Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

25.7.20

An der Haltestelle

Du reitest Durch phantastische Abenteuer des Na ja und bläst auf der Kulturtüte. Ich schaue auf die von unserer feiernden Gesellschaft verlassene Haltestelle.

Ein illustrierter Allesbeschwatzer, der das Zeug zu einem romanesken Sloterdijk hat, macht wichtig. Ich lese trotzdem mal eine Seite von ihm.

"Sexualität ist der nachtschwarze Schatten des Baums der Erkenntnis, aus der sie die Unschuld verlor. Sie steigt aus dem Grund in den Geist. Da aber klopft sie sein Helles ab,.."

Bahnt sich da eine Geschlechtsumwandlung vom Guru des Müpf zur Urmutter an?

Laß mal den Finger rund gehn! Lange Lappen, Strass und Goldzöpfchen. Und doch kein Lagerfeld?Der Verlag braucht noch 600 Seiten Schnalzen...

Nachtschwarzer Schatten? Der Quasselkasper aus Wasserburg bekommt barockale Konkurrenz.

Wie: nachtschwarzer Schatten? Reicht nicht schwarzer Schatten, reicht nicht Schatten? Das doppelte Überstreichen mit Acrylfarben. Ist es denn besser als das Betonieren nach Handke? Heller wirds nicht. Sex klopft es ab.

Sexualität soll der Begriff für diesen nachtschwarzen Schatten sein. Er schiebt sich vors Gehirn des Lesers, der Leserin.

War da nicht schon anderes gesagt von einem roten Apfel, der wiederum anderes symbolisierte? Acryl auf die Ikone schmieren. Wird es so schöner?

Rege ich mich auf über die Illustrierten im Regal des Discounters, über einen Garten voll Plastikblumen,  über Hartzungen von RTL? Nein! Ich verrate Dir: Ich kauf mir so 'n Ding, ich schlürfe in so 'nem Garten meinen Hugo, ich glotz so'n TV...

Was ätzt, sind die Gesten der Metaphernbläser.
Wo die Glasklicker des Pfeifelhans in das Ornat eines Literaturpreises eingebaut wird, wo die Literaturverwaltung das Strassenbegleitgrün in Plastikblüten wickelt, der Preis-Auswanderer Dir erklärt, wie schön sich die Protzbauten der Milosewitzen doch vor Gott und dem Menschen ausnehmen.

Rih wiehert Herbst auf Karl May. Aber dort war doch wenigstens Abenteuer mit Blick für die Wunder der Welt und der Liebe. Das bisschen geil aber macht den Mangel an Gefühl und Klarsicht des Reiters in der Tapete nicht wett.

Was der alles weiß! Wie am Tisch des betreuten Wohnens. 

Anreden gegen die Ewigkeit, Wichtigkeit auspacken. Aber uns zittern die Hände, während ihm noch der Mund überfließt. Nachtschwarzer Schatten, nicht ganz hell.

Wir haben gefeiert auf das Ende zu. Es war schön und bunt. Was war uns nicht alles wichtig! Wie zahm wir geworden sind!

Du fragst: "Ist das denn alles: Der Mensch?"

Sag Du's mir! 

10.7.20

Manchmal

Manchmal ist,

- was ich tue ohne Wichtigkeit,
- was ich glaube ohne Evidenz,
- wohin ich gehe Regen.

Ich vergesse.

Manchmal

- gehe ich mit mir selbst auf Wanderschaft.
Zu viele Leute, zu viel Ich.
Ich kann Dich nicht hören, nicht sehn.
Menschen aber brauche ich - auch.

Blätter, grüne Folie des Friedens,
Klar der Bach und fließender Spiegel.
Licht und Schatten flirren unter der Krone.

Wie schön.

Klaus Wachowski 9.7.20


7/20

19.6.20

Wort, Wert verlieren

Das Thema Literatur erschöpft sich in zunehmender Ermüdung. Das ist nicht Handke, der sich des Themas Müdigkeit mit zunehmender Langeweile angenommen hat.

Eine Weile glaubte ich, die Einstellung der literarischen Produktion bei guten Schriftstellern hinge mit der altersbedingten Impotenz zusammen. Die verursacht Depressionen und das führe zum Verlust allen Interesses.

Jetzt mit 69 erscheint es mir nicht ganz so. Das Interesse verliert sich nicht nur, es kämpft auch gegen die innere Stimme an, die ihm die Frage zuflüstert:"Ist das angesichts des nahenden Todes wirklich wichtig?"

