Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

27.12.22

Vom neuen Anfangen

Lass mich vom Alter erzählen. Ich stelle mir nichts darunter vor, bin mitten drin.

Heute ist neuer Anfang nach Weihnachten. Die Wohnung ist erst mal auf Stand. Es geht hinaus in den kalten sonnigen Tag.

Es ist etwas von kalt auch in mir, aber ich habe heute morgen unvermutet eine Zeichnung von mir aus diesem oder dem letzten Jahr gefunden. Es freut mich. Sie ist mir gelungen, obwohl ich damals eher dachte: irgendwie spießig. Anderen mag es so erscheinen, mir gefällt es plötzlich. Ich weiß noch wie der innere Anspruch lautete: zeichne doch einmal dieses schöne Blatt nach! Gleich zeichnete ich es fünf mal neben - und übereinander mit Schatten.

Jetzt sagt mir die Form: erinnere Dich. Und die Erinnerung an dieses Gefühl erfüllt mich. Vielleicht ist es etwas von dieser Altmännerphilosophie des zen, dieses plötzliche Ahnen vom Einswerden mit Allem, so etwas wie ein atheistisch - religiöser Orgasmus. Egal: es macht high, lässt die Zeit stehen, den Raum verschwinden. Für einen Moment.

Es war gut. Es geht weiter. Ich denke: Zeichnen erscheint mir wie das Echo der leisesten Berührung, die der Mensch spüren kann. Manchmal gelingt es, dieses Fühlen zu teilen, mitzuteilen. Kunst hat nichts von Größe, nichts mit ihr zu schaffen. Wer verehren will, gehe zum Guru. Aber mit etwas Glück kann sie ihre Freude vermitteln.

Also weiter über die feuchten, braunen, in Fäulnis übergehenden, aber zum Teil noch gefrorenen Blätter. Erinnerungen an andere Zeiten nach anderen Weihnachten kommen auf. Wie war das im letzten Jahr, wie vor zehn, fünfzig Jahren?

Ja, ich habe schon Hoffnungen auf die Zukunft des nächsten Jahres: neue Begegnungen, mehr aber auf die Erinnerungen, die sie in mir auslösen. Die Wintersonne über meinen Regenpfützen in hoffender Kindheit, in Einsamkeit und Erwartung der Jugend, im Weg durch den Schnee mit Dir, in Staunen und Vorfreude der Kinder. Der Gesang von Meise und Amsel aus den Himmeln des Frühlings, die Frieden atmende Landschaft des Sommers, ein Fluss, eine Stadt, die wehmütigen Blüten des Herbstes. All die Jahre, Jahrzehnte. All die Zeit.

Zwei Schulen des zen bekämpften einander erbittert: die eine von der plötzlichen Erleuchtung, die andere von der disziplinierten Meditation. Das braucht auch der japanische Alte nicht, ob weise oder ganz normal. Im Alter führt beides zum Glück der Erinnerung. Sie ist schon eine Droge gegen die Trauer.

So lass uns hinaus gehen, diesen tropfenden Zweig staunend berühren. Wie war das noch? Diesen vom weißen Wolken durchzogenen fahlblauen Himmel in uns hinein sinken und einen Glühwein gegen die Kälte trinken und zur Lockerung der Zunge. Und eine Zigarre am Stand. Ist es nicht schön, Mensch zu sein in der Welt der Menschen?

Ende 2022

13.12.22

Handke, jetzt alt

Rio meint: einen Regenbogen unter den Wolken zu biegen, das wär doch was!

Zwei Alte vor einem tröpfelnden französischen Brunnen. Warum zeigt der jüngere auf das geschlossene Bordell? Hat er noch Wehmut? Japan lacht.

Jetzt streckt er die Hände aus, deutet auf den wohnungslosenlosen Schwarzen, ruft "Wuschelkopf". Der hat keinen Nobelpreis für amateurhaftes Verputzen der Welt bekommen. Sollten wir mitlachen? Ein Welser und ein Griffener in Paris.

Vom Ponzer her klingts: „Dir geht's wohl wie Jim?

Plötzlich verspürt Jim Buckmaster den Wunsch, nicht so wie Quean zu werden. Einmal hatte er sich heiB gewünscht, ein Mann wie Quean zu sein. Jetzt nicht mehr.

Denn nun begreift er zum ersten Male richtig, was das bedeutet..“ (Ein echter Unger – Western für 4,50 DM im Wartezimmer)

Doch Quean kommt nicht.

In Jim ist ein tiefes Bedauern. Er möchte hinreiten und mitreden. Doch er traut sich nicht so recht. Freudlos reitet er heim. Was so ein Flug nach Tokio kostet!

Hufgetrappel und Räderknarren, Kommentare zum Jubel-Fest. Warum auch nicht?

Ob er Gymnastik macht, die Knochen schon spürt, vor Erinnerungsproblemen um den Namen etwa in der Niemandsbucht in Sorgen verfällt oder ob er sein großes Gähnen noch Jahre weiter in die Ewigkeit treiben läßt? Wer will das wissen?

