"Ein Schwätzer, ein stummer Fisch, das war man schon früher. Aber: was schwätzt, was hockt der Alte da so stumm am Tisch? Das ist heute...
Ich schreibe schon 10 Jahre über das Verschwinden der Wichtigkeit im Öffentlichen nach Abgabe des Dienstausweises. Man lächelte irgendwie höflich, wenn ich aufkreuzte. Inzwischen stört mein Reden oder Schweigen in Kneipe und Café, bei festlichen Anlässen und sonstigen Treffen.
Ganz früher diskutierte man an- und aufgeregt mit mir und über mich. Später, als man erstaunt Notiz von mir nahm, kam so manches "Na ja". Ich hatte das Gefühl, meine Äußerungen würden dennoch immer noch irgendwie in die große Verdauung mit aufgenommen und hätten eine ferne und schwache Wirkung im Zusammenleben des großenGanzen. Dieser oder Jene prüfe sie oder nähme unbewusst etwas davon auf, gäbe es mit Eigenem gemischt weiter und so sei es im Bewegen der Wirklichkeit mitwirkend.
Mit dem Verlust der Bedeutung durch den Umschlag ins Rentnerdasein wurde ich wieder Teilchen ohne Wichtigkeit im großen Strom.
Aber ich war auch - alt. Eine ganze Weile ging darüber hin, bis ich bemerkte, dass nicht nur die Wichtigkeit, auch die Sichtbarkeit vergangen war. Erscheine ich jetzt, bemerkt man mich nicht mehr, stolpert über mich. Und erst in diesen seltenen Fällen werden meine Bemerkungen, wird meine Anwesenheit registriert und mit einem "dz dz" quittiert. Über ein kurzes Stolpern, ein gestörtes "Na also!" hinaus hat meine Existenz keine Wirkung mehr auf den Fortgang der Dinge.
Ich denke, das Verstummen der Alten im Gespräch und das Aufheulen der anderen Alten im Pegida-Schlamm haben eine gemeinsame Wurzel. Die anständig gebliebenen drehen sich um und gehen ihren Weg weiter in die Stille. War es auch schön, das Ich verläßt die Enge des Raumes in das Nichts, bevor das Lid der Ewigkeit sich senkt."
Dr.Warnix, Psychagog und überflüssig, legt umständlich die Brille zusammen (Bügel mit Pflaster repariert- nichts Unnötiges anschaffen) und lehnt sich zurück.
Brausender Beifall. Dünn ruft es aus dem Geräusch: "Hilfe! Hilfe!" Dr. Smirc mal wieder in der Bredouille!
Warnix schüttelt den Kopf und wirft den Rettungsring hinab. Etwas ist er wohl doch noch wert.
*
Du hast das jetzt gelesen und denkst vielleicht: "Muss man da so ein Wesen drum machen?"
Man muss nicht. Aber mir hat es Freude bereitet.
Die Ewigkeit weht fünf Schneeflocken darüber hin. Der Klimawandel ist auch nicht mehr, was er mal war.
"Lieber Jacko!" (Er hat den Vornamen seines Dr. Smirc, alter Knacker und Begleiter im Anstand nicht vergessen. Anm. d Hrsg.) "Fast hätten wir uns wegen der sogenannten Friedensdemo der zwei illustren Narzissen vergangener Avantgarde auseinander gestritten.
Jetzt bin ich froh, dass uns niemand mehr zuhört. Lass uns weiter an die Republik glauben!"
Sie umarmen einander und gehen ins Badenserbeisl. Man soll die Nacht nicht vor dem Whiskey loben. Gott zwinkert dem Nichts zu.
1.3.2023