Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

24.2.20

etwas Zeit

Nur etwas Zeit. 

Wir gehn hinaus. 
Voraus das rote Fähnchen, 
voraus die rote Nase,
mal schauen, wie sie schaun. 

Auch Du bist nun zu alt dafür. 
Bleib ernst, mein Jung, bleib ernst! 

Dr. Smirc sagt: "Narzißmus!"
Dr. Warnix, Psychagog 
mit Diplom vom alten Narren: "Aha! Na dann.."

Bin denn auch ich ein betschgräbler Pegide?
Vom Einhorn zum Blödmann kein Schritt, 
nur etwas Zeit vonnöten.

Raus, die rote Fahne, rote Nase,
mal schauen wie sie schaun. 

Auch Du zu alt, macht nichts, 
nur etwas Zeit vonnöten. 
Dollau, dollau alt Alzey.

Fastnacht 2020

22.2.20

Was danach kommt


Auf das, was danach kommt!

Ein Lied mit einer heroischen Melodie, deren weiterer Text mir nicht im Gedächtnis bleibt.

Ich wische die Brotschale aus Holz aus, auf deren Boden mit einem Filz-stift geschrieben steht: zum 84. Geburtstag. Wir haben sie in einem Sozialkaufhaus erworben. Ich war damals, so glaube ich, 66.

Vielleicht schenkt mir in 15 Jahren jemand eine Brotschale aus Holz. Werde ich noch leben? Wirst Du noch an meiner Seite sein? Werdet ihr Lieben, Freunde, gute Nachbarn noch da sein?

Mir gefällt die Zuversicht und Freude der Jugend noch, ist das alles auch gedämpft. 'Swirling above' sangen die Stones vor ungefähr 20 Jahren über die 'seeds of love'. Er, sie war damals kurz vor Rente.

Es ist immer noch schön auf den Filmplakaten der Erinnerung, hinter den Geschäftigkeiten des Tags, die den Rentner in die Straßenbahn stolpern. Singt und freut Euch, auf das was danach kommt!

Was kann schon sein? Der schöne Tag, das gute Gespräch, Berührung. Auch Schmerz, keine Frage. Singt! Es ist keine Erleuchtung von Gurus Gnaden. Und vielleicht gerade deshalb frisch und Freude auch für mich.

Ob der, die jetzt mindestens 88jährige noch lebt? Oder hat sie, er voller Wut und Not, die spießige Holzschale da-mals direkt ins Sozialkaufhaus geworfen? Dann laß uns gemeinsam eine Zigarillo rauchen auf das, was davor war und danach kommt.

Geschrieben unter dem Eindruck des einblühenden Frühlings im Februar 2020.

Klaus Wachowski

12.2.20

Erinnerungen im Dada


Erinnerung an Freunde

„Der liebe Gott hat euch alle gern! – Wisst Ihr: Ich war zehn Jahre bei ihm. Jetzt komm ich ab und zu zu ihm und schau mir seine Kirche an. Ihr habt Gott gern, er hat Euch gern. Ha,ha,ha!“
Was glaubt er zu wissen? Auch ich glaubte zu wissen von Liebe und Freundschaft. Und ich muss sagen: was ich da schrieb war nicht schlecht. Besser als Schopenhauer, der zugibt, davon nichts zu verstehen und erst recht als Nietzsche, der darauf spitzte, Schopenhauer zu überwinden und seine Flächengedanken mit poetischen Worten auszumalen, Tapetenphilosophie. Aber was war an den Gedanken so bedeutsam? Es half mir, aber wer liebte brauchte andere Hilfe und wer sich sehnte anderen Spiegel. Heue erkläre und beschreibe ich nicht mehr Liebe. Ich lasse mich von ihrem tragen oder von der Sehnsucht nach ihr ziehen. Was nicht heißt, dass ich meinen Verstand verliere. Eine Garantie, ihn zu behalten, glaube ich aber auch nicht mehr. Heute fühle ich mich in der Mitte des Lebens. Wie immer einmal wieder in unverhofften Momenten. Ich brauche keine Weisheiten mehr. Ich versuche, Gedanken zu teilen. Ob der liebe Gott mich also gern hat, hahaha, das lass mal unsere Sorge sein. Und unser Gespräch. 

Äber lasst mich ein wenig durch einige Sätze Dada hüpfen und danach sehen, was meine Erinnerungen machen. 

***

Die Volksbefrager, die aus Bürgern wieder Massen und Volk machen. Mit Familienwerten aus grimmigen Bärten auf der ehrenamtlichen Krötenwanderung zu den Strebergärten der Trumpiden von Hool. In der Bowlingbahn zwischen Erotikbar und Königreichssaal zieht man ein neues Smoothical auf. Achtsamkeit guckt auf ein tibetisches Lama.
***

Ein Sturm war und ich dachte an meine verstorbenen Freunde.