Beim Ponzer in Durlach zwei Alte mit Togokaffee. Smirc, vergiss den Dr., vom Schnarchlabor, Warnix, der Altpsycholog vom Atemcenter (ungeheurer Schwätzer redet mit jedem und jeder im Wartezimmer). Die haben auch schon bessere Tage gesehen.

„Hej Jacko, schon gehört?: der Handke hat Geburtstag.“

„Ja und? Gehst hin?“

„Was soll ich denn bei dem?!“

„Ich meine zur Demo.“

„Ach laß mal, ist doch auch nur n alter Knacker wie wir. Schreiber, nobler Preis und Pilzlurch. Wer fragt da nach?“

„Stimmt, lass ihn sein Gähnen in die Ewigkeit tragen. - Y hatte nicht die Chance.“

Warum mit reuiger Einsicht des Gipsers, Gurus rechnen? Walser, der Schlusstrich, Arno Schmid oder Schmidt?, der SS-Bewerber, Carlo Schmid, der Humanist vom Todesurteil, haben sie ein Wort der Reue verlauten lassen?

Schüler der Schule ohne Rassismus gehen vorbei. Was die wohl zu einem Milosevic - Freund meinen?

Lass der Ewigkeit die Arbeit, diesen Nobelpreis im Nichts zu begraben. Ob da so eine Gipsmasse von Nobelbepreisung und geweißeltem Pilzhütchen, oder anderes aus dem Karton „zu verschenken" aus dem Sand ragt, was solls?

 

Den Kritikern aber würde ich auch sagen: lasst ihn. Er hat genug mit seiner Kapitalverwaltung und der Abwehr der Verehrer zu schaffen (kommt zu all den Spams hinzu). Zeit für Euch, sich mit anderen Unwichten zu befassen, die einfach nur langweilig, sonst aber ohne Schuld sind. Gerne auch mit der Ahnungslosigkeit von Verehrern, die zu feige sind, ihre Namen klar zu posten.

Goethe, der Oberlehrer, stellt sich mit einem Perlwein Edeldnüff dazu: Nimms mit den Naturgipsern doch nicht so schwer! Da scheint schon ein gewisses menschliches Interesse an tiefem Gähnen zu sein. Selbst die Noblen vom Preis haben doch eine gewisse Sehnsucht nach Schläfrigkeit gehabt . Lasst doch mal!"

Ob suhrkamp Bots der Verehrung, Trolle des Kritikhass produziert?

Gott spendiert eine Dampfnudel aus dem Niemandsland mit Betschgräbler Krempe.

*

Der Regenbogen biegt sich hinab ins Muzej ratnog djetinstva, Sarajevo. Dort denkt man an Y.

2.12.22

Reiß die Himmel auf!

O Heiland, reiß die Himmel auf!


Sie hadern damit, Gott nicht glauben zu können!

Ja und?!

Es liegt doch vor und in ihnen, breitet sich um sie herum aus.

 

Da ist es doch weniger eine Frage des Glaubens als eine der Aufmerksamkeit, des Interesses in Leben und Welt.

 

Wenn die Himmel aufreißen sollen,

ruft ein Schmerz

aus Liebe und Verlust nach oben

in die Sehnsucht,

fließen wildere Flüsse, jüngere Bäche

aus Herzen –

dem Ende zu.

 

Was sind da Kraft und größere Kraft!?

 

Da sind Hoffnung

und Liebe

und Glauben

an all dies, von dem ich mir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen kann.   


So wenig wissend wie Du.


                                                                                                                                          7.12.2021

Bürger Kunde 2007

Jetzt im Archiv

1.12.22

Baumkronen

Fuhren wir mit der Eisenbahn, schauten wir gelangweilt auf die vorbei fliegenden Baumkronen. 

Jetzt fühle ich, an was für einem Wunder ich in diesem einmaligen Leben Teil nehmen kann. 

Andere fühlen sich gestört,  weil WLAN ausgefallen ist. 

13.11.22

slow walk of an old man

 Gang für den Frieden

(slow walk for peace)

Die Kaiserstraße lang. Langsam, die Kerze in der Hand. Dreißig sind angemeldet, es kommen zehn. Am Ende des Walks sind es doch mehr als fünfundzwanzig.

Die Lichter gehen an. Lampen, Schaufenster. Kinder tragen Laternen in den Martini. Es wird Nacht.

Stimmengewirr, Arme, Kunden, Verliebte, nach zehn Minuten eine wehmütige orientalische Weise aus einem Saxophon. Wie viele Straßen bin ich gegangen?

Was soll das  heißen:  Z?! Auf der Kerze die Zeichen A und O. Anfang und Ende.

Da sind Kunden und Käuferinnen. Auch für Deinen Frieden gehe ich.

