Birds 2013

Birds 2013
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27.2.24

angebrachte Zeitenwende. Anlässlich einer Gedichte-Bewertung in volltext

"Paul-Henri Campbell, 42 in Boston, lebt als Lyriker, Essayist und Theologe in Unterfranken und Wien." Aus volltext 4 23

Danach: "Upsi! Haha, ein Chat" zwischen 38 und 45
Danach: Anzeige für einen neuen Versuch an Magazin "morgen".

Danach zwei etablierte zwischen 63 und 69. Kommt mir schon näher.... z.B über Machart und das Gemachte und was wohl ein Roman ist. Gemächlich.

Während 81 noch Gedichte macht.

Wie alt ich bin!

Auch ich wusste mit 40 längst alles. Aber jetzt wundere ich mich. Über das Leben, über das, was das Alter noch so zulässt.
 Niemand sagt, alle denken: was will denn der noch? 

Es gibt auch nicht wenige Alte, die ihre Stimme dröhnen lassen wie einst. Ihr Bild wankt zwischen Oho und Upsi! Hahaha. Die junge Welt strömt an ihnen vorbei in die Säle der neuen Events. Mit dem Recht der Lust.

Draußen rauscht der Frühling nach mir.

Was kann man, was kann ich tun? Soll ich denn etwas anderes tun als schweigen und - gerne auch - lächeln? 

Ich sollte vielleicht doch besser auf die Erde vor mir achten, nicht zu stolpern! 


25.4.23

So ging es hinaus

So ging es hinaus,
mit Stock und mit Hut.
Der Stock war Vertrauen,
der Hut Sympathie,
aufrechter Gang
mit Zukunft auf Glück.

Iliosakral beugt betreute Bewohner,
rüstige Rentner bücken sich, ach,
tiefer und tief zum Rollator.
So stolpern wir in erneuerten Straßen,
Kopf hoch! O je, mein Nachbar, wie geht's?

Eichhörnchen, Meisen, Reste von Pizza,
Blätter und Blüten entfalten das Jahr.

Holpre hinein in die quietschende S-Bahn,
fahre hinaus ins vor Jahren Gesehn,
bad in Erinnrung, in guter, Dein Herz.

Du weißt doch noch den Stock und den Hut,
und auch Regen an schrecklichem Regen.
Du meine Liebe, nur noch ein paar Schritte,
so geht es weiter und weiter hinaus.

Kw 25.4.23

31.3.23

Alter weißer Mann, Smirc

Dr. Smirc,
alter weißer Mann

Ich glaubs nicht: "Laufen da etwa Tränen?"
Dr. Warnix, Psychagog und gern gesehener Gast auf Intensiv, beugt sich herab: "Was ist denn mein guter Alter?  Die haben Dich ganz schön zugerichtet!" Er betupft das blaue Auge mit dem Tempo, das er mühsam neben der Maske vorkramt.

Smirc rauh: "Alter weißer Mann? Du weißt doch, woher das kommt: aus der schwarzen Emanzipation: alt für Herrschaft, weiß für Herrschaft, Mann für Herrschaft. Macht hoch 3! Bei uns haben's die skandinavischen Pfarrerstöchter von der veganen Moral so gewendet: alt - was will der noch?, weiß - Privileg, Mann - brutal. Einmal ein "wow" im Netz gebraucht, und schon hat mir die Emma den Rollator weggekickt und irgendeine Ballerina den Stockschirm übergezogen."

"Aber Jacko! Da muss man doch nicht weinen? Das ist "halt so", wenn wir mal was sagen: Überflüssig, alt, schlüpfrig, eklig. Man/Frau hört nur das aus dem altem Ton. Einfach Maul halten, Teddybär. Lass uns rausgehn, unseren Weg."

Dr. Warnix, Psychagog und hergelaufener Trauerbegleiter, schiebt den Rollator wieder unter. Sie gehn Richtung Kindheit und Gott spendiert einen perlenden Amselgesang. Oho! An Ostern.

Amüsiert Euch gut, vegane Priesterinnen dessen, was sich gehört. Gehört alles Euch!

