Früher Seniorenzimmer zur letzten Ölung... Tracy Chapman: There is fiction in the room between. Versinke in Deinem Augenblick. - Aber verliere nicht den Verstand
27.2.24
angebrachte Zeitenwende. Anlässlich einer Gedichte-Bewertung in volltext
25.4.23
So ging es hinaus
mit Stock und mit Hut.
Der Stock war Vertrauen,
der Hut Sympathie,
aufrechter Gang
mit Zukunft auf Glück.
Iliosakral beugt betreute Bewohner,
rüstige Rentner bücken sich, ach,
tiefer und tief zum Rollator.
So stolpern wir in erneuerten Straßen,
Kopf hoch! O je, mein Nachbar, wie geht's?
Eichhörnchen, Meisen, Reste von Pizza,
Blätter und Blüten entfalten das Jahr.
Holpre hinein in die quietschende S-Bahn,
fahre hinaus ins vor Jahren Gesehn,
bad in Erinnrung, in guter, Dein Herz.
Du weißt doch noch den Stock und den Hut,
und auch Regen an schrecklichem Regen.
Du meine Liebe, nur noch ein paar Schritte,
so geht es weiter und weiter hinaus.
Kw 25.4.23
31.3.23
Alter weißer Mann, Smirc
alter weißer Mann
Ich glaubs nicht: "Laufen da etwa Tränen?"
Dr. Warnix, Psychagog und gern gesehener Gast auf Intensiv, beugt sich herab: "Was ist denn mein guter Alter? Die haben Dich ganz schön zugerichtet!" Er betupft das blaue Auge mit dem Tempo, das er mühsam neben der Maske vorkramt.
Smirc rauh: "Alter weißer Mann? Du weißt doch, woher das kommt: aus der schwarzen Emanzipation: alt für Herrschaft, weiß für Herrschaft, Mann für Herrschaft. Macht hoch 3! Bei uns haben's die skandinavischen Pfarrerstöchter von der veganen Moral so gewendet: alt - was will der noch?, weiß - Privileg, Mann - brutal. Einmal ein "wow" im Netz gebraucht, und schon hat mir die Emma den Rollator weggekickt und irgendeine Ballerina den Stockschirm übergezogen."
"Aber Jacko! Da muss man doch nicht weinen? Das ist "halt so", wenn wir mal was sagen: Überflüssig, alt, schlüpfrig, eklig. Man/Frau hört nur das aus dem altem Ton. Einfach Maul halten, Teddybär. Lass uns rausgehn, unseren Weg."
Dr. Warnix, Psychagog und hergelaufener Trauerbegleiter, schiebt den Rollator wieder unter. Sie gehn Richtung Kindheit und Gott spendiert einen perlenden Amselgesang. Oho! An Ostern.
Amüsiert Euch gut, vegane Priesterinnen dessen, was sich gehört. Gehört alles Euch!
1.4.23 Klaus Wachowski
21.3.23
Zwei Stunden März
- eine Taube hat sich in den Blumentöpfen gefangen: flieh!
- ihre Todesangst spüren
- noch 30 Minuten zum Cartouche-Tausch, ruft das Smartphone
- Gläser trocknen, eins fällt
- Nachdenken über die Andacht
- Trauer legt sich auf mich
- eine interessante Masterarbeit lesen, mir voll Vertrauen übergeben,
- ich lese als Alter
- ein Gemüsemesser (Erinnerungen an die Küche im Eltern-Haus)
- Betten machen
- Fenster schließen (es ist eiskalt)
- den Schlauch vom Atemgerät zurechtlegen
- Gedanken an X (ob er zurück ist?), Erinnerung an meine Kur mit 6 in Bad Herrenalb. Bettnässer und zu dünn. Wie ewig lange ist das her!
- Spülung funktioniert noch (Problem Verkalkung bei Hinterwandmontage)
- ich lese von berühmten Leuten. Was sagt mir deren Scheitern und Erfolg? Erleichterung über eigenen Mißerfolg.
