Birds 2013

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26.2.24

Am Zaun

Am Zaun 2024

Hänschen klein am Zaun unter Sonnenblume und rotem Dach, möchte weiter an grünem Weg entlang. Schon hat er keine Haare mehr, wartet im Nebenraum bei einem Kaffee Naja auf die Abholung. Vom Berg ist er in die Ebene gelangt und schwankt im Kanu auf die Wellen am Horizont zu.

Die Kindheit ist voll düsterer Erfahrung, Schläge, Verrat der Mutter. An das Schöne erinnern sich die Eltern

Betrachten wir es mit Dr. Warnix, Psychagog und Trockenalk aus 68:

Hallo Smirc, Du weißt noch nichts von beschirmender Arbeit und berührender Liebe. Was kannst Du glauben? Da draußen ist "Welt", Wolf und Mensch. 

Du wirst umkehren in das Haus der Dunkelheit. Zu groß ist die Angst, noch zu gering die Erfahrung mit den Menschen. Ich werde Dich begleiten. Stock und Hut werden Dir auch dann noch gut stehn und inzwischen soll Dir der Gesang von Amsel und Meise in die Träume klingen. Sieh hinauf zu den Bergen. Von da kommt Dir Hilfe. 

Türenknallen. Er trinkt den Rest. Der Krampf in der Hand löst sich. Jetzt taucht er sein Paddel ein. Vorne am Zaun die Sonnenblume.

16.7.23

Dunkler Raum in der Erinnerung

Hinter sich statt des Kruzifixes den Ehrensäbel Himmlers, beugt sich Arzt Schlink über einen Totenschädel, den Mengele ihm aus Ausschwitz in die SS-Akademie nach Graz schicken ließ.

Etwas abseits der Mitte SA-Führer und später hochgeehrter Verdienstkreuzer Göttnauer.

Vorne lächelt weise der Heimkehrer und frühere Justizangestellte, den nie jemand nach 33 bis 45 fragte. Und was macht Carlo Schmid da mit der Liste zu Tötender in Lille? 

Aufgeregte Stimmen:"Keine Namen!" 

Hier war ich fremd .

Manchmal, bevor ich aus der Nacht auftauche, muss ich durch das dunkle Zimmer der 2. Generation. 

16.7.23

9.1.23

Senior von der letzten Ölung

Da geht die Seele

The sun ain't gonna shine anymore.

Seniorenzimmer zur letzten Ölung.

 

Da geht die Seele des Senioren. Scott Walker steigt hinab.

Ich schaue Fred Wunderwisch zu, wie er seinen Erinnerungen hinterher humpelt. Bringt auch den Loyola zum Sondermüll (Hass im aufgeblasenen Gotteskonstrukt). Etwas depressiv mit Reflux. Er weiß, das geht vorbei. So lässt er sich ein auf Regen und Wind.

Nass und kalt der Boden. Das Kraut ergraut, etwas schimmelig, feucht.  Aus dem Himmel auch nicht gerade eine frohe Botschaft. Let it Rain.

Was ist noch zu erwarten? 

Aber ich weiß: der hatte doch ein schönes Leben! Der Onkel: „Komm her, Du  Raiberkneisl!“ Ließ ihn zusehen beim Motorradbasteln in der Sonne. Durfte er nicht auch mal im Beiwagen mitfahren? Die Jugend, mit genommen von den Klassenkameraden. Between the Buttons, wunderbares gemeinsames Staunen. Jimmy Hendrix beim Pio, unglaubliches musikalisches Dope. Wilde Jagd durch die Pubertät, underground und Marx: Was jetzt? Sex, na ja: viel geredet, wenig Spaß. Arbeit, die sich schließlich gut anfühlte, 68, Liebe, Kunst. Wir machen einen besseren Staat. Tja. Zusammenbruch, richtige Liebe, Rückkehr in die Philosophie, Entdeckung bei Hannah Arendt, Schopenhauer, Karl Kraus. Nachbarn, Menschen, ja das war schön. Die Kinder! Zeit der glücklichen Begleitung. Ja auch Schmerz. Und jetzt hinaus ins Patagonien. Trotz all dem, was nicht gut war.

