Gründonnerstag
Alle Glocken läuten.
Anlässlich Juli Zehs Buch über Bosnien habe ich mich nochmal mit dem Skandal Handke befasst. Anlässlich Gründonnerstag denke ich: lass!
Auch Botho Strauß und Martin Walser haben wieder ihre Falten geöffnet.
Heute geht mit auf, was mich an ihrer Literatur stört: der Mensch fehlt. Nicht ganz so bei Walser. Aber der drückt sich schon Jahre um ein öffentliches Bekenntnis zur Reue.
Ich hatte versucht die jeweils narzißtische Haltung in Mängeln der Literatur nachzuweisen. Und bis heute bin ich mit Karl Kraus davon überzeugt, dass, wo der Mensch nicht Gegenstand der Literatur ist, Literatur nicht ist. Auch wo der Idylliker nur Wort und Objekt gegenüberstellt, möchte ich das Herz des Betrachters und Beschreibenden schlagen fühlen. Und es muss ein Menschenherz sein. Alles andere ist "narrativ", nettes oder schreckliches Strassenbahngezwitscher, nicht der Teil der Welt, in den ich gehe, um zu empfangen.
Und eben das fehlt ihnen, Klassendiven bei suhrkamp & co. Ein Kind, das sich für die Mama schöne oder schreckliche Narrative aus den Fingern saugt. Und die liebe ist natürlich schon über dieses Geliebtsein-wollen begeistert, wie wir es von Müttern, Vätern, Geschwistern, Kindern doch erhoffen. So tut der Verlag ganz Recht daran, die Versuche der Eifrigen zu belohnen und sich nicht weiter darum zu kümmern, ob sie denn auch etwas besagen in ihrem Sagen. Mit ordentlich Reklame geht es schon.
Und was haben sie denn bis auf Walser schon Schlimmes getan?
Aus einem rasch und gewaltig aufgeblasenen Ruhm heraus haben sie versucht, den Applaus zu halten und zu vervielfachen, an das beständigere Lob für im Leben stehende und schreibende Dichter heran zu kommen. Und als dies nicht gelang: ich wette die Zahl der Intellektuellen, die glauben, sich den neuesten Handke, Strauß pp halt kaufen zu müssen ist erheblich unter lohnende Massen geschrumpft. Als dies also nicht gelang, blieb nichts als der beleidigte Rückzug verlassener Führer, zu wenig beachteter Kinder auf die Wiederholung der längst Masche gewordenen frappierenden Methode des ersten Erfolgs.
Man ist nicht faul. Das Einüben seriöser und poetischer Haltung, das Pflegen der Geschäftsbeziehungen und das Spreizen des Pfauenrads, vor allem das Polieren der ausgegilbten Plastikausdrücke von Sprache erfordert Disziplin und Zuverlässigkeit wie jeder andere Brot- oder Sektberuf.
Aber das Leben, die Lust daran und die Sehnsucht danach sträuben ein. Spinnenfäden der Unlust weinen sich um jedes Wort, das einmal springen und singen wollte. Schicksal des zum Erfolg gekommenen Narziß. Ein bedauernswertes Obdachlos.
Er liegt nicht unter der Brücke? Er bettelt nicht um einen Euro?
Was ist der Unterschied?
Er liegt nicht unter der Brücke? Er bettelt nicht um einen Euro?
Was ist der Unterschied?
Es tanzt die ganze verlorene Sehnsucht nach Beachtung um ihn herum, in der Hoffnung, etwas von dem heuchlerischen Beifall zurück zu bekommen. In Euro.
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Nun bin ich selbst abgeschweift, habe mich und die Welt verloren. Auch ich bin fern den Menschen. Sehne mich nach ihnen, scheue zurück. Das dürfte bei allen der Fall sein, die für ihr Handwerk Abstand zum Betrachten benötigen und Zeit zum Gedanken sammeln und zu geben.
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Nun bin ich selbst abgeschweift, habe mich und die Welt verloren. Auch ich bin fern den Menschen. Sehne mich nach ihnen, scheue zurück. Das dürfte bei allen der Fall sein, die für ihr Handwerk Abstand zum Betrachten benötigen und Zeit zum Gedanken sammeln und zu geben.
Aber ich sehne mich noch. Das bringt Pathos und Tränen in die Geschichte. Und das ist es, was das Ich - Ich des Unverbindlichen nicht hören will. Ernst und Trauer, das Lachen und das Lächerliche.
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Dies war die letzte Seniorenwut des Winters. Unter Frühling und Sommer bitte ich, die Subjekte, Objekte meines Ärgers freundlicher zu betrachten.
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Ich gehe hinaus in den 68. Frühling meines Lebens.
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Dies war die letzte Seniorenwut des Winters. Unter Frühling und Sommer bitte ich, die Subjekte, Objekte meines Ärgers freundlicher zu betrachten.
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Ich gehe hinaus in den 68. Frühling meines Lebens.
Ich sehe wie Menschen von den Geschossen von Haß verrückter Nationalisten getroffen werden, in der Sniper Alley Sarajevos, gerettet von unbekannten Nachbarn.
Ich höre von wirklicher Hilfe, von Vertrauen, Sorge, Freundschaft aus dem Nichts. Der Tod auf Anordnung des irren Mladic, die Geburt einer neuen Republik unter dem Bersten von Granaten. Während ein Dichter aus Suhrkamp in Erdbeerbildern duftet.
Der Osterhase im Minenfeld. Da geht Christus und ruft: "Warum hast Du mich verlassen?!" Und die Uno wäscht ihren Panzer weiß und weißer in Unschuld.
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Ich will wieder Bienen summen hören um Blüten und Marmelade. Ich will den Duft von regenfeuchter Erde und lang anhaltende Gespräche unter Nachbarinnen. Das bedeutsame Schweigen aus dem gedankenlosen Tun der Männer, das Geschrei von Kindern und das Drängeln an der Kasse des Discounters.
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Ich will wieder Bienen summen hören um Blüten und Marmelade. Ich will den Duft von regenfeuchter Erde und lang anhaltende Gespräche unter Nachbarinnen. Das bedeutsame Schweigen aus dem gedankenlosen Tun der Männer, das Geschrei von Kindern und das Drängeln an der Kasse des Discounters.
Und nachdenken über Dich, träumen: wie war das noch?
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