- noch 20 Minuten
- Brille aufsetzen und nochmal hinaus ins Schöne schaun.
- da hinten erste Gartenarbeit im Kalten voll Vorfreude
- das Kreischen eines Containers beim Beladen
- im Haus gehen Türen auf, Stimmen, informieren und streicheln die Stimmung
- der Wecker tickt
- im Radio die uralten immer - wieder - Lieder, die Erinnerungen pushen
- in den Keller. Gelber, grüner, blauer Müll, alles dabei
- Glas zum Container über der Straße
- in Hausschuhen, der Wechsel dauert zu lange, lieber kurz frieren
- Türe zum Müll - Keller schließen. Der Lichtschalter für ältere Leute unerreichbar weit von der unglaublich schweren Tür. Ich sag nichts mehr
- Gang zum Container: grüner Rasen, braune dürre Blätter, goldenes Licht auf gelben Fassaden, zwei in traulichem Kulturgespräch
- ein kleinerer Handwerker-LKW
- eine junge Mutter setzt ihr kleines Kind auf einen frisch gesägten Baumstumpf. Wie ist das? Erinnerung an das Gespräch über eine unbarmherziger werdende Gartenverwaltung
- jetzt noch zwei Minuten
- Biomülltüte in den Abfalleimer, Plastiktüte in den Eimer "gelber Sack"
- der Wecker klingelt
- erstes Cartouche- Wasser in die Gießkanne
- Cartouche einsetzen
- Zwei mal spülen
- vorbei an Janoschs Wörterbuch. Zum Kaffeebereiter
- Espressopause zwei Minuten, draußen vier in der Zigarillo - Pause. Erinnerung an Büro, Herren und brave Knechte, richtige Leute vom öffentlichen Dienst und Beutelschneider des Vertrauens, Karrieregeile, die mich ausnutzten, aber auch an eine Menge anständiger Kolleg*innen, die den Bürger, die Bürgerin in Nachbarn erkannten.
- es stehen noch an: Arzt -Rechnungen einreichen
- Besenhalterung an Alu-Regal irgendwie befestigen
- Schreiben an Voodofone und Monopol
- Kaffee-Kapseln entsorgen
- die Stadtreinigung und Kehrmaschinen fahren vorbei
- X schreiben, daß ich das Lesen angefangen habe
- in den Garten winken
- Flurreinigung vorbereiten, kehren, Staub saugen, weg frei machen
- Dr. Smirc: Nein, dass übernehme ich. Du bist krank!
- die Töpfe aus Kenia mal nass abspülen (seit 5 Jahren mal wieder), Schirmständer, Schirme, Läufer, Schuhschränkchen
- das Tablet hat endlich, endlich 95% (Vodafone und Telekom nicht vergessen! )
- mit dem Staubwedel unter die Schränke
- Sauger zusammenbauen, (Halter besorgen)
- ah, Staub auf Türrahmen, Spinneweben?, schwarzer Lack..
- Hups, ein Nagel im Sauger, das Ding muss aufgeschraubt werden...
- nass aufwischen. Der Nagel findet sich wieder. Sauger auf Strom setzen
- einräumen, Töpfe, Läufer pp
- Tablet auf 97, Cartouche bereit
- Befeuchtet von Schnarchbremse füllen, Kerzen und LED zurück, auf Bodentrocknung warten
Der Profi sagte: so sauber wie es dem Auftraggeber genügt
Noch Zeit zum Lesen, vielleicht schreiben und... denken?
Zwei Stunden, jetzt12:15 Uhr
9.1.23
Senior von der letzten Ölung
Da geht die Seele
The
sun ain't gonna shine anymore.
Seniorenzimmer
zur letzten Ölung.
Da
geht die Seele des Senioren. Scott Walker steigt hinab.
