Birds 2013

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28.9.21

Das Zentrum des Lebens

"Literatur ist das Zentrum der Menschheit. Ich kann nicht glauben, dass mein Werk vergänglich ist. Es kommt, was kommt, aber es wird was kommen. Ich bin zugleich hoffärtig und total bescheiden. Wenn ich zufällig, nicht absichtlich, ein Buch von mir aufschlage, denke ich: Mensch, das ist Prosa! So gehen die Sätze der Literatur. Das kann nicht von dir sein."

 

Handke in Die Presse 24.9.21

 

Ich bin auf dem Weg zur Förderung Deutsch. Der Kopf rauscht von Plänen, den Jungs ein Bisschen zu Mut zu verhelfen. Zugehörigkeit, das müsste doch eigentlich ihr Thema sein.  Ich bin von meinem Vorhaben begeistert.

Es entwickelt sich anders. Ich komme ihren ganz konkreten Fragen nur hechelnd hinterher. Der Kopf wird durch und durch geblasen: Präsens, Perfekt, Präteritum? Was jetzt wie? Die Stunde saust vorbei und ich versuche mir klar zu werden, was das war.

Gestern, mitten im Gespräch ruft W: „Ein Eichhörnchen!“ Vor 20 Jahren noch hätte ich in mich hinein gelacht über solche Begeisterung. Heute geht das, was damals so viel wichtiger war, - an mir vorbei.

Literatur ist natürlich nicht das Zentrum der Menschheit! Ein blöder Unfug, wo Kinder in den Wellen des Mittelmeers versinken. Literatur kann manchmal trösten und die Welt in einem anderen Blick nehmen; nicht helfen, nicht heilen. Auch dann nicht wenn sie einen Betonbrei über das Leben gießt. Handke kann, anders als Stripf und Wenger, nicht glauben, dass sein Werk vergänglich ist. Ich denke, dass es keine literarische Institution geben wird, die seine Brocken weiter tragen wird. Ein Jean Paul, der doch wirklich bewegende Szenen geschrieben hat, wird nur von Fördergeldern in der Diskussion und am Interesse gehalten. Was will da ein Modenobel? Und hundert Jahre, die er vielleicht durch die sich windende Aufmerksamkeit von Nachbrennern doch wenigstens als Nummer von Name im Gedächtnis schäumt? Sie sind nicht gerade ein gewaltiger Teil der Ewigkeit. Vermutlich aber wird Srebrenitza für Nachruhm sorgen.

Schlage ich zufällig, nicht absichtlich, ein Buch von ihm auf, denke ich: Mensch, das ist Prosa! So gehen also Sätze der Literatur!? Das kann nicht von mir sein noch von einer sonst ernst zu nehmenden Person des Wortes.

Die Worte von D, A, K und O, mühsam gefunden und angewendet: sie werden gesprochen und geschrieben im Wunsch, sich dadurch ein Recht auf Zugehörigkeit zu erwerben. Das Kind aber wird an den Strand geworfen. Der Sand geht darüber hin. Wie? Nicht über das Tönen eines Schwätzers vom Ruhm der Ahnungslosen?!

„Betrachte, von welcher Art das Denken der vom Ruhm Besoffenen ist, und was sie scheuen und wonach sie gieren. Denke daran, gleich wie die alten Dünen vom neuen Sand zugedeckt werden, so wird auch im Leben das Frühere durch das Spätere bald bedeckt.“ Frei nach Marc Aurel  Selbstbetrachtungen, 7. Buch, Par. 34 (reclam1241).

Ob die Gedanken des Nobel-VIP zumindest soweit hinaus reichen? D, A, K und Os Kinder werden sehen.

*


"Mein lieber Nobelaner. Wie Sie bin auch ich begeistert von eigener Schreibe. Mensch! Ist das Prosa! Ich glaube aber schon, dass Ihr Ruhm im Gegensatz zu meiner Unsichtbarkeit seinen Fortgang in lockerer Vergänglichkeit finden wird. Ich bin jetzt schon dort, wohin es ihn wehen wird.

Andererseits sind da Srebrenitza und Ihr freundschaftliches Verhältnis zu M und K. Da kann Ihr Andenken durch die Erinnerung an ein von Ihnen ignoriertes Massaker schon mumifiziert werden,  auch wenn der Inhalt Ihrer mit süßlicher Verehrung getränkten Binden längst in Staub zerfallen sein wird.

Literatur ist wohl doch nicht 'das Zentrum des Lebens'."

Dr. Warnix, Psychagog und lachendes Schmierenpublikum: "Mal langsam, Smirc: Wo wäre denn der Spaß geblieben, hätten wir nicht dieses Sich-Spreizen,  Lechzen und Tanzen der gespitzten Lippen miterleben gedurft. Das Leben hat sich doch gelohnt! Die Ewigkeit wird ihn und uns schon rechtzeitig einstauben."