1.4.23 Klaus Wachowski 

21.3.23

Zwei Stunden März

- In den blauen Himmel und die beleuchteten Bäume sehen, sind noch kahl.
- eine Taube hat sich in den Blumentöpfen gefangen: flieh!
- ihre Todesangst spüren
- noch 30 Minuten zum Cartouche-Tausch, ruft das Smartphone
- Gläser trocknen, eins fällt
- Nachdenken über die Andacht
- Trauer legt sich auf mich
- eine interessante Masterarbeit lesen, mir voll Vertrauen übergeben,
- ich lese als Alter
- ein Gemüsemesser (Erinnerungen an die Küche im Eltern-Haus)
- Betten machen
- Fenster schließen (es ist eiskalt)
- den Schlauch vom Atemgerät zurechtlegen
- Gedanken an X (ob er zurück ist?), Erinnerung an meine Kur mit 6 in Bad Herrenalb. Bettnässer und zu dünn. Wie ewig lange ist das her!
- Spülung funktioniert noch (Problem Verkalkung bei Hinterwandmontage)
- ich lese von berühmten Leuten. Was sagt mir deren Scheitern und Erfolg? Erleichterung über eigenen Mißerfolg.
- noch 20 Minuten
- Brille aufsetzen und nochmal hinaus ins Schöne schaun.
- da hinten erste Gartenarbeit im Kalten voll Vorfreude
- das Kreischen eines Containers beim Beladen
- im Haus gehen Türen auf, Stimmen, informieren und streicheln die Stimmung
- der Wecker tickt
- im Radio die uralten immer - wieder - Lieder, die Erinnerungen pushen
- in den Keller. Gelber, grüner, blauer Müll, alles dabei
- Glas zum Container über der Straße
- in Hausschuhen, der Wechsel dauert zu lange, lieber kurz frieren
- Türe zum Müll - Keller schließen. Der Lichtschalter für ältere Leute unerreichbar weit von der unglaublich schweren Tür.  Ich sag nichts mehr
- Gang zum Container: grüner Rasen, braune dürre Blätter, goldenes Licht auf gelben Fassaden, zwei in traulichem Kulturgespräch
- ein kleinerer Handwerker-LKW
- eine junge Mutter setzt ihr kleines Kind auf einen frisch gesägten Baumstumpf. Wie ist das?  Erinnerung an das Gespräch über eine unbarmherziger werdende Gartenverwaltung
- jetzt noch zwei Minuten
- Biomülltüte in den Abfalleimer, Plastiktüte in den Eimer "gelber Sack"
- der Wecker klingelt
- erstes Cartouche- Wasser in die Gießkanne
- Cartouche einsetzen
- Zwei mal spülen
- vorbei an Janoschs Wörterbuch. Zum Kaffeebereiter
- Espressopause zwei Minuten, draußen vier in der Zigarillo - Pause. Erinnerung an Büro, Herren und brave Knechte, richtige Leute vom öffentlichen Dienst und Beutelschneider des Vertrauens, Karrieregeile, die mich ausnutzten, aber auch an eine Menge anständiger Kolleg*innen, die den Bürger, die Bürgerin in Nachbarn erkannten.
- es stehen noch an: Arzt -Rechnungen einreichen
- Besenhalterung an Alu-Regal irgendwie befestigen
- Schreiben an Voodofone und Monopol
- Kaffee-Kapseln entsorgen
- die Stadtreinigung und Kehrmaschinen fahren vorbei
- X schreiben, daß ich das Lesen angefangen habe
- in den Garten winken
- Flurreinigung vorbereiten, kehren, Staub saugen, weg frei machen
- Dr. Smirc: Nein, dass übernehme ich. Du bist krank!
- die Töpfe aus Kenia mal nass abspülen (seit 5 Jahren mal wieder), Schirmständer, Schirme, Läufer, Schuhschränkchen
- das Tablet hat endlich, endlich 95% (Vodafone und Telekom nicht vergessen! )
- mit dem Staubwedel unter die Schränke
- Sauger zusammenbauen, (Halter besorgen)
- ah, Staub auf Türrahmen, Spinneweben?, schwarzer Lack..
- Hups, ein Nagel im Sauger, das Ding muss aufgeschraubt werden...
- nass aufwischen. Der Nagel findet sich wieder. Sauger auf Strom setzen
- einräumen, Töpfe, Läufer pp
- Tablet auf 97, Cartouche bereit
- Befeuchtet von Schnarchbremse füllen, Kerzen und LED zurück, auf Bodentrocknung warten

Der Profi sagte: so sauber wie es dem Auftraggeber genügt

Noch Zeit zum Lesen, vielleicht schreiben und... denken?

Zwei Stunden, jetzt12:15 Uhr 

9.1.23

Senior von der letzten Ölung

Da geht die Seele

The sun ain't gonna shine anymore.

Seniorenzimmer zur letzten Ölung.

 

Da geht die Seele des Senioren. Scott Walker steigt hinab.

Ich schaue Fred Wunderwisch zu, wie er seinen Erinnerungen hinterher humpelt. Bringt auch den Loyola zum Sondermüll (Hass im aufgeblasenen Gotteskonstrukt). Etwas depressiv mit Reflux. Er weiß, das geht vorbei. So lässt er sich ein auf Regen und Wind.

Nass und kalt der Boden. Das Kraut ergraut, etwas schimmelig, feucht.  Aus dem Himmel auch nicht gerade eine frohe Botschaft. Let it Rain.

Was ist noch zu erwarten? 

Aber ich weiß: der hatte doch ein schönes Leben! Der Onkel: „Komm her, Du  Raiberkneisl!“ Ließ ihn zusehen beim Motorradbasteln in der Sonne. Durfte er nicht auch mal im Beiwagen mitfahren? Die Jugend, mit genommen von den Klassenkameraden. Between the Buttons, wunderbares gemeinsames Staunen. Jimmy Hendrix beim Pio, unglaubliches musikalisches Dope. Wilde Jagd durch die Pubertät, underground und Marx: Was jetzt? Sex, na ja: viel geredet, wenig Spaß. Arbeit, die sich schließlich gut anfühlte, 68, Liebe, Kunst. Wir machen einen besseren Staat. Tja. Zusammenbruch, richtige Liebe, Rückkehr in die Philosophie, Entdeckung bei Hannah Arendt, Schopenhauer, Karl Kraus. Nachbarn, Menschen, ja das war schön. Die Kinder! Zeit der glücklichen Begleitung. Ja auch Schmerz. Und jetzt hinaus ins Patagonien. Trotz all dem, was nicht gut war.

Beim Zanger fällt der Beton vom Balkon. Würdest Du Dich drunter stellen? Reste von Moninger, Schon ewig ist der Wofl tot, Richard, Michael, Frank…

Da derart geringe Druckänderungen schon aufgrund des thermischen Rauschens, durch Mikroerschütterungen sowie durch minimale Bewegungen im Prüfteil, in der Adaption und in den pneumatischen Leitungen auftreten, werden in der Praxis die Messwerte gemittelt und der Anzeigewert auf 1 Pa gerundet, was immer noch 1/100.000stel des Luftdruckes ist. Es gibt doch herrliche Hirngeschenke!

