Preisverleihung von wichtigen Personen, bei konsequenter Beziehungspflege und austarierte Brav/Frechheit hinauf gelangen können. Dann müsste er sich mit einer etwas graueren Einsamkeit als der des Lebens abgeben.

Nein! Schon schöner, fremd zu sein unter VIP*innen.

Hier zum Beispiel zieht er die Luft durch die Nase. Noch nicht Frühling. Es singen die Meisen noch nicht und die Eichhörnchen suchen noch in kalten Böden. Wie die Menschen so gebeugt um die Häuser hasten und schleichen. Über dem Lärm plötzlich tiefer klang einer Glocke. Erinnert das nicht an die Dalloway?

Ein Dichter vom Naja unter Hinaufgelangten.

Na ja. 

29.1.23

13.1.23

Eierbecher 2010

Ich trage das Geschirr in die Küche. Ich sehe die Wand über der Spüle. Ich drehe den Kopf zum Fenster, sehe Regenwolken. Der Eierbecher zerschellt auf dem Boden. Ich habe nicht gespürt, wie er aus der Hand glitt.

Laß das Licht herein, schieße die Pfeile der Vogelstimmen durch die Regenfäden!

Was da zerbricht, ist nicht das Leben noch ein anderer besonderer Wert. Ich verliere wirkliche, körperliche Kraft, während ich noch einen gewissen Anteil wirklicher Macht, Einfluß ausübe.

Der leichte Schmerz des Noch-nicht der Jugend, der wie der Stich einer Rose den ganzen Körper ergreifen kann, teilt seine Herrschaft nun schon lange mit dem des Nicht-mehr. Jetzt ist das Alter in mir, mit all seinen Brechungen und Brüchen. Es hat auch etwas von einem befreienden "Endlich!" Die Blüten schließen sich, schützen sich unter dem Regen. Unter dem Regen - wachsend.

 

Ich fege die Reste zusammen. Es war einmal, es ist nicht einmal ein Märchen.

Ein Staubkorn oder eine Galaxis stürzt in eine Sonne. Während es Materie an sich zieht, verliert es  Materie. Ich höre den Lärm, mit dem der Eierbecher zerschellt. Ich höre nicht, ich spüre nicht wie die Kraft geht. Was für ein Lärm, wenn Galaxien ineinander stürzen. Welche Stille beim Sterben der Kraft!

Der Lärm erinnert mich: ich bin! Plötzlicher Tag. Die Stille nimmt mich mit in die Zeit. Sie formt ein Wort aus der Tiefe. Ich rätsle, was wohl der Sinn, die Welt dahinter ist. Sie rüttelt mich auf mit einem Schrei aus brechendem Scherben.

 

Wie nun alles zurückkehrt!

Was wäre der Lärm ohne die Stille?

Was wäre das Wort ohne Dich?

 

Ich lasse Wasser ins Spülbecken. Goldene Reflexionen an der Decke. Die Regentropfen blitzen unter der Sonne, im Regen-rauschen zwitschern hundert Vögel. Dies scheint ein guter Tag zu werden. Nimm ihn in die Hand. Gib gut Acht!

11.04.10 Klaus Wachowski

Immer das gleiche aus 2010


Und der Regen begleitet mich jeglichen Tag seit ich Mitte 50 bin. Schwarz glänzen die Äste der Kirsche jetzt im Winter. Sind sie nicht grüner im Sommer? Die Amsel findet warmen Wurm und die Alten ziehen die Köpfe ein. Die Jungen aber:" Vergiß den Quatsch vom Regen!"

Es ist immer das Gleiche: Das Wunder Sonne an jeglichem Tag, die in uns regnende Trauer Regen jeglichen Tag.

Trinke eine Tasse Kaffee, nimm ein Triptan und sieh zurück in die Ebene, die Dir so oft Gebirge schien. Die schwarzen Punkte im Grün, das Dir so oft schmutzig und fett braun war: es sind die Köpfe Deiner Freunde, die aus Deinen ausgedörrten Erinnerungen ragen, wie die von Giraffen aus dem Steppengras. Laß es regnen, grünen im Winter Deiner Jahre! Sieh, wie sie miteinander kommunizieren über weite Strecken, weite Zeiten hinweg.

Und sie bekommen Kinder oder keine Kinder, und sie werden alt oder sterben vor der Zeit, und manche versinken in Ich und vergiftetem Traum, versteinern in Alltag und Dope verfaulter Sehnsucht.

Aber da sind X und Y, dem Wunder Sonne seinen Wert zu erhalten, der Trauer Regen den Wert Wunder entgegen zu halten.

Der Schnee versinkt in den schmutzigen Fluten eines Winterregens. Räume die Straße zu Deiner Aufmerksamkeit. Ein Junger schubst Dich zur Seite. Eine Jung sieht durch Dich hindurch wie durch Glas. Die Köpfe voll: ich will! Der Regen beginnt, in ihre weit geöffneten Sehnsuchten hinein zu regnen. Eine Fastnacht übe holt sie und vorne zeigt sich der Tod.