Gott: "Srebrenitza!"

 

15.4.17

An einem Grab vorbei

Da steht: "Geh am Leben vorbei. Es ist nichts."
Ich habe das andere Gefühl: Die Auferstehung war ja schon. Und was habe ich außer dem?
Trump hat jetzt eine Riesenexplosion in die Ewigkeit gedonnert und hundert das Leben genommen. Der Tod sagt:"Na und? - Wir reden mal drüber, wenn Du verzweifelt am letzten roten Knopf drehst und ick bin all dor..."
Nein. Ich habe Freude unverschämt und Leid genug gehabt. Und vermutlich kommt noch etwas dazu. Das war nicht Nichts. Es war das einzige, das ich habe und eines Tags verlassen muß.

10.1.16

Das Haus



Das Haus
Auch ich wollte ein Haus in der Ewigkeit. Da steht es auf fließendem Sand.
Ich versuchte die Türen mit Schlössern zu schützen. Ihr habt sie geöffnet -  von Innen.
Liebe und Ego gingen darüber hin. Nun sind die Ziegel verwittert, die Wände grau und ich habe vergessen, wo ich den Schlüssel versteckte.
Aber sieh das nachgedunkelte Bild im Flur. Es zeigt Euch fröhlich auf der Liebe unserer Sonntage, fröhlich auch hinaus springend, Euch umschauend nach neuen Wegen zum eigenen Horizont.
Nun, es muss erneuert werden. Die Bilder von den Wänden, ein neues Sofa und digital, was geht. Die neuen Frühlinge aus sauberen Scheiben zu grüßen, künftige Winter leichter zu bestehen. Aber die Bilder kommen wieder an die Wände, Eure Stimmen schwirren weiter durch den Traum.
Es ist nicht alles Pegida. Da ist auch Menschlichkeit unter Menschen. Und sie haben Telefonleitungen in die Ewigkeit gelegt, Fahrzeuge gebaut, uns auf leichte Weise wieder zu begegnen. 
Das Haus ist schon nicht mehr im Lot. Wir müssen da nichts vererben. Ihr werdet eigene Bauten errichten. Aber während der Sand schon in die unteren Räume rieselt, lassen wir die Saugroboter surren, leeren wir die Spuren der Ewigkeit in den Kompost des Heute. Bewahrend, was Erinnerung hält:
Die Freude an Euch,
die Dankbarkeit für all dies.
9.10.2016
*
Heute höre ich den Frühlingsvogel vielleicht zum letzten Mal in diesem Abschnitt der Ewigkeit. Ich ziehe an einen anderen Ort. Er singt Hoffnung. Ich höre Erinnerung.
Es ist schwer, den Raum wieder zu erweitern, nachdem der Verlust ihn in eine tiefe Nacht tauchte. Aber der Frühlingsvogel singt. Und ist es auch "nur Erinnerung", so spüre ich doch, wie das Herz sich weitet. Auch an dem anderen Ort muss ein Frühling sein. Auch an dem anderen Ort müssen Futterhäuschen an Bäumen hängen. Ich will sie füllen mit den Sonnenblumenkernen der Hoffnung. Es gibt zur Zeit 20% auf alles. Ich erwarte den Himmel neu.
Und aus dem Frühlingsvogel singt die Liebe neu, und der Schmerz versinkt in einer Flut aus hoffnungsvoller Liebe. Wir nehmen die Bilder mit. Sie zeigen an neuen Wänden in die alten Weiten.
Im Kapitel 14 seines Buches“ Treibsand“ denkt Henning Mankell anlässlich seines bevor stehenden Endes unter anderem darüber nach, wie rückwärts orientiert der Versuch ist, Atommüll vor den Augen der künftigen Generationen in unterirdischen Höhlen zu verbergen. Die Entwicklung der Vernunft war stets mit dem Aufleuchten der Sonne verknüpft, aber „diese unsere Zivilisation, die es weiter gebracht hat als alle früheren hochentwickelten Gesellschaften, hinterlässt eine letzte Erinnerung, die nur aus Dunkelheit besteht“. – Wie das weiter schwatzende Denken nach 45 die Erinnerung an die Ungeheuerlichkeiten aus den Schwelbränden der Ideologien unter den Schwemmsanden der Abwiegelung. Vergesst nicht!
Auch an unserem neuen Ort fließt der Treibsand der Ewigkeit ins Vergessen. Das Licht wird erlöschen. Aber da Nichts nicht war: warum soll Nichts je sein? So schauen wir beruhigt und froh aus glücklicher Erinnerung in die Weiten, getragen vom Gesang der plötzlich einschwirrenden Frühlingsvögel.

10.10.2016