Ich schaue Fred Wunderwisch zu, wie er seinen Erinnerungen hinterher humpelt. Bringt auch den Loyola zum Sondermüll (Hass im aufgeblasenen Gotteskonstrukt). Etwas depressiv mit Reflux. Er weiß, das geht vorbei. So lässt er sich ein auf Regen und Wind.
Nass und kalt der Boden. Das Kraut ergraut, etwas schimmelig, feucht.
Aus dem Himmel auch nicht gerade eine
frohe Botschaft. Let it Rain.
Was ist noch zu erwarten?
Aber ich weiß: der hatte doch ein schönes Leben! Der
Onkel: „Komm her, Du Raiberkneisl!“ Ließ
ihn zusehen beim Motorradbasteln in der Sonne. Durfte er nicht auch mal im Beiwagen
mitfahren? Die Jugend, mit genommen von den Klassenkameraden. Between the Buttons,
wunderbares gemeinsames Staunen. Jimmy Hendrix beim Pio, unglaubliches musikalisches
Dope. Wilde Jagd durch die Pubertät, underground und Marx: Was jetzt? Sex, na ja:
viel geredet, wenig Spaß. Arbeit, die sich schließlich gut anfühlte, 68, Liebe,
Kunst. Wir machen einen besseren Staat. Tja. Zusammenbruch, richtige Liebe,
Rückkehr in die Philosophie, Entdeckung bei Hannah Arendt, Schopenhauer, Karl
Kraus. Nachbarn, Menschen, ja das war schön. Die Kinder! Zeit der glücklichen Begleitung.
Ja auch Schmerz. Und jetzt hinaus ins Patagonien. Trotz all dem, was nicht gut
war.
Beim
Zanger fällt der Beton vom Balkon. Würdest Du Dich drunter stellen? Reste von
Moninger, Schon ewig ist der Wofl tot, Richard, Michael, Frank…
Da
derart geringe Druckänderungen schon aufgrund des thermischen Rauschens, durch
Mikroerschütterungen sowie durch minimale Bewegungen im Prüfteil, in der
Adaption und in den pneumatischen Leitungen auftreten, werden in der Praxis die
Messwerte gemittelt und der Anzeigewert auf 1 Pa gerundet, was immer noch
1/100.000stel des Luftdruckes ist. Es gibt doch herrliche Hirngeschenke!
Sebastian Knülch rappelt mit der Büx. Schon seit Tagen
sind Fernseher und Sternsinger unterwegs. Wuderwisch
verzichtet dankend auf Privatstatus. Denn die stahlharten Schlussverse eines
metaphysischen Gedichtes atmen leider auch mal beherrschte, unterkühlte
Begeisterung (Nach Geschichte des Zen-Buddhismus, Dumoulin, Begeisterung 1 S
101).
Let it rain. Aber sacht. Jetzt kauft er sich mal einen Jasmin-Tee mit schöner Erinnerung an seine Japan- Phantasien. Beim Supermix von Puerto natales sollen es jetzt 20° sein...
Er beschließt, seinem Urenkel zu schreiben. Hallo Sörken Viktor, Dein Uropa hat auch mal gelebt. Das war ne Zeit! Was und wie ich da alles gesehen und erlebt habe? Du bist ja ein neugieriges und sicher auch Kluges Köpfchen. Also dann:" Schreib auf....."
Das Schweigen nimmt seinen Lauf.
27.12.22
Vom neuen Anfangen
Heute ist neuer Anfang nach Weihnachten. Die Wohnung ist erst mal auf Stand. Es geht hinaus in den kalten sonnigen Tag.
Es ist etwas von kalt auch in mir, aber ich habe heute morgen unvermutet eine Zeichnung von mir aus diesem oder dem letzten Jahr gefunden. Es freut mich. Sie ist mir gelungen, obwohl ich damals eher dachte: irgendwie spießig. Anderen mag es so erscheinen, mir gefällt es plötzlich. Ich weiß noch wie der innere Anspruch lautete: zeichne doch einmal dieses schöne Blatt nach! Gleich zeichnete ich es fünf mal neben - und übereinander mit Schatten.