 

Du bist noch nicht so weit, ihn an ihrer Stelle anzurufen. Noch glaubst Du an Gebirge. Noch kannst Du nicht aufstehen, über Dein Tal zu fliegen, den Ruf der Freien zu rufen, zu fliegen, fliegen.

Darum dankst Du Virginia für das Wort, dem Wunder Leben für das Wunder Virginia. Dem Tag und dem Regen für:

Immer das Gleiche

 

16.01.10  Klaus Wachowski

 

 

 

 

 

9.1.23

Senior von der letzten Ölung

Da geht die Seele

The sun ain't gonna shine anymore.

Seniorenzimmer zur letzten Ölung.

 

Da geht die Seele des Senioren. Scott Walker steigt hinab.

Ich schaue Fred Wunderwisch zu, wie er seinen Erinnerungen hinterher humpelt. Bringt auch den Loyola zum Sondermüll (Hass im aufgeblasenen Gotteskonstrukt). Etwas depressiv mit Reflux. Er weiß, das geht vorbei. So lässt er sich ein auf Regen und Wind.

Nass und kalt der Boden. Das Kraut ergraut, etwas schimmelig, feucht.  Aus dem Himmel auch nicht gerade eine frohe Botschaft. Let it Rain.

Was ist noch zu erwarten? 

Aber ich weiß: der hatte doch ein schönes Leben! Der Onkel: „Komm her, Du  Raiberkneisl!“ Ließ ihn zusehen beim Motorradbasteln in der Sonne. Durfte er nicht auch mal im Beiwagen mitfahren? Die Jugend, mit genommen von den Klassenkameraden. Between the Buttons, wunderbares gemeinsames Staunen. Jimmy Hendrix beim Pio, unglaubliches musikalisches Dope. Wilde Jagd durch die Pubertät, underground und Marx: Was jetzt? Sex, na ja: viel geredet, wenig Spaß. Arbeit, die sich schließlich gut anfühlte, 68, Liebe, Kunst. Wir machen einen besseren Staat. Tja. Zusammenbruch, richtige Liebe, Rückkehr in die Philosophie, Entdeckung bei Hannah Arendt, Schopenhauer, Karl Kraus. Nachbarn, Menschen, ja das war schön. Die Kinder! Zeit der glücklichen Begleitung. Ja auch Schmerz. Und jetzt hinaus ins Patagonien. Trotz all dem, was nicht gut war.

Beim Zanger fällt der Beton vom Balkon. Würdest Du Dich drunter stellen? Reste von Moninger, Schon ewig ist der Wofl tot, Richard, Michael, Frank…

Da derart geringe Druckänderungen schon aufgrund des thermischen Rauschens, durch Mikroerschütterungen sowie durch minimale Bewegungen im Prüfteil, in der Adaption und in den pneumatischen Leitungen auftreten, werden in der Praxis die Messwerte gemittelt und der Anzeigewert auf 1 Pa gerundet, was immer noch 1/100.000stel des Luftdruckes ist. Es gibt doch herrliche Hirngeschenke!

Sebastian Knülch rappelt mit der Büx. Schon seit Tagen sind Fernseher und Sternsinger unterwegs. Wuderwisch verzichtet dankend auf Privatstatus. Denn die stahlharten Schlussverse eines metaphysischen Gedichtes atmen leider auch mal beherrschte, unterkühlte Begeisterung (Nach Geschichte des Zen-Buddhismus, Dumoulin, Begeisterung 1 S 101).

Let it rain. Aber sacht. Jetzt kauft er sich mal einen Jasmin-Tee mit schöner Erinnerung an seine Japan- Phantasien. Beim Supermix von Puerto natales sollen es jetzt 20° sein...

Er beschließt, seinem Urenkel zu schreiben. Hallo Sörken Viktor, Dein Uropa hat auch mal gelebt. Das war ne Zeit! Was und wie ich da alles gesehen und erlebt habe? Du bist ja ein neugieriges und sicher auch Kluges Köpfchen. Also dann:" Schreib auf....."

Das Schweigen nimmt seinen Lauf. 


3.1.23

2022

Der Winter hat die letzten Duftspuren gelöscht. Der Geruch der neuen Begleitung überlagert die letzten Erinnerungen. Mehr noch aber weht der Wind vom Hundetreff das Aroma von Lust und Lust, entfacht neue Sehnsucht über dem Verlust. A ist weg.

Wir haben das Bild eines Freundes, der im Nebel verschwindet. Aber im Sarg tummeln sich die Maden. Das Nichts ist nicht Nebel. Er ist nicht.

Denken wir an die Provence, deren Licht bis auf den letzten Tag durch den Verrat eines Freundes leuchtete. Sehen wir die harmlosen Träume von Teilhabe an Ruhm und Ehre unter Altavantgarden in Orange, Lyon, Paris, vom weißen Outfit des Kunstgurus, von ausgesuchter Freundschaft und Duft der Frauen.

Die Welt hatte einen treuen Eigenbrödler an ihm. Noch so einer, der einem Vater im Weg gestanden hatte.  Wir begleiteten ihn eine kurze Strecke.

Der Hund X hat in langen Perioden zwischen den Erlebnissen so ein Gefühl von Leere. Er teilt es mit seinem neuen Menschen.

Und nun ist auch dieses Jahr - weg.