Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

31.3.23

Alter weißer Mann, Smirc

Dr. Smirc,
alter weißer Mann

Ich glaubs nicht: "Laufen da etwa Tränen?"
Dr. Warnix, Psychagog und gern gesehener Gast auf Intensiv, beugt sich herab: "Was ist denn mein guter Alter?  Die haben Dich ganz schön zugerichtet!" Er betupft das blaue Auge mit dem Tempo, das er mühsam neben der Maske vorkramt.

Smirc rauh: "Alter weißer Mann? Du weißt doch, woher das kommt: aus der schwarzen Emanzipation: alt für Herrschaft, weiß für Herrschaft, Mann für Herrschaft. Macht hoch 3! Bei uns haben's die skandinavischen Pfarrerstöchter von der veganen Moral so gewendet: alt - was will der noch?, weiß - Privileg, Mann - brutal. Einmal ein "wow" im Netz gebraucht, und schon hat mir die Emma den Rollator weggekickt und irgendeine Ballerina den Stockschirm übergezogen."

"Aber Jacko! Da muss man doch nicht weinen? Das ist "halt so", wenn wir mal was sagen: Überflüssig, alt, schlüpfrig, eklig. Man/Frau hört nur das aus dem altem Ton. Einfach Maul halten, Teddybär. Lass uns rausgehn, unseren Weg."

Dr. Warnix, Psychagog und hergelaufener Trauerbegleiter, schiebt den Rollator wieder unter. Sie gehn Richtung Kindheit und Gott spendiert einen perlenden Amselgesang. Oho! An Ostern.

Amüsiert Euch gut, vegane Priesterinnen dessen, was sich gehört. Gehört alles Euch!

1.4.23 Klaus Wachowski 

29.3.23

Ostern 23

 Ostern

 

Ich male Ostereier.

Immer noch gern.

 

Früher den Eltern, Geschwistern und Gott zu Gefallen. Dann zum Spaß der Kunst. Dann der Freundin. Dann der einsamen Erinnerung. 

Dann für X und die Kinder, die Enkel. Und jetzt immer noch gern.

Ich liebe die Farben Blau, Gelb und Grün. 

Noch zittern die Finger nicht. Erstaunlich. Aber die Kraft für Vor- und Nachbereitung geht. 

Es ist nicht für Erinnerung, nicht für Kunst, und Gott muss trauern. 

Es sind noch die Farben. Wie schön!

Es ist Glockenklang und Amselgesang. 

Weißt Du noch? Es ist Liebe und Ewigkeit.