Am Europacenter drehen wir um. Ob die Kerze auch in Deinem Gesicht aufscheint? Eine junge Frau mit schöner Stimme und kräftigem Mikrofon begleitet unseren Weg in einem Zug Sehnsucht. Es klingt wie  Erinnerung.

Zum Ende: Dank des Einladenden. Keine Ursache: Ich habe zu danken. Eine kleine Strecke lang ging der Frieden auf der Straße. Nach Odessa oder Teheran, Mogadishu oder Sanaa. Aus meinem Dorf Kindheit in Deine Hoffnungsstadt.

… Wie kannst Du klagen, Du seist einsam?! Lass Dich durch die Straßen Londons führen…  Streets of London von Ralph McTell 1973, (Ich war 22).

 

6.10.22

Halliday Asymetrie

Philip Roth als Starter

Lisa Halliday, Asymetrie, angeblich über ihr Verhältnis mit Philipp Roth. Ein Mädchen beim berühmten Alten. Man geht zusammen ins Bett, redet auch vom literarischen Geschäft, Nobelpreisenttäuschung klingt an. Mehr aber das am Leben entlang Gleiten, Ausleiten von Fühlen.


Ich denke schon, dass er diesen noblen Preis verdient hätte.

Erster Verdacht: mit Bekanntschaft Reklame für andere eigene literarische Versuche machen.  Vielleicht konnte sie ja beim Verlag nur ankommen, wenn sie ihre Erfahrung mit PR ausbeutete. 

Die eigenen Versuche (zweiter Teil der Asymetrie) mögen gut sein. Dann schreibe daraus ein eigenes Buch!

Ich wollte etwas Kluges zu Roth lesen, etwas von Staunen oder Enttäuschung, Verlust.

Aber das hier ist Teenagerkram eines Debuts. Man hat einander berührt, voneinander profitiert. Und weiter? Details hat er ihr anempfohlen! Wusste der alte Mann nicht mehr, dass man Schriftstellern nicht raten darf, wenn man ihren Weg nicht blockieren will?!

Nicht dass ich damals anders geschrieben hätte. Aber in der Experimentierphase wurde ich -und stark vermutlich auch Phil. Roth - zu Recht nicht gelesen.

Ich wollte in Asymetrie etwas von der Wehmut des Alten und Sehnsucht der Jugend lesen. Gabs das nicht? Oder hat der trockene Roth das (Gefühl, Pathos) dem Mädchen verboten? Was sonst wollen Leserinnen einer solchen Biographie kennen lernen?

Andere liebens anders. Bekommen jedoch ebenfalls keinen Nobelpreis, der momentan auf Poesie reist -und was er (wie etwa Handkes Betonmilch) dafür hält- statt auf Prosa.

Dies ist nicht Weisheit, nur Meinung. Anderen gefällt ja das Plaudern über Oberflächen, Haut, Sport, Softeis- und Kunstgenuß. Ganz okay und warum nicht?

Vom Mann, der schreiben musste, kein Wort.

Enttäuscht? Selbst schuld: auch die Reklame schreibt Beziehung - nicht Liebe, nichts von Wunder und Verlust.

Mein Gegengift: Sie spricht die Sehnsucht nach Erfolg an. Den bekommst Du nicht, wenn Du stets nach dem Stil irgendeines großen X schielst! Bleibe bei Dir, schreibe von Dir! Wen interessiert das Geplauder von Fictionisten? Wo Du nicht drin bist, muß niemand etwas von Dir wissen wollen. Auch in der Fiktion? Und was hilft der Verkaufserfolg, wenn Deine Worte in Millionen von Regalen ungelesen verstauben? (Das ist bei der Ernaux etwa anders). Und wie geschieht Dir, wenn Du keinen Erfolg hast? Verlierst Du dann Deinen Wert? Wie wars mit jenem, der Dich nicht lesen, nur um sich haben wollte? 

Wenn Du ein Vogel bist, musst Du singen! Das eigene! Und vergiss all die unerfüllten Verehrenden. Wenn Du Dein eigenes Lied singst, wird es ausreichend andere seltsame Vögel geben, die mit Dir in das Lied einstimmen wollen!

Sieh, was die Sehnsucht nach Erfolg bei den ausgeleierten Erfolglosen bewirkte: Handke (anl. Bosnien), Walser (anl. Ranicki), Sarrazin (anl. Nationalismus), Houellebecq (mit seinem Kolonialgeschwurbel) und schlimmer -wie Du selbst aus der NA Times zitierst- in der Politik die Faschisten vom Republikwürger Macchiavelli über die Faschisten Trump und Putin, Brexitiers aller Nationen, dann Nietzsche und Wagner, deren Hass sich gegen die Toleranz der Klassik aufbäumte.  

Geh eignen Weg! Eigenen!

Klaus Wachowski 6.10.22 - und am gleichen Tag zeigt sich, dass das Nobelpreiskommitee wieder seine Urteilskraft gewonnen hat, indem Annie Ernaux die Ehre erhält.