Jetzt sagt mir die Form: erinnere Dich. Und die Erinnerung an dieses Gefühl erfüllt mich. Vielleicht ist es etwas von dieser Altmännerphilosophie des zen, dieses plötzliche Ahnen vom Einswerden mit Allem, so etwas wie ein atheistisch - religiöser Orgasmus. Egal: es macht high, lässt die Zeit stehen, den Raum verschwinden. Für einen Moment.
Es war gut. Es geht weiter. Ich denke: Zeichnen erscheint mir wie das Echo der leisesten Berührung, die der Mensch spüren kann. Manchmal gelingt es, dieses Fühlen zu teilen, mitzuteilen. Kunst hat nichts von Größe, nichts mit ihr zu schaffen. Wer verehren will, gehe zum Guru. Aber mit etwas Glück kann sie ihre Freude vermitteln.
Also weiter über die feuchten, braunen, in Fäulnis übergehenden, aber zum Teil noch gefrorenen Blätter. Erinnerungen an andere Zeiten nach anderen Weihnachten kommen auf. Wie war das im letzten Jahr, wie vor zehn, fünfzig Jahren?
Ja, ich habe schon Hoffnungen auf die Zukunft des nächsten Jahres: neue Begegnungen, mehr aber auf die Erinnerungen, die sie in mir auslösen. Die Wintersonne über meinen Regenpfützen in hoffender Kindheit, in Einsamkeit und Erwartung der Jugend, im Weg durch den Schnee mit Dir, in Staunen und Vorfreude der Kinder. Der Gesang von Meise und Amsel aus den Himmeln des Frühlings, die Frieden atmende Landschaft des Sommers, ein Fluss, eine Stadt, die wehmütigen Blüten des Herbstes. All die Jahre, Jahrzehnte. All die Zeit.
Zwei Schulen des zen bekämpften einander erbittert: die eine von der plötzlichen Erleuchtung, die andere von der disziplinierten Meditation. Das braucht auch der japanische Alte nicht, ob weise oder ganz normal. Im Alter führt beides zum Glück der Erinnerung. Sie ist schon eine Droge gegen die Trauer.
So lass uns hinaus gehen, diesen tropfenden Zweig staunend berühren. Wie war das noch? Diesen vom weißen Wolken durchzogenen fahlblauen Himmel in uns hinein sinken und einen Glühwein gegen die Kälte trinken und zur Lockerung der Zunge. Und eine Zigarre am Stand. Ist es nicht schön, Mensch zu sein in der Welt der Menschen?
Ende 2022
25.12.22
Patagonien
Eine Niederung, aus der auch einige Büsche heraus ragen. Ob es da Wasser gibt? Auch einige Spuren von Huftieren lassen es vermuten.
Wir gehen und schauen. Manchmal kommt ein Schatten aus dem Verlust. Ich stolpere.
Hinter den Büschen ein noch dunklerer Streifen. Wald. Beim Näherkommen wird eine Baumreihe sichtbar, die sich nach rechts zieht. Eine Allee, die vielleicht in eine belebte Siedlung führt.
Eine Gruppe von Menschen kommt uns entgegen. In der Mitte ein weiß gekleideter Mann. Extatische Gesänge. Ist es Aufmarsch oder Ritual? Gibt es ein Zurück in das Universum des Tuns?
Das Boot am Ufer. Vor uns die Grasebene.
28.8.21
Paddle 2
19.4.18
Alt aktiv
17.12.17
zu Mankell, die schwedischen Gummistiefel
22.11.17
Von alt Text 2016
23.9.17
Wondratschek verweigert sich
Der erste Eindruck nach dem Interview mit Wondratschek ist der von großer Enttäuschung und Depression.
Das Verschwinden im Alter merkt wohl der ehemals Berühmte am schmerzlichsten. Die Verlage kaufen nicht mehr von Dir? Es liegt nicht an ihnen. Sie wissen schon gut, was die Leute interessiert.