Sebastian Knülch rappelt mit der Büx. Schon seit Tagen sind Fernseher und Sternsinger unterwegs. Wuderwisch verzichtet dankend auf Privatstatus. Denn die stahlharten Schlussverse eines metaphysischen Gedichtes atmen leider auch mal beherrschte, unterkühlte Begeisterung (Nach Geschichte des Zen-Buddhismus, Dumoulin, Begeisterung 1 S 101).

Let it rain. Aber sacht. Jetzt kauft er sich mal einen Jasmin-Tee mit schöner Erinnerung an seine Japan- Phantasien. Beim Supermix von Puerto natales sollen es jetzt 20° sein...

Er beschließt, seinem Urenkel zu schreiben. Hallo Sörken Viktor, Dein Uropa hat auch mal gelebt. Das war ne Zeit! Was und wie ich da alles gesehen und erlebt habe? Du bist ja ein neugieriges und sicher auch Kluges Köpfchen. Also dann:" Schreib auf....."

Das Schweigen nimmt seinen Lauf. 


27.12.22

Vom neuen Anfangen

Lass mich vom Alter erzählen. Ich stelle mir nichts darunter vor, bin mitten drin.

Heute ist neuer Anfang nach Weihnachten. Die Wohnung ist erst mal auf Stand. Es geht hinaus in den kalten sonnigen Tag.

Es ist etwas von kalt auch in mir, aber ich habe heute morgen unvermutet eine Zeichnung von mir aus diesem oder dem letzten Jahr gefunden. Es freut mich. Sie ist mir gelungen, obwohl ich damals eher dachte: irgendwie spießig. Anderen mag es so erscheinen, mir gefällt es plötzlich. Ich weiß noch wie der innere Anspruch lautete: zeichne doch einmal dieses schöne Blatt nach! Gleich zeichnete ich es fünf mal neben - und übereinander mit Schatten.

Jetzt sagt mir die Form: erinnere Dich. Und die Erinnerung an dieses Gefühl erfüllt mich. Vielleicht ist es etwas von dieser Altmännerphilosophie des zen, dieses plötzliche Ahnen vom Einswerden mit Allem, so etwas wie ein atheistisch - religiöser Orgasmus. Egal: es macht high, lässt die Zeit stehen, den Raum verschwinden. Für einen Moment.

Es war gut. Es geht weiter. Ich denke: Zeichnen erscheint mir wie das Echo der leisesten Berührung, die der Mensch spüren kann. Manchmal gelingt es, dieses Fühlen zu teilen, mitzuteilen. Kunst hat nichts von Größe, nichts mit ihr zu schaffen. Wer verehren will, gehe zum Guru. Aber mit etwas Glück kann sie ihre Freude vermitteln.

Also weiter über die feuchten, braunen, in Fäulnis übergehenden, aber zum Teil noch gefrorenen Blätter. Erinnerungen an andere Zeiten nach anderen Weihnachten kommen auf. Wie war das im letzten Jahr, wie vor zehn, fünfzig Jahren?

Ja, ich habe schon Hoffnungen auf die Zukunft des nächsten Jahres: neue Begegnungen, mehr aber auf die Erinnerungen, die sie in mir auslösen. Die Wintersonne über meinen Regenpfützen in hoffender Kindheit, in Einsamkeit und Erwartung der Jugend, im Weg durch den Schnee mit Dir, in Staunen und Vorfreude der Kinder. Der Gesang von Meise und Amsel aus den Himmeln des Frühlings, die Frieden atmende Landschaft des Sommers, ein Fluss, eine Stadt, die wehmütigen Blüten des Herbstes. All die Jahre, Jahrzehnte. All die Zeit.

Zwei Schulen des zen bekämpften einander erbittert: die eine von der plötzlichen Erleuchtung, die andere von der disziplinierten Meditation. Das braucht auch der japanische Alte nicht, ob weise oder ganz normal. Im Alter führt beides zum Glück der Erinnerung. Sie ist schon eine Droge gegen die Trauer.

So lass uns hinaus gehen, diesen tropfenden Zweig staunend berühren. Wie war das noch? Diesen vom weißen Wolken durchzogenen fahlblauen Himmel in uns hinein sinken und einen Glühwein gegen die Kälte trinken und zur Lockerung der Zunge. Und eine Zigarre am Stand. Ist es nicht schön, Mensch zu sein in der Welt der Menschen?

Ende 2022

25.12.22

Patagonien

Das Boot liegt am Ufer. Es war doch nicht das Meer. Vor uns die weite Grasebene. Gelb und Grün. Einzelne Blüten senden ihren Duft. Farbige Punkte in der Weite. Einige taumelnde Schmetterlinge. Da vorne eine dunklere Stelle.

Eine Niederung, aus der auch einige Büsche heraus ragen. Ob es da Wasser gibt? Auch einige Spuren von Huftieren lassen es vermuten.

Wir gehen und schauen. Manchmal kommt ein Schatten aus dem Verlust. Ich stolpere.

Hinter den Büschen ein noch dunklerer Streifen. Wald. Beim Näherkommen wird eine Baumreihe sichtbar, die sich nach rechts zieht. Eine Allee, die vielleicht in eine belebte Siedlung führt.

Eine Gruppe von Menschen kommt uns entgegen. In der Mitte ein weiß gekleideter Mann. Extatische Gesänge. Ist es Aufmarsch oder Ritual? Gibt es ein Zurück in das Universum des Tuns?