Die andere Frage, wer das denn hören wolle, gewinnt mit der Vereinsamung an Gewicht. Gefolgt vom Zweifel darüber,ob es je jemanden gab, der es hören wollte und dem anderen Zweifel bezüglich der eigenen Qualitäten überhaupt. Die Depression fällt über dich her.

Der alte Mann auf dem Stadttor von Worms kann das Schwert gegen die Orks vom Banner des Kreuzzugs nicht mehr heben, der Schmied biegt das glühende Eisen nicht mehr, der Guru vergisst seine faule Formel, ich verliere das Wort.

Schwer zuzugeben, dass es nicht schade ist, sondern Teil des Geschenkes Leben, dessen Aufstieg nicht ohne den Abgang zu haben war.

Ich könnte mich darüber beklagen, dass ich die Reise nicht weiter führen kann, nicht mehr Diesel im Tank ist. Im Augenblick denke ich, das sei gut zu wissen, besser aber auch, mehr hinaus als nur in den Tank zu schauen.

17.6.20

Einschulung

"Guten Tag, liebe Schülerinnen und Schüler,  mein Name ist Schnursenkl!" Shit! Hätte ich nicht sagen sollen!

Der Haufen lacht wie blöd. So ein Vorlauter ruft von hinten: "Wir haben doch den Meier!"

"Was für'n Meier?"
Sie werfen sich aus dem Fenster. "Na den mit" -idiotischer, amerikanischer Fingerapostroph- "ay".

Ah, Gott sei Dank, Petra! Ist die wieder eingestellt? "Super, Petra, gut das ich Dich sehe! Weißt Du, wo die 7a dieses Jahr ist?"

"Hast Du die mail nicht bekommen? Du Arme! Dann weißt Du ja nicht, daß die Knarz jetzt die Leitung hat!" (Was,die?! Danke schön! Ich dachte die wäre wegen der Nazi-Sache versetzt,  oder war es Ministerium? Und meine Bewerbung?! Hätte ich mir denken können!).
"Aber welche Klasse Du hast,weißt Du?"

"Äh ja, mail! Habe ich irgendwie weggedrückt. Nö, weiß schon. Meine Klasse: hab ich aufm Zettel."
Warum lüge ich so blöd? Komisches Ambiente. Bin ich hier überhaupt richtig im Blassier-Gymnasium?

Da! Die drei kenn ich doch. Sind die nicht pensioniert. Oder stellen Sie seit neustem auch bei uns die Vulnerablen wieder ein? Die Glatze. Ach jaa! Das ist ja der Mayer "mit ay". Der alte Suffkopp! Schlängelt sich an die Knarz ran. Wie immer!

Schnell hier rein. Der Saal ist gottseidank leer.

"Frau Schnursenkl" Unverschämtes Grinsen! Das ist doch der Asoz von Goldberg. "Wissen Sie, wo die 6a dieses Jahr ist?" Der will doch wohl nicht weitermachen! Ab ins Homescooling! Papa wird's schon richten.

Wo ist nur diese verdamme Mail hin? Ah hier. Nöö! Aber wenigstens die von Vince! "...schön, daß Du für mich die Rede vom Personalrat hältst! Die Begrüßung ist übrigens in der Mensa der Brutalos drüben. Danke nochmal und schöne Grüße an Meyer mit ay. Wenn der nur nicht Chef wird!..."

   Die hochgeschätzte Pädagogin und beliebte Kollegin, Frau Monika Schnursenkl , kann auf absehbare Zeit ihren Unterrichtsverpflichtungen nicht nachkommen.

21.5.20

Ein Spielplatz in Kutaisi

Auf einem Spielplatz in Kutaisi steht sie, sieben oder acht, mit einem Eis am Stiel. Vanille mit viel Milch. Man muss mit einer klapprigen Gondeln hinauf fahren, kann aber auch mühsam durch die Hitze wandern. 

Es kracht von Blech und Eisenketten. Die Anlage stammt wohl noch aus Sovjetzeiten oder ist es eine zerfallende Hoffnung aus den Anfängen der Republik? 

Es ist ja nicht Sonntag. Die Leute müssen arbeiten oder beschaffen, die Kinder in die Schule. Ein verlorener Alter, ein heimlich tuendes Paar, die Mutter und das Kind. Es könnte auch die Großmutter sein. Wir sind in Georgien. 