Beim Zanger fällt der Beton vom Balkon. Würdest Du Dich drunter stellen? Reste von Moninger, Schon ewig ist der Wofl tot, Richard, Michael, Frank…

Da derart geringe Druckänderungen schon aufgrund des thermischen Rauschens, durch Mikroerschütterungen sowie durch minimale Bewegungen im Prüfteil, in der Adaption und in den pneumatischen Leitungen auftreten, werden in der Praxis die Messwerte gemittelt und der Anzeigewert auf 1 Pa gerundet, was immer noch 1/100.000stel des Luftdruckes ist. Es gibt doch herrliche Hirngeschenke!

Sebastian Knülch rappelt mit der Büx. Schon seit Tagen sind Fernseher und Sternsinger unterwegs. Wuderwisch verzichtet dankend auf Privatstatus. Denn die stahlharten Schlussverse eines metaphysischen Gedichtes atmen leider auch mal beherrschte, unterkühlte Begeisterung (Nach Geschichte des Zen-Buddhismus, Dumoulin, Begeisterung 1 S 101).

Let it rain. Aber sacht. Jetzt kauft er sich mal einen Jasmin-Tee mit schöner Erinnerung an seine Japan- Phantasien. Beim Supermix von Puerto natales sollen es jetzt 20° sein...

Er beschließt, seinem Urenkel zu schreiben. Hallo Sörken Viktor, Dein Uropa hat auch mal gelebt. Das war ne Zeit! Was und wie ich da alles gesehen und erlebt habe? Du bist ja ein neugieriges und sicher auch Kluges Köpfchen. Also dann:" Schreib auf....."

Das Schweigen nimmt seinen Lauf. 


27.12.22

Vom neuen Anfangen

Lass mich vom Alter erzählen. Ich stelle mir nichts darunter vor, bin mitten drin.

Heute ist neuer Anfang nach Weihnachten. Die Wohnung ist erst mal auf Stand. Es geht hinaus in den kalten sonnigen Tag.

Es ist etwas von kalt auch in mir, aber ich habe heute morgen unvermutet eine Zeichnung von mir aus diesem oder dem letzten Jahr gefunden. Es freut mich. Sie ist mir gelungen, obwohl ich damals eher dachte: irgendwie spießig. Anderen mag es so erscheinen, mir gefällt es plötzlich. Ich weiß noch wie der innere Anspruch lautete: zeichne doch einmal dieses schöne Blatt nach! Gleich zeichnete ich es fünf mal neben - und übereinander mit Schatten.

Jetzt sagt mir die Form: erinnere Dich. Und die Erinnerung an dieses Gefühl erfüllt mich. Vielleicht ist es etwas von dieser Altmännerphilosophie des zen, dieses plötzliche Ahnen vom Einswerden mit Allem, so etwas wie ein atheistisch - religiöser Orgasmus. Egal: es macht high, lässt die Zeit stehen, den Raum verschwinden. Für einen Moment.

Es war gut. Es geht weiter. Ich denke: Zeichnen erscheint mir wie das Echo der leisesten Berührung, die der Mensch spüren kann. Manchmal gelingt es, dieses Fühlen zu teilen, mitzuteilen. Kunst hat nichts von Größe, nichts mit ihr zu schaffen. Wer verehren will, gehe zum Guru. Aber mit etwas Glück kann sie ihre Freude vermitteln.

Also weiter über die feuchten, braunen, in Fäulnis übergehenden, aber zum Teil noch gefrorenen Blätter. Erinnerungen an andere Zeiten nach anderen Weihnachten kommen auf. Wie war das im letzten Jahr, wie vor zehn, fünfzig Jahren?

Ja, ich habe schon Hoffnungen auf die Zukunft des nächsten Jahres: neue Begegnungen, mehr aber auf die Erinnerungen, die sie in mir auslösen. Die Wintersonne über meinen Regenpfützen in hoffender Kindheit, in Einsamkeit und Erwartung der Jugend, im Weg durch den Schnee mit Dir, in Staunen und Vorfreude der Kinder. Der Gesang von Meise und Amsel aus den Himmeln des Frühlings, die Frieden atmende Landschaft des Sommers, ein Fluss, eine Stadt, die wehmütigen Blüten des Herbstes. All die Jahre, Jahrzehnte. All die Zeit.

Zwei Schulen des zen bekämpften einander erbittert: die eine von der plötzlichen Erleuchtung, die andere von der disziplinierten Meditation. Das braucht auch der japanische Alte nicht, ob weise oder ganz normal. Im Alter führt beides zum Glück der Erinnerung. Sie ist schon eine Droge gegen die Trauer.