Sie wollten mir keinen Zutritt in ihre Lounges gewähren, weil andere zahlungskräftiger per Publikum erschienen. Und auch im Netz liest mich so gut wie niemand außer Geheimdiensten und Pornopages. Mein Beifall entspricht dem unbeliebter Marktschreier.
Doch wenn ich singe, möchte ich singen, dann aber auch von Menschen gehört werden, und schließlich, daß wir alle zusammen singen. Wo ich ein Märchen erzählte oder ein Gedicht, möchte ich den und die "ich-noch-einmal" erleben, denen die Welt ebenso gefällt. Und ich singe doch keinen Monolog, sondern begeistere mich erst richtig, wenn die anderen Bandmitglieder ihren ebenso wichtigen Part übernehmen. Ich bin kein Star, ich will Menschen!
Das vergessen viele in der Enttäuschung und in der großen Enttäuschung Alter: Daß wir Menschen sind.
Von Wondratschek, der zu Recht den alternativen Literaturpreis bekommen hat, hatte ich aufgrund seiner Begeisterung, mit der er früher dem Leben gegenübertrat, angenommen, sein Blick sei weit. Jetzt höre ich, er veröffentliche nicht, weil sein Wert nicht richtig gewürdigt werde.
Was wird geschehen?
Ein Bucharchäologe wird einst eine zerfallene Schublade öffnen und in Begeisterung über einen verschollenen Roman des Schriftstellers ausbrechen. Vielleicht wird es einen Hype, vielleicht weiter nichts geben.
Und weiter?
Die Frage ist doch -nachdem wir nun wissen, wie wichtig es für dich ist- ist es auch anderen Wert? Wenn es wert sein könnte, warum erhältst du es ihnen vor? Ist Dir Dein Weihrauch wichtiger als ihre Freude?
Es scheint tatsächlich ein gewaltiges Desinteresse an meinen Texten zu geben. Aber der eine oder die andere freut sich doch darüber. Demgegenüber erscheint mir das Desinteresse uninteressant. Mein Narzißmus zählt auf Menschen. Vielleicht auf wenige, aber auf Menschen.
Wer nimmt die Rolle eines Schriftstellers an und weigert sich dann, etwas zu sagen? Ich möchte dann schon auch etwas von ihm lesen können.
Das Schicksal aller Ergebnisse unserer anstrengenden Freuden wird sein: "Die Mumie des Ramses verzollt als getrockneter Fisch"( Max Frisch im dritten Tagebuch). Keine schöne Aussicht. Wenn wir das Jetzt vergessen und das Geschenk, Leben gedurft zu haben.
Vergessen wir nicht, daß wir"nur" Menschen, vergänglich und mit einem Leben beschenkt sind!
Ein besonders depressiver Tänzer, der für seine Lebenslust berühmt wurde, lachte einmal: "Es menschelt!" Ihm übermenschelte.
Andere Alte sind sich und der Bedenklichkeit Mensch nah geblieben. Mir gefielen da Mankell und Max Frisch besonders. Wie schön, könnte ich Wolf Wondratschek an ihrer Seite lesen. Er ist doch kein Walser!
13.7.17
Schwalben
23.8.16
Sonntagsspaziergang
Schon hat sich die Depression eingeschlichen und macht sich über die Vorräte an Erinnerungen her. Am Liebsten natürlich über die frisch gepflückten des Frühlings. Aber sie verachtet auch nicht die Hochprozenter der Kindheit.
Die Lust kehrt in einen verwüsteten Raum mit leeren Schränken zurück. Wer wundert sich, dass sie sich erneut in die windigen Gassen des Jetzt wirft, alle Hoffnung in die Begegnung mit den Schranzen des Narzißmus setzend.
Sie weiß: dahinter ist nichts. Aber die Masken sind faszinierend. Und die Lust bekommt Lust auf die Marktschreier des Ich.
Gott schmunzelt. Warte ab, wenn die Berührung ihr Wunder entfaltet!