Das Boot am Ufer. Vor uns die Grasebene.

28.8.21

Paddle 2

19.4.18

Alt aktiv


Im Zoo: "Schau! Rosa Flamencos!"

Auf dem Bahnsteig: "Sag ihm, unser Büdschö kann das nicht stemmen."

Dr. Smirc meint, alte Leute sollten nicht mehr aktiv werden. Die Wichtigkeit über die Möglichkeiten ziehen! Was wäre das für ein Bild? Eine Botox - Spritzung Hirn. Ein Ballon, der seine Wichtigkeit zum Platzen treibt und Kindern des Morgen erzählt, gestern sei es besser gewesen!

Sein Duzfreund Dr. Warnix, Psychagog und Ehrenamt aus Leidenschaft schnaubt: "Schon wieder so ein Schnellschuß! Willst Du uns in der Soße Wellness aufweichen und verwelken sehen? Ich habe noch etwas mit dem Menschen zu tun. Und jetzt, wo ich nicht mehr irgendeinem Ego dienen muss, will ich mich einmal dem zuwenden, das sich im gleichen Raum mit mir durch das Leben tastet."

Zenmeister Knuddel zeigt Dir die beiden im Spiegel des Nirvan. Auch sie Staub von Sternen, Staub. Er bläst sie vom Tisch hinunter in einem Topf von Zauberschön. "Ommh", ruft die S 25 in die Ewigkeit: "Ich bin" und die Komsomolzen schmelzen ihre Goldvorräte in Dividenden um.

Was ist nun besser? Gott steckt ein paar Fragezeichen in die Blumenerde und bindet die Lustwurzler an: "Knuddel muß es ja wissen. Das könnt ihr mir glauben: Laßt es Euch schmecken.Und: Ihr seid nicht allein auf der Welt."

Dann muß er weiter,  zu seinem Termin in der Friedhofskapelle.