Vor 10,5 Jahren starb X mein 10 Jahre älterer Freund, der für seine humanistische Haltung gefoltert und vertrieben worden war. Bei seiner Heimkehr war kein Platz mehr für den verdienten Architekten. Hier in der Fremde aber hatte er gute Aufnahme gefunden, blieb fremd. Ach, ich konnte Deine Freundschaft nicht ausfüllen, ja ich flüchtete vor ihren Hoffnungen. Ich habe Dich tief enttäuscht. Zehn Jahre älter. Ein Mentor in Sachen Treue, dem ich entfliehen musste...

Heute wäre er etwa 80. Lebenslanges Lernen? Nein! Im Alter geht es eher um den Kampf gegen das Vergessen und später um die Akzeptanz der Tatsache des Vergessens. Nicht mehr lernen, mehr erfahren..

Ich bin jetzt drei Monate älter als Du geworden bist. Ich denke mit Schmerz an Deine Hoffnungen, die  sich so oft in Enttäuschung wendeten.

Richard, vor 14 und einem halben Jahr hörte ich vom Tod eines Freundes und Lehrers, mutig gegen die Mächtigen. Ich danke Dir für die Erfahrung eines Zorns gegen das Unrecht, als das Kuschen noch angesagt war. Die Pegiden vom Trump, die Typen vom heruntergekommenen Stammtisch? Auch das war der Feind. Sie kuschten noch, wo sie jetzt brüllen. Im Eiscafe vom leche, komm, noch eine Zigarette. Rauchen war okay. Du 63, ich 54, verstand ich noch nichts von Alter! Nicht, dass ich heute mehr davon verstünde. Der Körper tuts. Aber auch Dir war klar: "wie kann man zu wissen glauben?!" Nur: was Du in Erfüllung Deines Temperaments erfahren hattest, gab Deinem Wort Bedeutung. Es war durchgekämpft, durchlebt, durchfreut und immer wieder enttäuscht. Von den Dekonstrukivisten bis Schopenhauer und Christus. Dr. Smirc hätte  wahre Freude an Dir gehabt.

Was gab es zu berichten, zu diskutieren, dem Hofberichter vom regionalen Schwatzblatt an den Kopf zu werfen unter Zornesblick auf die regierende politisch-narzisstische Provinzgröße, die sich peinlich berührt in ihrem schwarzen BMW oder im weißen Benz vom Volk machte. Der Manager als Sozialdemokrat…

Und während ich dies schreibe setzt sich ein älteres Ehepaar an den Nebentisch. Plötzlich sind wir bei Schopenhauer, Marc Aurel, Arendt. Wie kommt das?! Jahre im Desinteresse!
Wie ich Dich vermisse! Die Akademie im Café leche, der italienische Weltenfreund vom hoffenden Streben unter der Begeisterung, bringt frischen Wind ins Fragen. 

M, an Sehnsucht leidender, tapferer Mann, ein Jahr später als Richard plötzlich aus dem Leben geholt, noch nicht 60. Du warst gestraft mit gebrochener Liebe und schmerzenden Knochen. 68 bist Du in Paris auf eine Phalanx brutaler Polizisten zu gerannt, vom schreienden Haufen plötzlich allein gelassen. In Heidelberg habt Ihr die starren Genossen von der Diktatur des Proletariats mit witzigen Aktionen stolpern lassen. Und als Pfarrer bliebst Du den Arbeitern treu.

Wir kannten uns in der Männergruppe, den Menschen aktiv verbundener, treuer Genosse Jesu und der Gewerkschaft. Es war die Haltung zu den Menschen, was uns verband und stärkte.

Wie auch mit Dir P., und K. beide vor fast 13 Jahren verstorben. Auch Ihr fast 5 Jahre älter als ich, nach einem Leben voll Arbeit und Verantwortung. P. herzlich, Du ,K., still.

Auch P. mit Studentenerfahrung, sozialistisch, Sponti in alternativen Bauernbezügen. Die Freunde im Geist trafen einander zum Reden, zum Austausch über die politische und die gesellschaftliche  Entwicklung. Wie wirkte es sich auf die persönliche Situation aus? Was konnte man tun? Was konnte helfen?

K war ohne gewaltigen akademischen Hintergrund. Er schwankte im Politischen. Aber er stand hinter dem Menschen. Wenn wir über seinen Kopf hinweg die wichtigen Fragen diskutierten, war er öfter mürrisch. Aber er half, wenn es ans Tun ging. Wir betrachteten ihn mit Sorge. Bleibt er treu den Menschen? Oder wirft er hin, wird zum egoistischen Spießer, den Wohl und Leid des Nachbarn Mensch nicht mehr interessiert? Zum mürrischen Alten, der das leben als feuchten Wischlappen wegwirft und in einer sinnleeren Wüste auf das Ende wartet. 