KW 23.8.2016
17.8.16
Altersbogen
Wie lange noch geht über die Straße. Er wird nicht überfahren. Kurze weiße Haare unter dem Tonnengewölbe der Glatze. Die Sonne brennt. Der Kopf ist gesenkt.
Um ihn braust der Verkehr. In der Hitze hat es der Wille schon schwer, wie sollte sich ein Gedanke regen? Er schlurft weiter in der Erwartung, daß der Tag alsbald zu Ende geht.
Würde es etwas ändern, wenn er wüsste, wieviele Pokemonen um ihn herum geistern? Er geht weiter tapfer gegen die Zeit an.
Was also hat der Existentialismus gebracht? Okay: schöne 60er Jahre. Er schüttelt den Kopf.
Die Glocken läuten. Oder ist es der Ruf des Imam? Etwas versucht, seine Seele zu berühren. Sie ist unter den Falten der Vergeblichkeit geschrumpft und vertrocknet. Zwei Frauen, Schatzele, rufen einander Angebote zur Balkondeco zu. Er stolpert in eine glitschige Reklame.
Kurze Zwischendepression.
Es ist schwer zu begreifen, was es bedeutet, nicht mehr gebraucht zu werden. Was schlägt das Herz?
Du hast doch gegeben, was nötig und erwünscht war. Aber jetzt: das Leben nur empfangen, ohne wenigstens sein Bild in den Sand zu zeichnen?
Ein Radfahrer fährt ihn fast um. Hoppla Opa! Wozu sich noch ärgern?
Wozu reden? Weiß bzw. wußte man nicht schon alles oder alles besser? Mit einem anderen Besserwisser Pingpong des Bescheidwissens spielen?
Im Abendschatten trifft ein Lichtstrahl auf einen Baumstamm. Man hört die Stimmen zweier Alter sich mit dem Rauschen der Blätter verweben. Groß erscheint das Rund des Mondes. Die Atmosphäre einer weiten Öffnung der Nacht aus einer dunklen Erinnerung hüllt ihn ein.
Es darf geschehen.
Es geschieht.
Für einen Augenblick zögert er. Soll er den Graphitstift oder den Roman X in die Hand nehmen?
Und dann sieht er all dies in diesem Augenblick.
Und dann seine Liebe.
Noch einen Sambuca und der Knopfdruck auf die Märchenmaschine.
Da ist etwas.
Klaus Wachowski 17.8.2016
22.2.15
an der Pforte
An der Pforte erscheint das Alter als Wüstenlandschaft. Ist das Paradies nicht eine Oase mit dem Namen eines palliativen Seniorenzentrums auf Kreuzfahrt?
Umsteigen von der Laufbahn auf die Rutschbahn. "Gelassenheit im Alter" empfiehlt ein Philosoph dem Verlust der Ausgelassenheit.
Warum habe ich trotzdem das Gefühl von Zuversicht und warum spüre ich trotzdem den Grundton Freude?
Ich bin. Du bist da: Ich bestaune das Wunder, da sein zu dürfen. Wenn ich Angst habe, dann um das und vor der Steuererklärung.
*
Die Zukunft fürchten.
Steht da der Tod vor der Tür? Und schlimmer, der Abschied? Es wird Dich treffen, wenn Du mit dem Putzen noch nicht fertig bist. Man möchte vor solcher Aussicht die Augen für immer schließen.
Der Frühling in tausend Freuden. Hinter dem Gebüsch aus Vogelsang der Wolf.
Blau unter Weiß ein weiter Himmel. Laß doch den Frühling, hör doch die Vögel in leuchtender Welt.
Geschäftigkeit eilt vorbei an stummem Erstaunen. Da ist Freude in hellen Gesichtern.
Das Jahr erwacht in einem stolpernden Herzschlag. In aufgeregter Erwartung plantschen Gespräche.
Was ist geschehen?
Ein Kind schlägt die Augen auf
-und die Schönheit der Welt senkt sich ins Leben.
22.2.15