21.3.23

Zwei Stunden März

- In den blauen Himmel und die beleuchteten Bäume sehen, sind noch kahl.
- eine Taube hat sich in den Blumentöpfen gefangen: flieh!
- ihre Todesangst spüren
- noch 30 Minuten zum Cartouche-Tausch, ruft das Smartphone
- Gläser trocknen, eins fällt
- Nachdenken über die Andacht
- Trauer legt sich auf mich
- eine interessante Masterarbeit lesen, mir voll Vertrauen übergeben,
- ich lese als Alter
- ein Gemüsemesser (Erinnerungen an die Küche im Eltern-Haus)
- Betten machen
- Fenster schließen (es ist eiskalt)
- den Schlauch vom Atemgerät zurechtlegen
- Gedanken an X (ob er zurück ist?), Erinnerung an meine Kur mit 6 in Bad Herrenalb. Bettnässer und zu dünn. Wie ewig lange ist das her!
- Spülung funktioniert noch (Problem Verkalkung bei Hinterwandmontage)
- ich lese von berühmten Leuten. Was sagt mir deren Scheitern und Erfolg? Erleichterung über eigenen Mißerfolg.
- noch 20 Minuten
- Brille aufsetzen und nochmal hinaus ins Schöne schaun.
- da hinten erste Gartenarbeit im Kalten voll Vorfreude
- das Kreischen eines Containers beim Beladen
- im Haus gehen Türen auf, Stimmen, informieren und streicheln die Stimmung
- der Wecker tickt
- im Radio die uralten immer - wieder - Lieder, die Erinnerungen pushen
- in den Keller. Gelber, grüner, blauer Müll, alles dabei
- Glas zum Container über der Straße
- in Hausschuhen, der Wechsel dauert zu lange, lieber kurz frieren
- Türe zum Müll - Keller schließen. Der Lichtschalter für ältere Leute unerreichbar weit von der unglaublich schweren Tür.  Ich sag nichts mehr
- Gang zum Container: grüner Rasen, braune dürre Blätter, goldenes Licht auf gelben Fassaden, zwei in traulichem Kulturgespräch
- ein kleinerer Handwerker-LKW
- eine junge Mutter setzt ihr kleines Kind auf einen frisch gesägten Baumstumpf. Wie ist das?  Erinnerung an das Gespräch über eine unbarmherziger werdende Gartenverwaltung
- jetzt noch zwei Minuten
- Biomülltüte in den Abfalleimer, Plastiktüte in den Eimer "gelber Sack"
- der Wecker klingelt
- erstes Cartouche- Wasser in die Gießkanne
- Cartouche einsetzen
- Zwei mal spülen
- vorbei an Janoschs Wörterbuch. Zum Kaffeebereiter
- Espressopause zwei Minuten, draußen vier in der Zigarillo - Pause. Erinnerung an Büro, Herren und brave Knechte, richtige Leute vom öffentlichen Dienst und Beutelschneider des Vertrauens, Karrieregeile, die mich ausnutzten, aber auch an eine Menge anständiger Kolleg*innen, die den Bürger, die Bürgerin in Nachbarn erkannten.
- es stehen noch an: Arzt -Rechnungen einreichen
- Besenhalterung an Alu-Regal irgendwie befestigen
- Schreiben an Voodofone und Monopol
- Kaffee-Kapseln entsorgen
- die Stadtreinigung und Kehrmaschinen fahren vorbei
- X schreiben, daß ich das Lesen angefangen habe
- in den Garten winken
- Flurreinigung vorbereiten, kehren, Staub saugen, weg frei machen
- Dr. Smirc: Nein, dass übernehme ich. Du bist krank!
- die Töpfe aus Kenia mal nass abspülen (seit 5 Jahren mal wieder), Schirmständer, Schirme, Läufer, Schuhschränkchen
- das Tablet hat endlich, endlich 95% (Vodafone und Telekom nicht vergessen! )
- mit dem Staubwedel unter die Schränke
- Sauger zusammenbauen, (Halter besorgen)
- ah, Staub auf Türrahmen, Spinneweben?, schwarzer Lack..
- Hups, ein Nagel im Sauger, das Ding muss aufgeschraubt werden...
- nass aufwischen. Der Nagel findet sich wieder. Sauger auf Strom setzen
- einräumen, Töpfe, Läufer pp
- Tablet auf 97, Cartouche bereit
- Befeuchtet von Schnarchbremse füllen, Kerzen und LED zurück, auf Bodentrocknung warten

Der Profi sagte: so sauber wie es dem Auftraggeber genügt

Noch Zeit zum Lesen, vielleicht schreiben und... denken?

Zwei Stunden, jetzt12:15 Uhr 

15.3.23

Welchen Weg?

Als ich  aufwachte zeigte der Apparat, dass die Maske zu viel Luft verloren hatte. Das Alter beschleunigt das medizinische Karussell.
*
Auch X sieht nicht mehr gut aus, kann kaum noch gehen. Aber heute heißt es andere Wichtigkeit. Wir müssen unsere Ruder festhalten. Ein junger Wichtiger ruft herüber: "Das heißt: Paddel!" Er muss seine Welt noch zusammenhalten. Unsere Deko weicht auf. Trotzdem schön, die Aussicht aufs Meer. Wer zurück bleibt, wird einen Whiskey auf den anderen trinken!
*
"Welchen Weg wollen wir nehmen, liebe Kinder?" Was wohl in ihnen vorgeht, wenn sich plötzlich die Aussicht weitet? In der Pfütze spiegelt sich das noch gelbe Gras aus dem letzten Jahr, das hellgrüne vom neuen. Das Auge der Erde in den Himmel. Ein grauer Schotterstein, eine verschattete Höhlung darin. Und plötzlich eine Tulpe, rot und gelb! Säe die Saat in die Albträume der Welt!

Ein rotes, rotes Stück vom Backstein 1890. Das heißt: Millionen Jahre gingen über den Stein hin und pressten Ton daraus. Und schwer arbeitende Männer und Frauen brannten ihn zu leuchtendem Backstein. Hier geht er wieder zurück aus unserer Aufmerksamkeit in das ewige Vergessen.

Kannst Du Dir das vorstellen: Millionen Jahre? Sie  beherbergen diesen einen Augenblick des Wunders Einmaligkeit.

Dein Auge verdunkelt sich, füllt sich mit Tränen. Im Glück der Einmaligkeit blitzte die Vergänglichkeit. Vergiss! Es kommt von alleine wieder.

