Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

28.2.17

Sources


19.2.17

Schnee aus leerer Wand

„Das Publikum, vor dem Sie die Motive meiner publizistischen Arbeit diffamieren, kann ich nur erreichen, wenn ich gegen Sie prozessiere oder Sie ohrfeige. Da mir zum Prozessieren das Geld fehlt, bleibt mir nichts anderes als die Ohrfeige“, schreibt Walser. „Sie werden bitte, jetzt nicht auch noch die Geschmacklosigkeit haben, diese Ankündigung als Antisemitismus zu bezeichnen.“

(nach Die Welt - KULTUR TAGEBÜCHER  - Martin Walsers ewige Wunde Marcel Reich-Ranicki - Von Judith Luig Veröffentlicht am 14.03.2010) 

Ist es das: Sich die Erlaubnis zu einer Ohrfeige holen, weil sie nicht antisemitisch gemeint ist? Aber es ist doch eine Ohrfeige, die einer Moralkeule zuvorkommen will. Unsäglichen Lavieren.

10.1. 17

Es schneit. Ich gehe in die Stadt und versuche dabei, das Gefühl Virginia Woolf mitzuempfinden. Aber die Sensibilität ist auf basic ohne Kohlensäure. Keine Krähen in den bleiernen Wellen eines Glockenklangs.

Dann imaginiere ich eben das Projekt Walser nach.

Der Alte sinnierend vor einer leeren Wand. Das mit der Reue will nicht gelingen. Immer noch das Rattern des Ehrgeizes auf dem mit Schlaglöchern gepflasterten Boulevard eines deutschen Ruhms.

Ja, er hatte alles Glück einer Nachkriegsexistenz. Förderung, Beziehung nehme ich an. Aufschäumende Skandale taten das ihre dazu.

Wie war das mit den Flugzeugen über dem Haus? Der Ruhm hat ihn weit weg in eine Schreibe von 60-Seiten-Romanen entführt. Das Wort hat zuletzt nur noch erzählt. "Rank", na ja!

Er sagt "nackte Wand" zur leeren Wand. Etwas Trieb ist noch geblieben, läßt ihn die Wendung zur Rückschau, zu der halt auch die Reue gehört, nicht vollziehen.
Als sei stets Ziel und Wohlgefühl gewesen.

„Hast Du Lust auf Rache an Unverdientem?“
„Nenne Du mir Verdienst!“

Ich stelle mir vor, das Bewußtsein, sterben zu müssen, lege schon sein Dispersionsweiß auf Deine Aufmerksamkeit. All dies, was einmal war und wichtig war, liege unter einem Dunst fern am Horizont.

Wiederholungen dienen dem Versuch einer Rückkehr. Aber Du bist ein Schreiber, man erwartet Neues von Dir.

Das kommt Dir andererseits bezüglich des Problems Reue entgegen. Und der Betrieb ist treu. Man ruft nach Dir.

Wäre es nicht manchmal schön, vor einer Flasche Wasser zu sitzen und die Aussicht ins Nichts auf sich wirken zu lassen?

Rank: Er scheint noch recht drüssig auf die Welt.

 *

Mir scheint es schön, in den fallenden Schnee zu schauen. Aber auch das Nichts bietet interessante Rätsel zu Ich und Du. Was sein wird, werde ich bald erleben, was ich erlebte und versäumte, gewinnt an einem stärkeren Interesse, an einer schwereren Schwierigkeit.

Manchmal, angesichts des Leidens in der Welt, komme ich mir schäbig vor, so vor mich hin zu beobachten und zu schreiben. Ich könnte mehr helfen, ich hätte mehr helfen können. Mein Kompromiss besteht darin, etwas zu helfen, dann wieder zu schreiben.

Danke, Leben unbekannt, daß ich es noch kann!

12.2.17

Herz zuviel



Demasiado Corazon 


Er zeigt den Mann, dem der Regen in die Augen läuft, auf den der Schatten aus dem Himmel fällt. Von hier aus sieht es gar nicht mehr nach Depression aus. Und Trauer weicht neuem Tag.

Bagger im Park. Im Fasanengarten blühen Winterling und Schneeglocke, Birken hängen ihre gelben Samenwürste in den Wind; die Blumengeschäfte rufen  Osterglocken und Traubenhyazinthen aus. Tulpen und Krokus werben für Frühlingsanfang. 

Die Stadt wird bald die ersten Studentenpärchen über die Wiesen streuen, in die biologischen Erinnerungen der promenierenden Senioren. Alleine Erziehende und ehefaule Muttersöhnchen ziehen verliebt mit hüpfenden Enkeln an ächzenden Gelenken vorbei. Es ist schön wie Sonnenstrahlen in Deinem Haar, mein Glück.

Aus dem Weltraum der Hoffnungen ein erster lauer Wind. Die letzten Plastikweihnachtsbäume fallen von den Gräbern. Zeit, die Tannenzweige von Töpfen und Kreuzen zu nehmen. Von allen Seiten Gesang der Vögel. Der Zigarillo ist geraucht und ausgedrückt. Weg damit und nehmt mich mit in die Zeit!
X und Y kommen auch mit. Wir gehen unter knospenden Bäumen. Der Betonturm der Kirche von 1950 sagt: "Halte mich!" Er kann mit Gottes Freiheit noch nichts anfangen. Auf der großen Straße säuft sich die Jugend in die Fastnachtsverblödung. Angst der Großen. Laß!

Bald ist es wieder schön zu joggen, Motorrad zu fahren, hinaus zu gehen auf der Suche nach dem See des Jetzt. Wir gehen, gehen, reden weiter miteinander im Herz der Hoffnung. Es zwitschert von allen Seiten. Aus allen Herzen singt es in den Frieden.

-auch im Tagebuch Karlsruhe - Klaus Wachowski 12.2.17