Zahnarzttermin
Ich gehe eine Stunde vorher ins Café, muß dann aber noch einmal nachputzen. Wäre morgen Termin zum Sterben, würde ich es mir schenken.
Bei aller Beachtung der Ewigkeit denke ich doch nicht an ein baldiges Ende. Anders wohl die Leute, denen beim Anblick von unsereinem der Begriff "vulnerabel" aufgeht.
In Mannheim wird eine Woche mit Lesungen im alten Feuerwehrhaus angekündigt. Beginn der Veranstaltungen regelmäßig 20 Uhr.
Mit 70 gehen wir ab 20 Uhr nicht mehr ins Kino. Es gibt gesonderte Spielzeiten nachmittags für die Senioren. In der Literatur-Acquise scheint sich solcher Gedanke nicht bemerkbar gemacht zu haben. Von Lesungen im Betreuten Wohnen habe ich jedenfalls noch nicht gehört. Einziger Vorteil: Man wird mit Handke, Houellebeq und Walser verschont.
Vermutet man, da säßen wohl Leute, die auf Peter Alexander und Sylvia-Romanen seien? Oder glaubt man dann eine schwatzende und hüstelnde Truppe vom Stamm- und Bridgetisch vorzufinden. Auf den Verkauf von Büchern muß man wohl verzichten bei einem Publikum, das sich in Büchereien und öffentlichen Buchschränken bedient und sich nach der Lesung unendlich lang an Brezel und Plörre vergnügt. Regional und günstig, versteht sich.
Muß man da den Dialeckten aus Dunsach vorbeischicken oder die Vertreterin der Pilates-Diätchallange? Man könnte doch auch die Hörgeräte-App bewerben.
Der eigentlich tiefere Gedanke kommt aber philosophisch daher: Wenn die oder der morgen eingeliefert werden: ist es denn da so wichtig, was da an literarischer, religiöser, spannender, philosophischer, historisch und romantisch bedeutsamer Lektüre durch die Hirnwindungen gespült wurde? Man betrachte doch den Erbumstand Bücherregal: Das fällt doch als erstes in den Container. Und all die Makulatur an Erinnerung und Komik der Sehnsucht folgen nach.
Der Timer meldet sich. Ich gehe.
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