17.4.18

17.12.17

zu Mankell, die schwedischen Gummistiefel



"Ich hatte das Gefühl, als wurde ich erneut um das Haus herumwandern. Die gesammelten Abdrücke des Le-bens mehrerer Generationen waren innerhalb einiger kurzer nächtlicher Stunden ausgelöscht worden. Unsichtbare Spuren von Bewegungen, Worten, Schweigen, Sorgen, Schmerzen und Lachen waren verschwunden. Auch das Unsichtbare kann zu Asche und Ruß werden."
*
Mankell beschreibt hier Alter und Verlust. Die Angst sagt Dir:  Du wirst alles verlieren. Die Todesfurcht dreht Dir den Kopf um: Sieh den schönen Weihnachtsmarkt Deines Lebens!
Es nimmt Dir zuerst die Namen und Begriffe, dann die Erinnerung. Dein Haus, die Spuren zur Beglaubigung der Vergangenheit sind verwischt. Du weißt, es war etwas, da doch Asche ist. Und: Das Schöne, das Dich begeistert, Du warst ihm schon begeistert begegnet.
Und dann: "Das Altern kam wie ein Nebel der Stille übers Meer herangezogen.
Ein Leben lang sammelt man Müll von dem niemand etwas braucht.
Die Nacht war still. Herbstnächte hat es immer gegeben und Herbstnächte würde es auch geben, wenn ich verstorben wäre.
Ich war ein zufälliger Gast in der Dunkelheit und würde nie etwas anderes sein."
Sätze, aus denen mitten im Leben erzählen das Erkennen bricht.
Mankell scheint in den "schwedischen Gummistiefeln" die  Handlung dazu zu nutzen, um seine Einsichten in Leben und Alter mit dem weichen Stoff eines Romans zu polstern oder darunter zu verbergen.
Mir ist es recht. Ich bin schon immer gern mit älteren Brüdern durch meine Zeiten gegangen*.Und etwas Organisches aus dem Leben zwischen den metallischen Architekturen der Gedanken macht es schön.
Ich habe diese Wutausbrüche, die Mankell erwähnt,  nicht und an Panikatacken kann ich mich nicht erinnern. Aber mancher Alte berichtet davon. Und ich teile das Bewusstsein von zunehmender Schwäche, Unsichtbarkeit in der Öffentlichkeit, Vereinsamung in den Bezügen. Herausforderungen beschränken sich auf das Bewahren erreichter Fertigkeiten. Wie lange wird es noch dauern, bis auch ich unter den Patiencen, die ich spiele, die mit dem Namen "Idiot" wähle? Das Werkzeug wird schwerer, die Aufbau - Anleitung chinesischer.
Gut zu sehen, wie ein anderer seinen Weg geht.
Aber noch steht das Haus, noch fühle ich in mir Verantwortung und Stolz genug, die Schäden selbst zu reparie-ren. Auch will Ich will noch schmücken mit all dem Müll, den wir freudig zusammen kauften, erstellten, „er-schufen“ pp. Und ich lege eine extra Rasur ein, wenn Gäste kommen.
Und unerwartet schön, den Jungen und Kindern zuzusehn. Auch das begegnet dem Alten in den Schären.
*
Weiter hinten in der Lektüre:
Mankell in den schwedischen Gummistiefeln geht auch auf seine misslungenen sexuellen Versuche ein. Bogen-schießen: Denken stört Handeln.
Am weitesten von der Berührung ist der Gedanke entfernt. Es gibt kein Verstehen, wo alles Fühlen will. Daher wohl auch die vielen Hinweise auf die Sehnsucht nach Berührung in Texten von Literaten des Denkens. Ob Liebe oder Sexualität, der Verstand ist von beidem so weit entfernt wie das Auge vom sexuellen  Zentrum.
Mit dem Denken aufhören hilft nicht. Vielleicht Buddhismus: mit dem Denken wollen aufhören. Aber der will ja auch mit dem Freude wollen aufhören...
Die 68er haben aufgesteckt: die sexuelle Befreiung ist in ideologischen Wogen und einer trüben Suppe von Wellness ersoffen.
*
Vielleicht ist die Wut, die Mankell in sich spürt, die gleiche Wut, die ich auf andere Personen in mir transportiere. "Stimmen aus der Vergangenheit". Im Alter beginne ich aber auch mit fremden Personen zu schwätzen, was ich bisher hasste.
"Wie sollte ich mit all dem fertig werden, mit meinem Alter, einem niedergebrannten Haus und dem Empfinden, in einem Niemandsland zu leben in dem keiner nach mir fragt?" Eine enttäuschte Sehnsucht, die die hoffende aus früheren Tagen abgelöst hat. Aber Sehnsucht.
*
"Im Grunde hatte Janson Angst vor mir. Nicht nur vor mir, sondern vor allem. Sein ständiger Wunsch, zu helfen und sich nützlich zu machen, übertüncht seine Sorge, unseren Unwillen auf sich zu ziehen. Er fürchtet, wir könnten seiner überdrüssig werden und nicht mehr von uns hören lassen, wenn wir Hilfe brauchen." 
Woher dieser Unglaube bezüglich der Uneigennützigkeit des Helfenwollens?
Alter mag desillusionieren. Ich glaube aber, daß das allseitige Misstrauen des Alters nicht weniger trügerisch ist als das Welt umspannende Vertrauen der Jugend. Natürlich macht das Helfen auch den Helfer glücklich im Gefühl, menschlich gewollt zu haben. Aber Ziel Deines Handelns ist nicht dieses eigene Wohl, sondern das des, der anderen.
Es bleibt wie vieles an der Seele Glaubenssache: Was ich selbst noch nicht gefühlt habe, kann ich nicht "wissen". Selbst was ich gefühlt habe: will oder kann ein anderes Ich es auch fühlen? Daß das "Ich- noch - einmal" ein Ich ist und auch fühlt wie ich, ist eine weit verbreitete Spekulation aus angeborenem oder anerzogenem Glauben, ebenso wie die seltener verbreitete, aber mit jedem negativen Erleben mehr befestigte aus dem Egoismus, der ja auch seinen angestammten Platz in uns hat.
Im Alter, der Zeit des Verlusts von Welt, bist Du immer mehr von unbekannten Personen umgeben und auf sie angewiesen. Das Vertrauen in die Uneigennützigkeit hat einen schweren Stand gegen das Mißtrauen. Zu Recht? Du hast Dich verändert, nicht die Welt.
Mankell mag darauf einwenden: "Nicht die Welt? Aber doch die Umwelt!" Und: "Ich bin anders? Aber vielleicht habe ich gerade deshalb den klareren Blick!"
*
„Ich fürchte, ich fühle einen hoffnungslosen und im Grunde irrsinnigen Neid allen Menschen gegenüber, die weiterleben werden, wenn ich tot bin. Dieser Gedanke beschämt mich genauso, wie er mich erschreckt. Ich verdränge ihn. Aber trotzdem führt er immer öfter zurück, je älter ich werde. Ich frage mich, ob ich dieses Gefühl mit anderen Menschen teile. Ich weiß es nicht und werde das auch niemals ansprechen. Aber dieser Neid ist meine tiefste Dunkelheit. Kann ich wirklich der einzige sein, der so empfindet?"
Hier, denke ich, konstruiert Mankell.
Ich glaube nicht, daß irgendeine Erfahrung so stark ist, den Egoismus so sehr zu blenden, daß er die neidische Betrachtung aller anderer Existenz zu einem Grundmotiv des eigenen Handelns machen kann. Der Selbstmörder, der das Flugzeug in den Berg lenkt, denkt nicht einen Augenblick an die anderen, der Mörder ist vielleicht neidisch auf seine Opfer, aber auch er hat kein (neidisches) Interesse an den übrig bleibenden, nur weil sie leben. Leben hast Du nicht, daher hat der Neid kein Interesse am Vernichten des Lebens. Leben lebst oder erleidest Du. Es gibt ausreichend Gründe, es zu lieben und zu hassen, keinen, es zu neiden.
Aber auch hier: Wenn Du persönlich so einen seltsamen Neid spüren solltest, dann bist Du auf eine seltsame Weise erleuchtet. Und mußt mit der damit einher gehenden Einsamkeit vorlieb nehmen. Ich kann sie nicht teilen.
*
"Manchmal glaube ich das gefürchtete Tor öffnet sich langsam vor mir. Eines Tages werde ich in das Land eintreten, indem das Gedächtnis vom Vergessen verschluckt wird." -
O Tannenbaum, lassen wir die Zeit, ihren „Treibsand“ (Mankells letztes Buch) herbei wehen. Sehen wir hinauf in die Lichter des Himmels, hinüber in das Lächeln der Lieben. Und genießen wir die leichten Wasser des Denkens von Mitbewohnern dieser wunderlich beleuchteten Nacht, die gerne sich Gedanken machen.  