Die Farben sind Rot, Blau und Gelb. Die rot – gelben Rohre der Absperrung stehen schief vor den Juxmaschinen, Gondeln, Schweinschen, Affen, Pferden des Karussells, Autos der scheppernden Rennbahn. Von oben grüner Schatten und Wolkenweiß aus dem Blau. Das Vergnügen ist (noch?) nicht in Betrieb, der Springbrunnen trocken. 

Am Kiosk ist aber schon der uralte Kampf von Lust und Geiz im Gange. Bier und selbstgesprächiges Geschwätz vom Wir.
„Na und?“, fragt der Spatz und knabbert am Popcorn. 

Sie saugt am Eis und schaut hinaus. Unsere Blicke kreuzen sich und ziehen sich zurück in die Höflichkeit. 

Ich sah Hoffnung und Freude. So erinnert sich das Alter. Sah sie das Märchen, dessen Versprechen uns in diese Zukunft trug? Und wenn sie einst mit ihrem Kind in den Vergnügungspark geht, werden da rot – gelb gestrichene Rohre der Erinnerung den Jux absperren? 

Es rasselt. Die Gondel wartet. 

Welche Farbe wohl ihre Haare hatten? 

21.5.20

17.5.20

Geiger über Didion

"Insgesamt finde ich das Buch schwach. Hier schreibt jemand, der ein Leben lang privilegiert war und nicht begreifen kann, dass er diesmal nicht privilegiert ist. Ich gebe gerne zu, dass man grob verallgemeinert wird in der Erfahrung des Todes. Aber deshalb liest und schreibt der Mensch, damit er nicht ständig jäh erschrickt."

Volltext 1 2020

Seltsam wenig Mitgefühl. Nach dem alten König hätte ich mehr erwartet. Zu seinen sonstigen Buchbesprechungen kann ich wenig sagen. Bei Handke stimme ich zu. Mit Karl Kraus würde ich mich nicht anlegen.

Zu Didion, was schreibt er da? Das tut weh! Ihr ist jemand gestorben, den sie liebte. Und noch jemand. Was soll in diesem Zustand die Erwähnung von Privileg?!

Ich habe die "blauen Stunden" gelesen. Da ist Trauer und Abgrund. Was hat das Wichtigtun der Sehnsucht an solchem Ort verloren? Das ist vorbei. Da ist ein anderer Raum als ein Erzählcafe oder ein Lappen von Roman.

In dieser Lage ist nichts von Suche nach Privileg! Da ist Verlust und Schmerz von anderem Schmerz. Im Verlust bist Du gleich wie nur noch im Gelächter aus den Türen der Versorgungsstation. Da gilt kein alter König, kein Literaturpreis.

Im betreuten Wohnen weint so manche/r um geschwundene Wichtigkeit. Im Verlust aber erheben sich wieder die tausend Stimmen der Menschen. Von der trockenen Sachlichkeit bis zum fetten Pathos. Das sind keine Looser-Geschichten. Da nimmt der Verlust sich seinen Abgrund. Und eigentlich muss die literarische Kritik vor dem Totengesang - schweigen.

Die blauen Stunden der Didion. Für Mutige zu empfehlen. Wer will schon in einen Abgrund folgen? Das Pfeifen in der Angst ist aber nicht das geeignete Mittel, von solcher Begegnung zu berichten.

Im übrigen lese und schreibe ich -wie viele- nicht, um nicht zu erschrecken, sondern weil ein Wort vorbeifliegt.

Präzisierung:

Es geht darum, mit Menschen zu reden.

Wie jemand den Garten bereitet, warum soll man die Unterschiede nicht aufzeigen.

Aber wie jemand an seinem Grab weint oder lacht?

6.5.20

Die Straße

Die Straße gehört den Bürgern, der Platz ist öffentlich!
Die Angst bläst die Wichtigkeit auf mit Verantwortung.
Ein Alp legt sich auf meine Brust. 

Die Straße wird zum Hofgang, der Platz gesperrt!
Die Angst bläst die Wichtigkeit auf mir Verantwortung.
Der Gedanke stirbt unter hektischen Anordnungen. 

Abstand! Abstand! Hier kommt wichtig!

Endlich Moral! Endlich wieder das Maul im Holster.
Mach Platz! Und Abstand, Abstand und Ruhe!
Mit einem kaum hörbaren Knacks zerbricht die Freiheit.

Die Erleichterung holt neues Klopapier ein.
Auf mit der Maske! Raus in den Abstand!
Spürst Du wie die Verantwortung quillt? 

Help! My independence seems to vanish in the hate?

Im Mai 20