Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

21.7.18

Blumenstrauß

Über den Glaskörper schiebt sich ein Häutchen, die Tränenflüssigkeit zurückzuhalten.
Du kennst schon alles. Ich nichts. Ich gehe mit meinem väterlichen Freund Richard unter Bäumen.
Ich sehe: Dieser Blumenstrauß ist schön. Rote, blaue und gelbe Blüten in grünem Blatt. Ein Schleier von feinen weißen Blüten darüber.
Die rot gefüllten Sterne blühen hervor. Zarte kleine blaue Trichter, von harten grünen Blättchen geschützt, und mittelgroße gelbe Blütensterne. Sie alle wachsen aus schlanken dunkelgrünen Blattlanzen hervor.
Es soll Dir die Farben des frühen Sommers in den Schlaf gießen: da ist eine Wiese aus Träumen der Kindheit, über der der Falter Sehnsucht taumeln und aus der er trinken kann, bevor er von Zielen gezogen sich hinter dem Horizont verliert.
Ich stelle den Strauß in die Vase. Schon summt eine Biene herbei. Wasser befeuchtet die Erde. Aus den Bäumen die Lieder der Vögel.
Schritte im Kiesweg. Dann Stille.
Meine Gedanken auf der Spur eines Falters. Aus dem grünen Schatten sehe ich noch einmal zurück auf einen Strauß Frühsommer.
21.7.2018 Klaus Wachowski

10.7.18

Tamam

Ich höre eine mir liebe, vertraute Stimme singen. Die Saiten meiner Seele erbeben in einem moll- Akkord. Eine wehmütige Erinnerung.

Ich möchte antworten. Meine Worte zerfallen an der Mauer des Gestern zu Staub.

So danke ich den Stimmen, die aus der Vergangenheit in eine unbekannte Zukunft sangen.

So groß Dein Ruhm sein mag: er kann die Zeit nur in einer Richtung nehmen. (Und weit kommt er auch nicht.)

Ewigkeit ist anders.

Ein Lied aus der Vergangenheit nimmt mir den Stift aus der Hand. Was geht mich die Größe der Zukunft an?

11.6.18

Rache

Das Meer ist aufgewühlt. Das Schiff versucht, Linie zu halten.

Die Gefühle versuchen, sich zu halten. Die Trauer wohnt in den unteren Decks. Bei Gefahr werden die Schotten dicht gemacht.

7.6.18

Wohl sein


Ein mir bekannter Faulenzer ich kannte nur einen-  sitzt im Halbschatten des Eiscafés B in Annweiler. Ein fein gestalteter grau melierter Bart schaut unter Baseball-Mütze und genüßlich durchgezogener Tabakspfeife hervor.  Er liest -ebenfalls genüßlich- in einem lokalen Wichtigblättchen seinen Wiener-Schnitzel Beitrag aus dem Dorfgemeinschaftshaus X nach. 

Mir schwillt der Kamm.

Es ist das Alles-egal, das mir in der backenschunkelnden Lebensweise der sich am persönlichen Vorteil labenden Gemütlichkeit aufstößt. Komm, wir lassen es uns gut gehn! - Und dort schleicht einer um die Ecke, dem noch 20ct zum Bier fehlen.-

Für mein Mitleid kann er sich nichts kaufen. Aber vielleicht hilft solche Aufmerksamkeit doch irgendwann oder auf Dauer dabei, seine Situation zu bessern.

Die Wurstigkeit aber des "genieße heut, wir können eh nichts ändern" ist doch genau die Schäbigkeit, die er und ich früher empört bekämpften.

Kaum hatte ihn eine glückliche Strömung am Strand abgesetzt, wandelte er sich zu einer ahnungslosen Verkörperung jenes Schmarozertums der Abwiegler.

Ja, genau das habe ich gegen Dialektdichtung, Weck, Woascht un Woi. Predigt und Ritual vom Alles-egal.

Wie hätten viel erreichen können. Dir war's genug.

6 2018

1.6.18

Ein Kalenderspruch von Pink

"Man kann keine Berge versetzen, indem man ihnen zuflüstert."

Aber nur so kannst Du ihr Wunder erkennen.

31.5.18

Begley über Schmidt

S. Verliert alles. Der Leser bemerkt seine Illusionen, Ruinen von Plänen, aus der Zeit gefallene Überzeugungen. Er bleibt trotz schwiemelndem Antisemitismus sympathischer Egoist ohne Narzißmus. Bei allen verbliebenen Freuden bleibt ihre Vergänglichkeit spürbar.

Einsamkeit ist alt geworden, Trauer und Liebe versinken hinter einer Wolke von Martini und uneinsichtiger Sehnsucht. Das Buch ist ca. 15 Jahre alt. Wie Begley es wohl heute schildern würde?

Und wo in dem ganzen selbstgerechten Literaturbetrieb rechts und links der akademischen Freiheit ist der Roman über den Hilfsarbeiter Bryan, der nach einer guten Arbeit für einen fetten alten Rechtsanwalt von dem gut entlohnt wird, sich doch dazu entschließt, eine Familie zu haben und nach zwei finanziell glücklich überstandenen Operationen alt wird und in trockener Armut stirbt und doch Trump verachtet? War er nicht Verlockungen von Liebe, Sex und Haß ausgesetzt? Waren in diesem Leben nicht Sehnsucht und Einsamkeit genug? Und Hoffnung? Und Verlust? Und Reue fordernde Schuld?

