Tracy Chapman: There is fiction in the room between. Versinke im Augenblick. - Aber verliere nicht den Verstand
1.12.22
Baumkronen

13.11.22
slow walk of an old man
Gang für den Frieden
(slow walk for peace)
Die Kaiserstraße lang. Langsam, die Kerze in der Hand. Dreißig sind angemeldet, es kommen zehn. Am Ende des Walks sind es doch mehr als fünfundzwanzig.
Die Lichter gehen an. Lampen, Schaufenster. Kinder tragen Laternen in den Martini. Es wird Nacht.
Stimmengewirr, Arme, Kunden, Verliebte, nach zehn Minuten eine wehmütige orientalische Weise aus einem Saxophon. Wie viele Straßen bin ich gegangen?
Was soll das heißen: Z?! Auf der Kerze die Zeichen A und O. Anfang und Ende.
Da sind Kunden und Käuferinnen. Auch für Deinen Frieden gehe ich.
Am Europacenter drehen wir um. Ob die Kerze auch in Deinem Gesicht aufscheint? Eine junge Frau mit schöner Stimme und kräftigem Mikrofon begleitet unseren Weg in einem Zug Sehnsucht. Es klingt wie Erinnerung.
Zum Ende: Dank des Einladenden. Keine Ursache: Ich habe zu danken. Eine kleine Strecke lang ging der Frieden auf der Straße. Nach Odessa oder Teheran, Mogadishu oder Sanaa. Aus meinem Dorf Kindheit in Deine Hoffnungsstadt.
… Wie kannst Du klagen, Du seist einsam?! Lass Dich durch die Straßen Londons führen… Streets of London von Ralph McTell 1973, (Ich war 22).

30.10.22
Am Baudenkmal
SWR Hitparade 22: Karl der Käfer Platz 84, Freiheit, Westernhagen 83, VfB Stuttgart 80
Wie alt ich bin…..
Am Baudenkmal
Wenn Du vor 250 Jahren von hier aus in den Himmel gesehen und das Blau ganz ohne Kondensstreifen bewundert hättest, wäre Dir durch das Stöhnen aus den Folterkellern, den Lärm der Maurer und Fuhrwerke und durch die Schmerzensschreie des durchgeprügelten Küchengesellen hindurch, vielleicht eine laute Stimme in die Betrachtung geplatzt:
"He! Hast Du nichts zu tun? Kein Bauernhof, kein Ruf in die Schreibstube? Melde Dich mal beim Schloss oder beim Schulzen! Der Fürst braucht Soldaten."
Aber, wenn
Du da schon stündest, wärst Du wohl reiches Söhnchen eines Einflussreichen auf
Schriftsteller- Karriere mit Mundart oder Heimat Im Neunzehnhunderter Schulbuch gewesen.
Tauschen mit dem oder dem Knechten?
Dann doch
lieber ruppiger Rentner mit Arztschulden und Kassenverweigerung.

18.10.22
Letztes Buch, Schlusswort
Das ABC geht doch --> bis Z. Im Bahnhof läuft die Reihung aber Z-->A, wohl weil eben dort die Bahninfo liegt.
Meine Frage: "Bin ich schon auf dem Weg von der Gedankenstarre des Streß ins Vergessen?" Ich schreibe mein "letztes Buch".
Wer hat mit 70 noch ernst zu nehmende Bücher geschrieben? Die Didion (Blaue Stunden), Roth (Nemesis), vielleicht auch Goethe (Faust II - Regale schon ausgeräumt?) und co. Von Schwätzenden mit und ohne Nobelpreis ist nicht die Rede. Zur Hauptsache finde ich Notizen, Letztes und auch sonst nicht Beachtetes. Wer von über 70 liest noch "Wichtiges"?
Mein " letztes Buch" ist wie die anderen zuvor nur eine Sammlung meiner Tagestexte. Der "rote Faden" darin ist die Auseinandersetzung mit dem Alter, dem Nachlassen der Festigkeit, der verlorenen Wichtigkeit, dem Verlust. Nicht mehr Suche und Sehnsucht, mehr Vergewisserung und Wehmut.
Mancher, Manchem werden die Themen Tod und Ewigkeit zu pathetisch und zu düster sein. Sie sind so weder gefühlt noch gemeint. Da sind wohl hilfreichere und freudige Themen bei jüngeren Temperamenten angezeigt.
Wer sich aber -weniger gern als neugierig- hinaustastet in seine Realität, dem mag so mancher Text etwas vom eigenen Klang wiedergeben. "Der Tod als ein Spiegel" muss nicht den Versuch hindern, hinter ihn oder zur Seite zu schauen.
Weiß ich, was zu finden ist? Wüsste ich es, ich wäre längst vor Langeweile gestorben.
18.10.22 Klaus Wachowski

8.10.22
Dank
Ich durfte das Blau sehen
Und das Weiß der Wolken darin.
Ihre Reise durch das Sonnenlicht
Und darunter das Grün der Bäume.
Und wieder öffne ich die Augen
Voll Tränen
Und Glück.
Beides verstehe ich nicht,
Beides in mir auf dem Fluss.
Ich schließe die Augen,
Sage der Sehnsucht Good bye,
Die Schwingen der Nacht
Streifen unmerklich den Traum.