So lass uns hinaus gehen, diesen tropfenden Zweig staunend berühren. Wie war das noch? Diesen vom weißen Wolken durchzogenen fahlblauen Himmel in uns hinein sinken und einen Glühwein gegen die Kälte trinken und zur Lockerung der Zunge. Und eine Zigarre am Stand. Ist es nicht schön, Mensch zu sein in der Welt der Menschen?

Ende 2022

5.7.21

Aloha Habibi

Ein Fremder kehrt zurück. Die sogenannte Heimat empfängt Dr. Smirc mit tschilpenden Spatzen, jubelnden Rotkehlchen, duftenden Wegrändern und einem Blick auf den vorbei radelnden Richard, der einen guten Salat kauft.

Man sagt jetzt " nachhaltig regional ". Man gendert, lockt mit Grünzeug Frauen an den Tisch.

Und ich?

Ich sehe mir mit meiner Liebe den Film Descendants an. Danach schalten wir die Kiste aus. Er muß gut gewesen sein. Einer, der zwischen Trauer und Wut schwankt. Der schwere Weg der Liebe zurück ins Ich.

Die Wellen rauschen in den Regen. Die Hoffnung versinkt, die Erinnerung schickt Schatten und Licht. Und da sind die Kinder.

Richard fragt: "Was bedeutet das Wort "Höhle"?"

Auch Du bist gegangen, warst der erste. Ob dieser Himmel, gebogen über Hawaii, so etwas ist? Die Drosseln über dem Regenbogen, die den Gesang der Liebe über uns hinaus tragen...

Aloha: laut Erklärung der letzten Königin von Hawaiʻi, Liliʻuokalani: „Im Angesicht des Atems Gottes stehen“. (Wikipedia )

Aloha heißt also Habibi?

Krasna!

Im Kino dann „Nomadland“, die Weite, die Sehnsucht über der Einsamkeit und die Trauer als Begleitung. Du bist auch für Dich und die Welt gemacht. Swankie, man sieht sich.

Dank aber auch für die weite, weite Straße.

5.7.21 Klaus Wachowski


4.9.17

Märchen



Alt geworden sehne ich mich nach Märchen.

Durch das Märchen gehst Du allein. 

Der dunkle Wald, der leuchtende Garten vor dem weißen Haus. Die Mühle, das Feld. Und die Steine, das Gras und das Wasser.

Du bist frei, auf dem Weg in die Befreiung. 

Du tust irgendeine gute und mutige Tat. (Muß jetzt nicht mehr sein.)
Du hörst die Vögel im Himmel und über dem Feld. Die Tiere wünschen Dir einen guten Tag.

Da ist ein Vertrauen in Dich in der Welt.
Aus einer Hütte gehst Du hinaus, in eine Umarmung, zurückzukehren.

Es war kein Märchen.
Es war kein Albtraum.
Es war Umarmung und schön.

Ist der Wunsch hinaus und zurück unangebracht?

Das Schlängeln der Kaulquappe. Die Vögel! Das Eichhörnchen ruft: "Komm!"

Ich sehe: das Tor ist nicht näher gekommen und aus der Nacht funkelt das Leben.

Ganz ohne Bedeutung ist es schön, durch die Straßen der Welt zu gehen. Außer Syrien.

Klaus Wachowski                            29.8.17

6.3.16

Wir ziehen um. Ich werfe weg.

Große Teile meiner Vergangenheit gehen durch den Schredder. Wenn mein Gedächtnis nachlassen wird, werden die Haltestangen brüchig sein.

Als professioneller Narziß schmerzt mich besonders der Verlust vieler Texte und Zeichnungen, von deren Wichtigkeit ich überzeugt war. Natürlich, das sah ich: der ganz große Wurf waren sie nicht. Aber doch wohl gegenüber der Massenproduktion mit und ohne Preis lesenswert! Inzwischen teilt meine vergangene Produktion das Schicksal jener Literatur. Auch sie ist mir ein Na-Ja.

Aber sie ist von mir und hat etwa gegenüber der Alexanderschlacht, deren Reproduktion ich in den Papierkorb versenkte, den Vorteil, dass meine Gedanken und Kugelschreiberstriche aus ihnen schimmern, während dort "nur" ein sehr gutes Abbild der Realität oder Phantasie eines Anderen spricht. Schwer, dort mein Bild von der Realität wieder zu erkennen. Ich schreddere es weg.