Klaus Wachowski 15.12.2017

* Von Gott, Jesus habe ich eher das Gefühl, sie seien jüngerer, nicht belehrender,  Bruder

22.11.17

Von alt Text 2016



Von alt
Eine schwarze schwebende Fliege an der Blüte des Engelsgrases. Zigarettenschachtel und Bierflasche habe ich entsorgt. Für Dich war es sicher okay, daß da ein Einsamer rauchte und trank.
Ich hatte heute nacht eine Szene Albtraum.
Oben im Wandschrank - er hatte ihn selbst mit Regalbrettern ausgestattet und war stolz darauf gewesen - stand der gusseiserne Bratentopf. Er fragte sich, vor wieviel Jahren er wohl zum letzten Mal genutzt worden war und wollte - warum wusste er selbst nicht - noch einmal hinein schauen. Seltsame Verschrobenheiten am Ende des Wegs! Noch einmal schaute er nach hinten zur Kellertreppe.
Zwei Bienen besuchen Deine Blumen. Sie kriechen in das volle süße Leben, während in den Baumspitzen Vögel auf sie warten. Sie zwitschern in den schönen Morgen. Die gelben Blüten des Unkrautes habe übrigens ich in die Vase gestellt. Auch Du weinst.
Er greift nach dem Topf. Das Regalbrett kippt, der Hocker wackelt. Er stürzt und ich wache auf.
Du möchtest jetzt wieder allein sein und frei. Ja, Du freust Dich über Besuch. Aber dann möchtest Du allein feiern und trauern. Wenn der Freiheit genug ist, wirst Du zu warten beginnen. Die Ewigkeit umarmt auch uns.
Einige Wichtigkeiten haben sich verloren, einige sind wieder aufgetaucht. Das Unbekannt dreht seine Runden und kommt immer öfter vorbei. Jetzt sehe ich einen großen, prächtigen Baum im Blau. Jetzt eine zerquetschte Biene auf den Weg.
Die Erinnerungen an die Kindheit, die mich lange begleitet haben, verblassen. An manchen Tagen funkeln einige noch aus der Zukunft herüber. Das Schöne: es gibt es noch. An Deiner Seite und auch manchmal im Alleinsein.
Ich habe mein Stöckchen weggeworfen. In jedem Jahr habe ich von einem Baum oder Strauch aus unserem Garten ein Stück Zweig abgeschnitten, geglättet und in die Tasche zu den Schlüsseln gesteckt. Das hatte ich in meinen 40ern begonnen, als ich mich als etwas, das auch mir gehört, entdeckt hatte. Will ich es nicht mehr haben oder brauche ich es nicht mehr? Mein Herz treibt im Nebel. Die Fragezeichen, die einst Löcher in den bleiernen Himmel geschossen hatten, liegen nun selbst schwer auf mir. Das Wasser schmeckt nach Kalklöser, der Wein ermüdet.
Hat die Provinz mich ausgespuckt oder habe ich sie von mir geworfen? Das Wort "ehrlich gesagt" ist in aller Munde. Vermutlich ist es eine Reaktion auf "Alles gut.." . Ein ebenso frecher Eingriff in die Autonomie. Ehrlich gesagt: Die Feigheit vor dem Hinaufgelangten kann mir gestohlen bleiben. Kazue (aus dem Roman "Die Geschichte einer gewissen Frau" von Uno Chiyo) spricht mir aus dem Herzen. Ich zeigte nicht besonderen Mut. Mein Vertrauen auf die Menschen kann man ebensogut als einen angeborenen Mangel an Vorsicht begreifen. Beide Sorten von Menschen gehören wohl dazu, wenn Welt schön und gut sein soll. Hier war Mut vor der Attitüde nötig! Aber da war von Feigheit zu viel! -Vanitas.
Heidegger liegt auf meinem Schreibtisch. Wozu will ich noch beweisen, daß moralische Lumperei auch an intellektuellen Mängeln erkannt werden kann? Die lächerliche Sprache des Narzißten als Indikator eines geschrumpften Herzens?
Ich lege immer noch Zettel mit meinen Texten aus. Monolog in eine virtuelle Landschaft von Kind gebliebenen Seelen hinaus. Aber eben Monolog. Nicht einmal ein verlogenes Echo tönt aus dem Dunkel zurück.
Vor den Erinnerungen, die aus diesen Blüten summen verstummt das Murren und Knurren eines lustlosen Wollens. Die Bienen summen, die Vögel zwitschern vor Erwartung eines opulenten Mahls.
Steh auf! Geh Deinen Schritt und summe mit Deinem Brummbass ein paar Strophen Sonne mit. Auch für mich.-

23.9.17

Wondratschek verweigert sich

Der erste Eindruck nach dem Interview mit Wondratschek ist der von großer Enttäuschung und Depression.

Das Verschwinden im Alter merkt wohl der ehemals Berühmte am schmerzlichsten. Die Verlage kaufen nicht mehr von Dir? Es liegt nicht an ihnen. Sie wissen schon gut, was die Leute interessiert.

Sie wollten mir keinen Zutritt in ihre Lounges gewähren, weil andere zahlungskräftiger per Publikum erschienen. Und auch im Netz liest mich so gut wie niemand außer Geheimdiensten und Pornopages. Mein Beifall entspricht dem unbeliebter Marktschreier.

Doch wenn ich singe, möchte ich singen, dann aber auch von Menschen gehört werden, und schließlich, daß wir alle zusammen singen. Wo ich ein Märchen erzählte oder ein Gedicht, möchte ich den und die "ich-noch-einmal" erleben, denen die Welt ebenso gefällt. Und ich singe doch keinen Monolog, sondern begeistere mich erst richtig, wenn die anderen Bandmitglieder ihren ebenso wichtigen Part übernehmen. Ich bin kein Star, ich will Menschen!