6.10.22
Halliday Asymetrie
Ich denke schon, dass er diesen noblen Preis verdient hätte.
Erster Verdacht: mit Bekanntschaft Reklame für andere eigene literarische Versuche machen. Vielleicht konnte sie ja beim Verlag nur ankommen, wenn sie ihre Erfahrung mit PR ausbeutete.
Ich wollte etwas Kluges zu Roth lesen, etwas von Staunen oder Enttäuschung, Verlust.
Aber das hier ist Teenagerkram eines Debuts. Man hat einander berührt, voneinander profitiert. Und weiter? Details hat er ihr anempfohlen! Wusste der alte Mann nicht mehr, dass man Schriftstellern nicht raten darf, wenn man ihren Weg nicht blockieren will?!
Ich wollte in Asymetrie etwas von der Wehmut des Alten und Sehnsucht der Jugend lesen. Gabs das nicht? Oder hat der trockene Roth das (Gefühl, Pathos) dem Mädchen verboten? Was sonst wollen Leserinnen einer solchen Biographie kennen lernen?
Andere liebens anders. Bekommen jedoch ebenfalls keinen Nobelpreis, der momentan auf Poesie reist -und was er (wie etwa Handkes Betonmilch) dafür hält- statt auf Prosa.
Dies ist nicht Weisheit, nur Meinung. Anderen gefällt ja das Plaudern über Oberflächen, Haut, Sport, Softeis- und Kunstgenuß. Ganz okay und warum nicht?
Vom Mann, der schreiben musste, kein Wort.
Enttäuscht? Selbst schuld: auch die Reklame schreibt Beziehung - nicht Liebe, nichts von Wunder und Verlust.
Klaus Wachowski 6.10.22 - und am gleichen Tag zeigt sich, dass das Nobelpreiskommitee wieder seine Urteilskraft gewonnen hat, indem Annie Ernaux die Ehre erhält.