Komm, wir breiten die Decke Frühling aus. Lass uns vom Picknick Liebe essen. Lass uns freuen an weitem Himmel, am sehnsüchtigen Gesang der Vögel.

Da! Das Abendbrot hinter den Wolken. Wir müssen zurück. An der Pfütze trinkt ein kleines Tier. Lass uns leise sein und hören! Ob es einen silbernen Mond geben wird? Eine Umarmung wartet auf uns.

15.3.2023

14.3.23

Gesund

Gesund ist das neue krank. Kann es nicht auf Dauer zu blutigem Auswurf kommen, wenn Sie Zucker essen?!
Oder plötzliche Bewusstlosigkeit durch zu enge Gummihandschuhe beim Spülen? Schauen Sie sich Ihre Ärzt*innen an! 

1.3.23

Worte verlieren

Dz dz

"Ein Schwätzer, ein stummer Fisch, das war man schon früher. Aber: was schwätzt, was hockt der Alte da so stumm am Tisch? Das ist heute...

Ich schreibe schon 10 Jahre über das Verschwinden der Wichtigkeit im Öffentlichen nach Abgabe des Dienstausweises. Man lächelte irgendwie höflich, wenn ich aufkreuzte. Inzwischen stört mein Reden oder Schweigen in Kneipe und Café,  bei festlichen Anlässen und sonstigen Treffen.

Ganz früher diskutierte man an- und aufgeregt mit mir und über mich. Später, als man erstaunt Notiz von mir nahm, kam so manches "Na ja". Ich hatte das Gefühl, meine Äußerungen würden dennoch immer noch irgendwie in die große Verdauung mit aufgenommen und hätten eine ferne und schwache Wirkung im Zusammenleben des großenGanzen. Dieser oder Jene prüfe sie oder nähme unbewusst etwas davon auf, gäbe es mit Eigenem gemischt weiter und so sei es im Bewegen der Wirklichkeit mitwirkend.

Mit dem Verlust der Bedeutung durch den Umschlag ins Rentnerdasein wurde ich wieder Teilchen ohne Wichtigkeit im großen Strom.

Aber ich war auch - alt. Eine ganze Weile ging darüber hin, bis ich bemerkte, dass nicht nur die Wichtigkeit, auch die Sichtbarkeit vergangen war. Erscheine ich jetzt, bemerkt man mich nicht mehr, stolpert über mich. Und erst in diesen seltenen Fällen werden meine Bemerkungen, wird meine Anwesenheit registriert und mit einem "dz dz" quittiert. Über ein kurzes Stolpern, ein gestörtes "Na also!" hinaus hat meine Existenz keine Wirkung mehr auf den Fortgang der Dinge.

Ich denke, das Verstummen der Alten im Gespräch und das Aufheulen der anderen Alten im Pegida-Schlamm haben eine gemeinsame Wurzel. Die anständig gebliebenen drehen sich um und gehen ihren Weg weiter in die Stille. War es auch schön, das Ich verläßt die Enge des Raumes in das Nichts, bevor das Lid der Ewigkeit sich senkt."

Dr.Warnix, Psychagog und überflüssig,  legt umständlich die Brille zusammen (Bügel mit Pflaster repariert- nichts Unnötiges anschaffen) und lehnt sich zurück.

Brausender Beifall. Dünn ruft es aus dem Geräusch: "Hilfe! Hilfe!" Dr. Smirc mal wieder in der Bredouille!

Warnix schüttelt den Kopf und wirft den Rettungsring hinab. Etwas ist er wohl doch noch wert.
*
Du hast das jetzt gelesen und denkst vielleicht: "Muss man da so ein Wesen drum machen?"

Man muss nicht. Aber mir hat es Freude bereitet.

Die Ewigkeit weht fünf Schneeflocken darüber hin. Der Klimawandel ist auch nicht mehr, was er mal war.

"Lieber Jacko!" (Er hat den Vornamen seines Dr. Smirc, alter Knacker und Begleiter im Anstand nicht vergessen. Anm. d Hrsg.) "Fast hätten wir uns wegen der sogenannten Friedensdemo der zwei illustren Narzissen vergangener Avantgarde auseinander gestritten.

Jetzt bin ich froh, dass uns niemand mehr zuhört. Lass uns weiter an die Republik glauben!"

Sie umarmen einander und gehen ins Badenserbeisl. Man soll die Nacht nicht vor dem Whiskey loben. Gott zwinkert dem Nichts zu.

1.3.2023