Das vergessen viele in der Enttäuschung und in der großen Enttäuschung Alter: Daß wir Menschen sind.

Von Wondratschek, der zu Recht den alternativen Literaturpreis bekommen hat, hatte ich aufgrund seiner Begeisterung, mit der er früher dem Leben gegenübertrat, angenommen, sein Blick sei weit. Jetzt höre ich, er veröffentliche nicht, weil sein Wert nicht richtig gewürdigt werde.

Was wird geschehen?

Ein Bucharchäologe wird einst eine zerfallene Schublade öffnen und in Begeisterung über einen verschollenen Roman des Schriftstellers ausbrechen. Vielleicht wird es einen Hype, vielleicht weiter nichts geben.

Und weiter?

Die Frage ist doch -nachdem wir nun wissen, wie wichtig es für dich ist- ist es auch anderen Wert? Wenn es wert sein könnte, warum erhältst du es ihnen vor? Ist Dir Dein Weihrauch wichtiger als ihre Freude?
Es scheint tatsächlich ein gewaltiges Desinteresse an meinen Texten zu geben. Aber der eine oder die andere freut sich doch darüber. Demgegenüber erscheint mir das Desinteresse uninteressant. Mein Narzißmus zählt auf Menschen. Vielleicht auf wenige, aber auf Menschen.

Wer nimmt die Rolle eines Schriftstellers an und weigert sich dann, etwas zu sagen? Ich möchte dann schon auch etwas von ihm lesen können.

Das Schicksal aller Ergebnisse unserer anstrengenden Freuden wird sein: "Die Mumie des Ramses verzollt als getrockneter Fisch"( Max Frisch im dritten Tagebuch). Keine schöne Aussicht. Wenn wir das Jetzt vergessen und das Geschenk, Leben gedurft zu haben.

Vergessen wir nicht, daß wir"nur" Menschen, vergänglich und mit einem Leben beschenkt sind!

Ein besonders depressiver Tänzer, der für seine Lebenslust berühmt wurde, lachte einmal: "Es menschelt!" Ihm übermenschelte.

Andere Alte sind sich und der Bedenklichkeit Mensch nah geblieben. Mir gefielen da Mankell und Max Frisch besonders. Wie schön, könnte ich Wolf Wondratschek an ihrer Seite lesen. Er ist doch kein Walser!



13.7.17

Schwalben



Schwalben

Ein Schrei wie der Schmerz aus dem Schwarz  eines Pfeils.

Sie fliegen weite Bögen in meiner Sehnsucht Blau.

Ich schaue und suche aus meiner Erinnerung Grün
nach den Schwalben im Blau
meiner sich biegenden Sehnsucht.

Ein Schrei wie Glück aus dem Wunder.

13.7.17 Klaus Wachowski

23.8.16

Sonntagsspaziergang

Die Lust verläßt den Körper. Sie ist alt geworden und vergisst, die Tür zu schließen. Träumend.betrachtet sie die Trockengärten der sogenannten Kunst. 

Schon hat sich die Depression eingeschlichen und macht sich über die Vorräte an Erinnerungen her. Am Liebsten natürlich über die frisch gepflückten des Frühlings. Aber sie verachtet auch nicht die Hochprozenter der Kindheit. 

Die Lust kehrt in einen verwüsteten Raum mit leeren Schränken zurück. Wer wundert sich, dass sie sich erneut in die windigen Gassen des Jetzt wirft, alle Hoffnung in die Begegnung mit den Schranzen des Narzißmus setzend.

Sie weiß: dahinter ist nichts. Aber die Masken sind faszinierend. Und die Lust bekommt Lust auf die Marktschreier des Ich. 

Gott schmunzelt. Warte ab, wenn die Berührung ihr Wunder entfaltet!

KW 23.8.2016

17.8.16

Altersbogen

Altersbogen

Wie lange noch geht über die Straße. Er wird nicht überfahren. Kurze weiße Haare unter dem Tonnengewölbe der Glatze. Die Sonne brennt. Der Kopf ist gesenkt.

Um ihn braust der Verkehr. In der Hitze hat es der Wille schon schwer, wie sollte sich ein Gedanke regen? Er schlurft weiter in der Erwartung, daß der Tag alsbald zu Ende geht.

Würde es etwas ändern, wenn er wüsste, wieviele Pokemonen um ihn herum geistern? Er geht weiter tapfer gegen die Zeit an.

Was also hat der Existentialismus gebracht? Okay: schöne 60er Jahre. Er schüttelt den Kopf.

Die Glocken läuten. Oder ist es der Ruf des Imam? Etwas versucht, seine Seele zu berühren. Sie ist unter den Falten der Vergeblichkeit geschrumpft und vertrocknet. Zwei Frauen, Schatzele, rufen einander Angebote zur Balkondeco zu. Er stolpert in eine glitschige Reklame.

Kurze Zwischendepression.

Es ist schwer zu begreifen, was es bedeutet, nicht mehr gebraucht zu werden. Was schlägt das Herz?

Du hast doch gegeben, was nötig und erwünscht war. Aber jetzt: das Leben nur empfangen, ohne wenigstens sein Bild in den Sand zu zeichnen?

Ein Radfahrer fährt ihn fast um. Hoppla Opa! Wozu sich noch ärgern?

Wozu reden? Weiß bzw. wußte man nicht schon alles oder alles besser? Mit einem anderen Besserwisser Pingpong des Bescheidwissens spielen?