19.9.22
Zur Republik geradeaus 2019
Wir gehen den Weg
Wohin führt er?
In die Republik?
Aus der Not?
Ins Alter…
Aus dem Nichts ins
Nichts?
Aus der Ewigkeit in die
Ewigkeit. -
Unser Leben ist eine
kurze Strecke Ewigkeit. Mehr können wir glauben, spekulieren, phantasieren,
nicht wissen.
Mein Weg war unter
Menschen. Gerne zog ich mich zurück, gerne war ich mit ihnen und
ich liebe.
Ich fand die Welt schön
und düster. Ich glaubte an Solidarität, Helfen
wollen.
Ich suchte, wie alle, die
ich kenne, nach dem richtigen Weg und nach Glück.
Ich bin alt. Viel habe
ich nicht gelernt.
*
Ein Kommunalwicht(ig) von
vielen sagte: "Erfolg!" Ich dachte: "Wohin?" Er hatte keine
Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt blickt er fragend seiner davontreibenden
Wichtigkeit nach.
Was ist wichtig an
Verwaltung? Richtiges, gerechtes Verwalten!
Vorwärtsverwaltung hat
richtiges und gerechtes Verwalten in meiner Zeit stets behindert, wenn nicht
liquidiert. Die Ablösung des dem Recht verantwortlichen Beamten durch den
schnittigen, eilfertigen Funktionär und schließlich durch den dem Gewinn, nicht
der Gemeinschaft, verantwortlichen Manager vom Betrieb hat die ordentliche
Verwaltung in ein Lottergeschäft mit Insolvenzpotenzial verwandelt. Nun kommen
Korruption und Korruptionsverdacht, bis die Republik in Form strikter Gesetze
resettet.
*
Wer will von Alter reden?
Das hatten die früheren
Zeiten der unseren voraus: das Wissen um die Sterblichkeit. Ich denke gerne
über das Leben nach (was so wenig hilft wie handeln).
Was hat doch der
ungeheure Schwätzer Heidegger von Da, So- und in-der-Welt-Sein geblubbert! Ich
sehe zurück und fühle nichts davon, ob meine Erinnerungen wahr sind, und ob
überhaupt gelebt war. Was meint Freund Richard dazu, der inzwischen jünger als
ich ist und verstorben?
Aber es sind meine
Erinnerungen, die ich mit niemandes Erinnerung oder Phantasie tauschen möchte.
Eine riesige Deponie, die ich niemandem zum Besuch empfehlen kann, der oder die
ein eigenes Leben führen möchte. Gerne wühle ich in den Resten.
*
Ein Spruch aus einem
Garten in Pilgerzell bei Fulda: "Zeit macht Sinn". Ewigkeit scheint
Sinn zurück zu nehmen. Das Thema 20.000 Jahre Halbwertszeit, das den auf sein
Ende hin denkenden Mankell beschäftigte.
Ja: Wert und Wichtigkeit.
Sie kommen aus der Berührung, aus der Gegenwart. Und Liebe? Auch sie braucht
Gegenwart zumindest der Vorstellung.
Die Ewigkeitsexperten,
Gurus, Priester, heiligen Nachbarn - wie unbarmherzig sie von den Werten des
Lebens reden, von Überleben, Leben, Freude, Leid, Liebe, Verlust! Laß Dich
nicht beirren! -
*
Waren es Illusionen?
Die Erwartungen einer
freieren, gerechteren, menschlicheren Republik? Der alten Zausel kündigt einem
alten Zausel wegen Eigenbedarf. Die Abschiebung der Flüchtlinge klappt ohne
Aufschrei. Das schlechte Gewissen ist in Broschüren der Ohnmacht kanalisiert.
An Stadien und Aufmärschen zeigt sich der Ork, ja er dringt in die öffentlich
geschützten Bereiche ein, vergreift sich an Repräsentanten der Republik. (Und
dann der Putin!)
Aber auch: Die
Sensibilität ist größer geworden. Der "Wut-Bürger", der sich in
allerlei Richtung nicht ernst genommen fühlt, ist nicht nur blökender Spießer.
Mancher ist auch nicht mehr von der Kultur des Braven gebremster frei und
gleich Geborener des Ursprungs.
*
Das Alter steht der
Ewigkeit näher. Ich merke es am wachsenden Schlafbedürfnis, an Vergeßlich- und
Gleichgültigkeiten, an der Beschleunigung des Zeitablaufs.
Wie unangenehm, wie böse
das Erleben von alten Politikern, die der Zeit noch rasch ihre
Wertvorstellungen aufdrücken wollen. Reagan, Cohumeini, Trump, Sarrazin...,
jetzt Putin brutal…
*
Ist es die Zeit des magischen
Realismus? Das Erlebte als Licht brechender Kristall, vor dem Brechen des
Auges?
*
Ruhm,
begrenzter Rohstoff, den
eine schwammige Masse Bölkstoff aufsaugt... Um den Rest davon zu kämpfen lohnt
ein Leben nicht.
Ich schreibe doch für das
Alter der nachlassenden Lust. Auch es hat Freude und Leid. Anders.
*
Der Verlust als Event:
Ist das dort ein
Schauspiel auf dem Friedhof?!..... Auch eine Möglichkeit. Was bedeutet
Gemeinschaft?
*
Die Körperpflege braucht
eine Stunde und inzwischen mehr.
Du hast noch keine Zeit,
huschst einer Hoffnung nach, die uns ein Naja aus alter Zeit ist, nicht einmal
Erinnerung. Dir sind unsere Erinnerungen
Berge von Müll, über die Du steigen mußt, wenn Du Deinen Weg gehen willst. Das
ist in guter Ordnung.
*
Die Einsamkeit
fiel mich an. Ich schrieb
hoffnungslos, danach empört, aber danach tauchte die Lust auf Leben wieder auf,
die Erwartung der Menschen. Das Nachdenken über das Alter ist von der Gefahr
begleitet, über jedes neues Kapitel ein "noch" zu setzen. Leben
"noch im Hier und Jetzt".
Die Natur sorgt für
Distanz:
Die Haare wachsen an den
unmöglichsten Stellen, kräuseln sich. Du wirst schweigsam, weil Deine
Einsichten welk und von Vergessen durchlöchert sind. Und, peinlich, Du
kleckerst und spuckst manchmal beim Reden. Das macht schweigsamer. Hässlichkeit
ist das Mittlel, mit dem Natur die Menschen der „wichtigen“ Alter von Dir und
Deiner Schwatzhaftigkeit fern hält. Halte diese in Ehren: das bist Du.
*
Alles ist eitel,
Auch das Glauben oder
Nichtglauben. Du bist von der Last des Recht-haben-müssens befreit. Und auch
die Rechtschreibung gehört zum Gestern. Wenn Du Gott brauchst: ok. Wenn nicht:
ok. Aber Verehrung und Angst vor Gott oder dem Nichts, das kannst Du doch lassen!
Und: es ist nichts egal!
Auch Du solltest schon nach vorne schauen, um nicht vor lauter Innenschau zu
stolpern. Da sind genug Wichtigmacher, auch dir noch rasch ein Bein zu stellen.
*
Bitte keine Belehrungen!
Mag sein, dass ich den
Ton eines waldensischen Wanderpredigers an mir habe. Das ist schon lange Zeit
in mir drin. Und es könnte sein, daß viel von meiner Verachtung für so manche
Verehrte einen weniger guten Grund im mangelndem Interesse für meine Predigten
hat. Kapitel Kampf gegen das Lob, das ich begehre...
Wenn möglich lese man
also diese Texte als das, was sie sein sollen: Selbstvergewisserungen in einem
ungeheuer bewegenden Prozess, genannt Leben.
*
Gewidmet meinen Lieben
und Freunden, Begleitern auf eigenen Wegen.
KA, 1.8.2019