Stück für Stück meiner Welt bricht weg. Die Triumphe gewonnener Kämpfe, der Trost der Liebe in den Niederlagen, die schillernden Horizonte meiner Spekulationen, das, was ich mit der Welt diskutierte, disputierte, gegen sie schimpfte, im Pathos erdrückte.

Wer will schon etwas davon wissen?

Also weg damit. Die Kämpfe der Vorzeit um eine Wiederherstellung des Ich sind abgeschlossen. Ich bin gut davon gekommen. Aber mehr zu versuchen, würde eben dieses Ich an die Schattenwelt der Vergangenheit fesseln. Zwar ist die Aussicht auf die Zukunft auch nicht gerade von Licht überflutet, sie beinhaltet aber die einzige Möglichkeit zu leben, selbstverständlich zum bekannten Preis eines Abschlusses.

Es geht etwas weg. Was ist das für eine Traurigkeit? Mir fallen die Hoffnungen ein, die in den archivierten Lebensäußerungen noch vorhanden schienen und ein angenehmes Parfüm der Erwartung über den "Erfolgen" versprüht hatten.

Auch der gute Glaube schwindet mit den heimatlichen Gefühlen der Erinnerung. Das mürrische Misstrauen aus dem bitteren Fluß Erfahrung lagert sich an den Ufern der Hoffnung ab wie die Ölpest am Strand, ohne dass aus Kindheit und Jugend Erinnerungen zur Hilfe eilen könnten. Alter, nein Danke! Hilft nur phantasiegestützer Optimismus.

Schön ist aber der Verlust der Ausrufezeichen. Ich hoffe darauf, dass das Fragezeichen in mir noch lange mit dem Gesang der Frühlingsvögel um die Wette singt. Vergangenheit soll mir nicht Heimat werden.

5.3.2016

Pathos genug.

Adele singt Hallo, from the other side. Dieser junge Mann hat schon die gleichen Fehler gemacht wie ich.

Pathos ist wie eine zu dicke Umarmung. Das Gedicht kommt ohne es nicht aus. Die Welt, den Menschen, Gott, die Seele muß ich anrufen, wenn ich ihnen etwas von der Welt, den Menschen, Gott, der Seele sagen und vor allem singen will, muß. Hallo from the other side! Das kann sich auch für mich inzwischen als eine zu dicke Umarmung anfühlen. Wie dieser Text in späteren Zeiten. Manches ist zu fein ausgefeilt oder zu plump auf grob gemacht, als daß es mir noch schmecken könnte.

Aber die Haltung des über das Wunder Leben staunenden Kindes habe ich, so hoffe und glaube ich, auch in meinen zur Ideologie erstarrten Wunschträumen der späteren Jahre und in den doch auch oft zu Moralpredigten aufgequollenen philosophischen Beiträgen beibehalten. Jedenfalls kommt es mir so vor, wenn ich heute aus Platz-und Zeitgründen einiges davon der Verrottung übergebe. In diesen bewegten Versuchen der Zeichnungen, in den wuterfüllten politischen Liebesbekenntnissen jener Zeit meine ich jenen Blick des von der Schönheit der Welt begeisterten Kindes von einem Berg aus zu fühlen, den es bei einer unverhofften Öffnung der Perspektive in das von Vogelstimmen und Sonne erfüllten Rheintal hatte. (Umso schlimmer erfuhr es die Berichte und Bilder von den Gräueln).

Bemitleidenwert: Ich beweine mich sozusagen selbst an meinem Grab. Gut, dass es kein Weiterleben, nur eine materielle und energetische Umwandlung nach dem Tod gibt. Was wäre das für ein Jammern und Klagen in den aufbrechenden Hoffnungen der Frühlingsstürme! Wie schwer würde all dies Erinnern des Ich seinen Tag erdrücken, wie taub wäre es für die Stimmen der Liebe, der Vögel, der Not und der Sehnsucht from the other side.