5.4.18

Gründonnerstag

Gründonnerstag
Alle Glocken läuten.
Anlässlich Juli Zehs Buch über Bosnien habe ich mich nochmal mit dem Skandal Handke befasst. Anlässlich Gründonnerstag denke ich: lass!
Auch Botho Strauß und Martin Walser haben wieder ihre Falten geöffnet.
Heute geht mit auf, was mich an ihrer Literatur stört: der Mensch fehlt. Nicht ganz so bei Walser. Aber der drückt sich schon Jahre um ein öffentliches Bekenntnis zur Reue.
Ich hatte versucht die jeweils narzißtische Haltung in Mängeln der Literatur nachzuweisen. Und bis heute bin ich mit Karl Kraus davon überzeugt, dass, wo der Mensch nicht Gegenstand der Literatur ist, Literatur nicht ist. Auch wo der Idylliker nur Wort und Objekt gegenüberstellt, möchte ich das Herz des Betrachters und Beschreibenden schlagen fühlen. Und es muss ein Menschenherz sein. Alles andere ist "narrativ", nettes oder schreckliches Strassenbahngezwitscher, nicht der Teil der Welt, in den ich gehe, um zu empfangen.
Und eben das fehlt ihnen, Klassendiven bei suhrkamp & co. Ein Kind, das sich für die Mama schöne oder schreckliche Narrative aus den Fingern saugt. Und die liebe ist natürlich schon über dieses Geliebtsein-wollen begeistert, wie wir es von Müttern, Vätern, Geschwistern, Kindern doch erhoffen. So tut der Verlag ganz Recht daran, die Versuche der Eifrigen zu belohnen und sich nicht weiter darum zu kümmern, ob sie denn auch etwas besagen in ihrem Sagen. Mit ordentlich Reklame geht es schon.
Und was haben sie denn bis auf Walser schon Schlimmes getan?
Aus einem rasch und gewaltig aufgeblasenen Ruhm heraus haben sie versucht, den Applaus zu halten und zu vervielfachen, an das beständigere Lob für im Leben stehende und schreibende Dichter heran zu kommen. Und als dies nicht gelang: ich wette die Zahl der Intellektuellen, die glauben, sich den neuesten Handke, Strauß pp halt kaufen zu müssen ist erheblich unter lohnende Massen geschrumpft. Als dies also nicht gelang, blieb nichts als der beleidigte Rückzug verlassener Führer, zu wenig beachteter Kinder auf die Wiederholung der längst Masche gewordenen frappierenden Methode des ersten Erfolgs.
Man ist nicht faul. Das Einüben seriöser und poetischer Haltung, das  Pflegen der Geschäftsbeziehungen und das Spreizen des Pfauenrads, vor allem das Polieren der ausgegilbten Plastikausdrücke von Sprache erfordert Disziplin und Zuverlässigkeit wie jeder andere Brot- oder Sektberuf.
Aber das Leben, die Lust daran und die Sehnsucht danach sträuben ein. Spinnenfäden der Unlust weinen sich um jedes Wort, das einmal springen und singen wollte. Schicksal des zum Erfolg gekommenen Narziß. Ein bedauernswertes Obdachlos.
Er liegt nicht unter der Brücke? Er bettelt nicht um einen Euro?
Was ist der Unterschied?
Es tanzt die ganze verlorene Sehnsucht nach Beachtung um ihn herum, in der Hoffnung, etwas von dem heuchlerischen Beifall zurück zu bekommen. In Euro.
*
Nun bin ich selbst abgeschweift, habe mich und die Welt verloren. Auch ich bin fern den Menschen. Sehne mich nach ihnen, scheue zurück. Das dürfte bei allen der Fall sein, die für ihr Handwerk Abstand zum Betrachten benötigen und Zeit zum Gedanken sammeln und zu geben.
Aber ich sehne mich noch. Das bringt Pathos und Tränen in die Geschichte. Und das ist es, was das Ich - Ich des Unverbindlichen nicht hören will. Ernst und Trauer,  das Lachen und das Lächerliche.
***
Dies war die letzte Seniorenwut des Winters. Unter Frühling und Sommer bitte ich, die Subjekte, Objekte meines Ärgers freundlicher zu betrachten.
*
Ich gehe hinaus in den 68. Frühling meines Lebens.
Ich sehe wie Menschen von den Geschossen von Haß verrückter Nationalisten getroffen werden, in der Sniper Alley Sarajevos, gerettet von unbekannten Nachbarn. 
Ich höre von wirklicher Hilfe, von Vertrauen, Sorge, Freundschaft aus dem Nichts. Der Tod auf Anordnung des irren Mladic, die Geburt einer neuen Republik unter dem Bersten von Granaten. Während ein Dichter aus Suhrkamp in Erdbeerbildern duftet.
Der Osterhase im Minenfeld. Da geht Christus und ruft: "Warum hast Du mich verlassen?!" Und die Uno wäscht ihren Panzer  weiß und weißer in Unschuld.
*
Ich will wieder Bienen summen hören um Blüten und Marmelade. Ich will den Duft von regenfeuchter Erde und lang anhaltende Gespräche unter Nachbarinnen. Das bedeutsame Schweigen aus dem gedankenlosen Tun der Männer, das Geschrei von Kindern und das Drängeln an der  Kasse des Discounters.
Und nachdenken über Dich, träumen: wie war das noch?