Immer wieder zeigte er, wie grundlos und beschämend unser Mißtrauen war. Hätte er nicht verdient gehabt, noch eins, zwei Jahrzehnte sich an der Sportschau zu freuen wie wir uns an Wallander und irgeneinem Liebesknochen im Kino?

Es war eine gar nicht bemerkte Zeit, diese Jahre von 2005 bis 2009, in denen ich wichtige Freunde, Begleiter verlor. Am Ende war ich beruflich auf dem Höhepunkt meiner Wirkung, familiär gingen die Wichtigkeiten als Vater in die Aufweichung, die Selbstentwicklung des Rentners versprach einen neuen Frühling, den die Schauer der Wirklichkeit öfter in sibirische Straßen verwandeln, an das Verschwinden in den Orten des Alters der Unsichtbarkeit konnte ich nicht glauben. 

Jetzt erinnere ich mich. Ja, Erinnerung, dafür kann man sich nichts kaufen. Aber ich genieße sie. Und wo sie das Böse und Böhse heran bringt, schütte ich es in den Alz-Eimer.

All meine noch lebenden Freunde, Nachbarn, Mitbürger, die Ihr auch mal wagt, zu „sinnieren“, wie es ein sympathischer Verstorbener mir gegenüber einmal bezeichnete, lasst uns auch der guten Menschen gedenken, die wir einmal nicht nur kannten, sondern erfuhren.

Klaus Wachowski  12.2.2020

4.2.20

Zwei Alte

Ich kann sie mir nicht erklären. Sie kommen ins Café, wo eine ganze Gesellschaft vom Baby - SUV sich über gewaltige Pläne und natürlich auch über Erfolg austauscht und die krähenden Fürstenkinder wiegt, päppelt, pampert.

Wer sieht die beiden trockenen Alten? Ihre Wichtigkeit? Wen interessiert es? Aber auch sie starren mit den Blicken vom Seniorentisch an den Jungen und an uns noch nicht ganz so alten, die wir noch geschäftig tun, vorbei, durch die graue oder blaue Landschaft aus Hochhäusern und Himmelsausschnitten hindurch.

Unglücklich sehen sie nicht aus. Glücklich auch nicht. Kein schwerer Ernst liegt auf ihren Gesichtern, ein wartendes, auf nichts wartendes Ich.

Unbemerkt haben sie ihren Kaffee getrunken. Ohne ein Wort sitzen sie und sehen geradeaus. Ist sie es, deren Stimme ohne besondere Betonung sagt: "Ich halte es nicht mehr aus."

Ich schaue hinüber. Kann nicht sein: sie schauen weiter ohne ein Wort hinaus. Jetzt ziehen sie ihre unscheinbaren, seriösen Anoraks an, ziehen die lautlosen Reißverschlüsse hoch und gehen.

Von der Kindergesellschaft sind noch zwei Elternpaare da.

Wenn ich Glück habe, so sagt man mir, komme ich auch in diese Zeit hin.

Dr. Warnix, Psychagog und versierter Pamperone, kommt mir zu Hilfe: "Laß das mal ihre Sorge sein! Für mich sieht es nach einem Aufbruch aus. Eine Wanderung vielleicht, ein Besuch."

Ich denke, im Anfang war wohl das Wort, Freude und Sehnsucht. Was sie wohl denken? Sie gehen eigenen Weg.

3.2.20

P.S.:

"Aktiv bis ins hohe Alter." Wahrheiten aus der Wichtigkeit. Ein Sonderangebot Standardäpfel, nicht weniger schmackhaft als die verwurmte Natur der Philosophie.

Wenn ich mir so beim Betrachten zusehe, muss ich an das Bild des Fürsten denken, der sich im Sterben einen Spiegel vor das Gesicht halten ließ. Den Moment des Todes erkennen wollen... Irr!

Ich nehme mir vor, das Leben nicht zu betrügen.

Ich mache Gymnastik gegen Verschleiß, ich gehe unter Menschen, die gerne mit uns reden, ich lasse den hohen Geist daheim in der Stube, um die Freude am Leben nicht zu verlieren (er muss mir das Dumpfe in Schach halten). Ich bringe das Leben nicht hinter mich, sondern nehme es mit bis zum Abgabetermin. SGw. Die Herren Doktoren Smirc und Warnix, Psychagog und  Moralschnarch, mögen mitkommen, wie auch meine Liebsten und Befreundetsten. Dann den Spiegel am nächsten Polterabend zerbrechen..