Wie hilfreich ist das Lachen! Es nimmt all die Wichtigkeit und wirft sie in die Luft. Der Frühlingswind trägt das trockene Laub davon, mahlt es zu Staub. Achtung, Allergiker des Geschmacks! Eine Ladung verschimmeltes Pathos!
Begeisterung und Wut treiben neue Knospen zu bunten Blüten Pathos aus. Die Meisen stimmen in meine Vorfreude ein. Aber die Erinnerung an und die Freude über Dich behalte ich in den Gefühlen meines Körpers. Von hier höre ich diesen Ruf from the other side. Und wenn ich mich auch ängstlich ans Land halte, so werfe ich mich doch in die Fluten der Zukunft.

Dr. Warnix, Psychagog und ausgefuchster Paßfälscher im Nebenerwerb meint spöttisch: "Pathos, schön dick!"

*

Politische Nachbetrachtung:

Karl Kraus half mir, die Wichtigkeit der Trennung von Politik und poetischer Sehnsucht zu erkennen. Und es erscheint tatsächlich problematisch, wenn Politik sich des Pathos bedient: Das Pathos der Willkommenskultur führte direkt zur Privilegierung gegenüber unterprivilegierten Hilfebedürftigen, das Pathos des "Und -  Ich?!" zu Stacheldraht gegen die Not. Regelmäßig gehört Pathos zur Ausstattung von Herrschaftssystemen des Unrechts, während in der Republik eher die kühle Sprache der Vernunft den Interessen ein Handeln und Verhandeln erlaubt. Den Herrscher ist jedes Parlament* Quasselbude, die seine Monologe stört. Hier wäre etwas vom Pathos des Karl Kraus gegen das faule politische Pathos nötig. Aber besser doch einfacher Gebrauch der Vernunft bei Treue zum einfachen Anstand.

Die läppische Literatur aber könnte etwas mehr vom Wunder Leben pathetisieren.

*Das Wort Duma für die russische Versammlung kommt nicht vom Wort "reden", sondern vom Wort "denken". Was vordergründig vernünftiger scheint, ist es nicht. Zum Denken braucht es keinen Austausch. Viele Philosophen, Plato voran, ziehen die Diktatur "vernünftiger" Leute der kommunizierenden Republik vor, Diktatoren umgeben sich gerne mit Beratern, als könnte man damit herstellen, was freier Wille braucht. Was aber vernünftig ist, ist nicht auszumachen ohne den Austausch miteinander sprechender, nicht im Pathos gesteuert skandierender, Bürger. Die Duma sollte sich einen der Republik würdigen Namen geben.

6.3.2016

4.2.16

Mankell zu Zeit und Wirklichkeit

Ich merke, dies ist eine innere Pflichtaufgabe. Irgendwie gedrechselt. Die Ansätze sind interessant, aber der Ausführung kamen wohl zuviele oder zu weit entfernte andere Gedanken dazwischen.

Zur Zeit ist das Klügste und auch Schönste von Kant und seinem Übersetzer ins Verständliche,  Schopenhauer, gesagt worden. Bei aller Anstrengung, Eigenes beizutragen, scheitert Mankell.

Das schadet nicht: ohne solche Anstrengung gibt es nur selten auch Gelingen.
Mich hat der Versuch jedenfalls zu eigenem Versuch - ohne Garantie des Gelingens - angeregt.

Was bedeutet die Zeit für Personen nach dem Schmerz?

Es scheint, als ginge die Zukunft in einen sich auflösenden Nebel ein, beleuchtet von einem oft gleisenden Licht der Erinnerungen. Und die Gegenwart erstarrt in diesem Anblick eines unbegreiflichen. Es erstaunt, aber es vertieft nicht wie das Wunder Leben, das Dir zu früheren Gelegenheiten blitzartig aufleuchtete.
Anders als Mankell, dessen Kritik wohl noch aus Animositäten der Vergangenheit her rührt, rätsle ich bei solchem Anblick über Gott.

Nicht anders als ich, denke ich, ist auch er, die Ewigkeit, Teil der Zeit. Es kommt die Zeit, da auch ich zurücksinke (hoffentlich falle oder stürze) in das Grau der Ewigkeit und in die kurzen Reste an Zeit, die in Erinnerungen der Liebenden auf das Ende warten.

Und auch hier immer wieder die Frage: diese einmalige Gelegenheit, Leben zu erleben. Wem kann ich für die Wirklichkeit dieses Wunders danken? Die Erstarrung der Gegend, die Auflösung der Zukunft im Schmerz, finden unter dem Fortgang der Zeit statt. Und all diesem, was da unter dem Himmel der Ewigkeit über mir ausgeschüttet wird, sich über mir ausschüttet, gebe ich in Ermangelung eines anderen Namens die Adresse Gott.