Im Abendschatten trifft ein Lichtstrahl auf einen Baumstamm. Man hört die Stimmen zweier Alter sich mit dem Rauschen der Blätter verweben. Groß erscheint das Rund des Mondes. Die Atmosphäre einer weiten Öffnung der Nacht aus einer dunklen Erinnerung hüllt ihn ein.

Es darf geschehen.
Es geschieht.

Für einen Augenblick zögert er. Soll er den Graphitstift oder den Roman X in die Hand nehmen?

Und dann sieht er all dies in diesem Augenblick.
Und dann seine Liebe.

Noch einen Sambuca und der Knopfdruck auf die Märchenmaschine.
Da ist etwas.

                            Klaus Wachowski 17.8.2016

22.2.15

an der Pforte

Die Vergangenheit voll verblichener Fotos, die Zukunft leer von Begleitung.

An der Pforte erscheint das Alter als Wüstenlandschaft. Ist das Paradies nicht eine Oase mit dem Namen eines palliativen Seniorenzentrums auf Kreuzfahrt?

Umsteigen von der Laufbahn auf die Rutschbahn. "Gelassenheit im Alter" empfiehlt ein Philosoph dem Verlust der Ausgelassenheit.

Warum habe ich trotzdem das Gefühl von Zuversicht und warum spüre ich trotzdem den Grundton Freude?

Ich bin. Du bist da: Ich bestaune das Wunder, da sein zu dürfen. Wenn ich Angst habe, dann um das und vor der Steuererklärung.

*

Die Zukunft fürchten.

Steht da der Tod vor der Tür? Und schlimmer, der Abschied? Es wird Dich treffen, wenn Du mit dem Putzen noch nicht fertig bist. Man möchte vor solcher Aussicht die Augen für immer schließen.

Der Frühling in tausend Freuden. Hinter dem Gebüsch aus Vogelsang der Wolf.
Blau unter Weiß ein weiter Himmel. Laß doch den Frühling, hör doch die Vögel in leuchtender Welt.

Geschäftigkeit eilt vorbei an stummem Erstaunen. Da ist Freude in hellen Gesichtern.

Das Jahr erwacht in einem stolpernden Herzschlag. In aufgeregter Erwartung plantschen Gespräche.

Was ist geschehen?

Ein Kind schlägt die Augen auf
-und die Schönheit der Welt senkt sich ins Leben.

22.2.15

18.1.15

Der alte Oberiut



Er liebt das: den weißen Tisch, die weiße Wand, den Becher Kaffee. Nichts lenkt ab vom Nachdenken. 

Vor dem Fenster liegt eine hohe Nebelwand, aus der heraus die Flügel zweier Windräder um sich greifen. Liegt dahinter wirklich die Welt oder nicht nur wieder das Schlagen, das Befehlen, das Schimpfen und Spotten?

Auch die farbigen Räume von Camphill empfindet er recht angenehm. Auch hier könnte er sich vorstellen als Alter abzuleben. Man hat doch auch Räume des Rückzugs. Man kann doch auch ohne Antreiben miteinander leben und -wenn es sein muß- etwas bewegen. 

Jetzt aber hört er die Stimmen der Meisen mitten im Januar schon in Frühlingsliedern aufsteigen. Er wehrt sich innerlich: er möchte noch ein paar ätzende philosophische Urteile gegen das Leben loswerden. Doch das Weiß will sich nicht mit Verachtung füllen. Im Gegenteil: er spürt dieses peinliche Gefühl von Trauer und Tränen in sich aufsteigen. Hoffentlich merkt es keiner! Er schaut sich um und greift nach dem Kaffee. 

Gott-sei-Dank! Niemand in der Nähe und leises Geklapper von der Küche her. 

Er reißt die Packung auf. Auf die Tischplatte fallen cross gebackene Erinnerungen, gesalzene Hoffnungsbohnen, gebruzzelte Sehnsucht und Lust mit Bratwurst-Aroma. Am Liebsten sind ihm die Erinnerungs-Cracker. Es kracht so angenehm, wenn so ein Selbstbetrug unter der Zunge knackt. Irgendwie sauer und salzig zieht es sich durch den Mund, wenn sie dann am Gaumen kleben. Es will verdaut sein.- Mit den Hoffnungen ist das so eine Sache: angenehm im Geschmack, aber ziemlich blähend. Einen japanischen Whiskey als Gegenmittel kannst Du in diesem Heim natürlich nicht finden. So stopft er alles in sich hinein, läßt die Lustkrümel unter den Tisch fallen, und ruft nach der Praktikantin, um sich wieder in sein Zimmer fahren zu lassen.

Dort läßt er sich das Fenster kippen und hört mit geschlossenen Augen den Meisen zu. Er raucht eine Sumatra-Pfalz.

"Ganz schön einsam", meint Jacko Homowitsch Smirc. Dr. Warnix, Psychagog und abgehalfterter Politoffizier, ist da etwas anderer Meinung: "Du hast ganz recht! Der Mann hat eine ausgewachsene Frühlingsdepression. Aber schon mal genauer hin: Er ist doch rund aufgehoben und umarmt von den Tönen und Sonnenstrahlen dieses Tages. Gegen den Winter spielt er noch etwas zen und Verachtung. Aber er weiß doch auch: nicht mehr lang und der Frühling wird uns mit seinen Farben und Düften überschwemmen und jeden Buddha mit Blümchen statt mit Pommesfett schmücken."

Gott macht das Fenster zu. "Willst Du denn gar nicht mehr an mich glauben?" Der alte Обериут (Oberiut) lacht:"Keine Angst!- Ich weiß Dein Weiß zu schätzen!"

Klaus Wachowski 18.1.15