Der Interviewer bietet höflich einen Stuhl an. Dr. Smirc läßt sich erschöpft fallen. Cafe Brot-Team ist nicht gerade die angesagte Adresse in diesem Kaff. "Interview? Okay, was wollen Sie wissen?"
Der Interviewer: "Sie wissen, daß ich in hohem Bogen geflogen bin und meine Karriere als Reporter den Bach runter geht. Welche Zukunft würden Sie als ausgefuchster Feuilletontester mir empfehlen?"
Smirc beißt in die Betschgräbler Dampfnudel. Nicht schlecht. Aber eine Meringue mit Sahne hätte er vorgezogen. Nach einer langen Denkpause :"Jussif bewirbt sich gerade mit viel Energie um eine Anstellung in der Lagerlogistik. Ich überlege gerade, was er wohl antworten würde."
Der Interviewer :"Ja, es gibt viel Stress in der Welt. Aber ich habe meinen Ruf verloren. Der Vogel ist abgestürzt und die Hyänen hecheln. Was soll das noch:"Leben"? "
Faisal, ein Poet und Boxer aus dem Land der Gefängnisse holt seinen Marc Aurel aus der Tasche und liest, etwas stolpernd vor: " laß die Einbildung schwinden und es schwindet der Schmerz über das Böse, das man Dir getan hat." Vergiss, was Du warst und was Du getan und deshalb erlitten hast. Sieh in Dein Ich und das Jetzt an!
Der Interviewer: " Wer hat Dich um eine Meinung gebeten? Du kannst froh sein, daß wir Dich hier aufgenommen haben! "
Dr. Warnix, Psychagog und arbeitsloser Bademattenjustierer, mischt sich ein: "Stop, wir sind hier nicht am Stammtisch, sondern in einer ernsthaften Runde vom Artikel 1!"
Der Interviewer entschuldigt sich mit rotem Kopf. Das wollte er wirklich nicht. Aber die Entwertung durch die netten Kollegen von der Moral hat ihn überempfindlich gemacht.
Faisal nimmt die Entschuldigung an.
Ein Adler fliegt am Fenster vorbei. Die Sehnsucht eines ums Leben betrogenen Kindes, Sohn einer Mutter.
Dr. Smirc weiß keinen Rat, Faisal und Warnix wissen keinen Trost. Ein grüner Berg leuchtet über dunklem Tal. Und gnadenlos schneidet die Sichel.
Ja, das Leben ist Liebe, Lust und Verlust. Aber auch wenn nur Erinnerung ist, so ist doch Erinnerung.
Dr. Smirc gibt dem Interviewer die Hand. Er denkt an den kleinen Massei-Jungen, der den Stock nimmt und den Sprung über den Stein versucht. Morgen geht er den Weg in die Stadt und kauft ein neues Heft und Bonbons.
Stühlerücken am Nebentisch. Auch die Kikuju-Väter haben ihren Plausch beendet und fahren zurück in die Einrichtung.
Wieviele Hoffnungen stürzen ab, wievielte Leben enden zu früh?! Bilde Dir nicht zuviel ein auf Deinen Schmerz.
Ja, es ist wirklicher Schmerz. War denn dein Glück höher, wertvoller als das jener? Grüner Berg und dunkles Tal.
Der Stein, über den zu fallen ist, liegt bereit. Lasst uns den Weg gehen und nicht zu sehr voneinander weg sehen.
Dies hier ist das Glück und der Schmerz.
Dies hier ist das, Dein Leben.
Und der Vater schneidet dem Jungen eine Locke ab, steckt sie in eine Streichholzschachtel, lange winkend aus dem Fenster nach Plötzensee.
Schwarz sind die Wellen vor der Küste des kalten Erdteils.
Fahre mit Gott, sorgenvolle Mutter!
Dr. Warnix, Psychagog und erfolgloser Witzeerzähler, lächelt etwas verkniffen. Er denkt an den Song des jungen Cohen like a bird on a wire. Wie jung wir waren! Und dann das Licht sprühende Glück, die Sehnsucht und Sorge der Liebe, ein Grab.
Jetzt ist es kühler geworden um Schönheit und Angst.
Wer will hören, was alte Leute sagen?
Die ganz jungen.
Und auch das lohnt Sehnsucht.