4.2.16

Eine Antwort des Dr. Smirc könnte lauten: Wozu willst Du danken, wo Du das Geschenk doch dem Zufall, dem Schicksal, verdankst? Und der Psychagog und Nudelsalat Dr. Warnix würde sicher etwas davon abweichendes aber vernünftiges beisteuern, etwa derart: Wenn Du nichts weiter bist als die durch alle Moleküle der Urzeit auf heute gekommene Lebenskraft X, die in eine andere Urzeit namens Zukunft sich ausdünnt, warum dankst Du nicht Dir selbst?

Ich weiß: auch nicht gerade von Klarheit oder Tiefsinn glitzernde.
Die Frage war den Versuch einer Antwort wert.

*

Ich fahre in einer grauen Atmosphäre mit dem Zug nach Hause. Es regnet, die Fenster sind beschlagen, die hereinstolpernden Schüler lustlos und erschöpft. Die Zeit vergeht. Gott sei Dank: die trüben Tage vergehen.

Altweiberfastnacht. Gott sei Dank schon abgerauscht nach Mainz.

Aber zurück in den Schmerz will auch niemand. Mankell, der seine Angst mit Fragen an die Vernunft fern hält, hilft. Gegen das Bild von bunt in schwarz, das das Wunder Leben in die Fläche eines Cartoons drückt.

29.12.15

Peinliches

Peinlich berührt siehst Du weg.
Ich mache Dir keinen Vorwurf,

wollte auch nicht eindringen
in die Wunde des Trauernden.

Aber glaube mir:
In den Tränen, die in die Falten der Trauer rinnen,
leuchten die schönsten und die kräftigeren Erinnerungen
der Welt unter dem Regenbogen.

Und sieh, es leuchten die Spuren der Tränen,
es leuchtet aus den Falten der Trauernden.

Und welches Glück der Unendlichkeit:
Das Fenster Leben geht auch
auf  in den Horizont Erinnerung

15.11.15

Baum

Er betrachtet seine Seele. Er reinigt das leere Marmeladenglas von Leimresten. Das Durchsichtige, es verführt den Blick in fernere Tiefen. Was ist hinter dem Horizont an Welt? Bist Du dort in den Fernen von Raum, Zeit und Selbstverständnis nicht auch auf der Suche nach dem Wort aus dem Frieden?

Gewiß, es ist still.

Er geht hinaus in den Garten. Der Riß im Baumstamm ist noch deutlich zu sehen, geht tief bis an den Beginn der Wurzel. Atahualpa singt: mit schmerzender Wurzel breche ich in Blüten aus. Oben hat er ihn verbunden, unten fließt und heilt das Blut der Erinnerung. Harz und Herz haben sie nicht den gleichen Wort-Ursprung?

Tränen schießen ihm in die Augen. Sie fließen über die Wunde und heilen schmerzend den Schmerz.

Die Sonne bricht durch die Wolken. Für einen Augenblick leuchten die eingewehten, schon ausgetrockneten Blätter auf in gelbem Herbst. Ah, plötzliches aufgeregtes Zwitschern von Spatzen. Hinten auf der Straße der Nachbar. Man wird einander von Tisch zu Tisch grüßen. Auch ihm ist ein Verlust durch die Sehnsucht gefahren.

Aber es war richtig und gut und Glück. Es wird wohl nicht wiederkommen. Die Sehnsucht hat einen Riß bis zum Beginn ihrer Wurzel. Jetzt wohnt er weit draußen in einem anderen Haus, in einem anderen Land. Aber es war richtig und gut und Glück. Die Liebe hat ihren heilenden Verband um die Sehnsucht gelegt, Erinnerung blutet ihr Harz in die Wunde.

Irgendwo bricht Licht aus Wolken. Er drückt den Rest der Zigarre aus und geht hinein, sich umzuziehen, um zu gehen. Er muss unter Menschen, manchmal gibt es Kultur. Vorher aber liest er noch einen Absatz aus Virginia Wellen.

Der Baum bereitet sich auf den Winter vor, verwandelt Alkohol in Zucker. Wer wüsste , dass es wieder Frühling wird, gäbe es den Menschen nicht?

15.11.2015