Birds 2013

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13.8.23

La Rochefoucauld

 

La Rochefoucauld, Maximen und Reflexionen

 

Wie ich sehe, fühlte auch Goethe sich bemüßigt. Ich bin zu alt, mir den Oberlehrer noch einmal zu Gemüte zu führen. Aber den Nachdenker, dessen Interesse zum Selbstdenken verführt, gebe ich jetzt zum öffentlichen Bücherschrank, nicht ohne fünf der Reflexionen noch einmal sachgerechten Beifall zu spenden.-

 

·       Nr. 271: Jugend ist unaufhörliche Besoffenheit, Entwicklungsfieber der Vernunft. (Durch Forschung bestätigt, was zur Frage führt: kann man ihr Regierung anvertrauen?)

·       Nr.149: Lob ablehnen, heißt nochmal gelobt werden wollen.

·       Nr. 39: Eigennutz spricht alle Sprachen, selbst die der Uneigennützigkeit.

·       Nr.192: Wenn die Laster uns verlassen, schmeicheln wir uns, wir hätten das getan.

·       Nr. 45: Die Launen des Gefühls sind schlimmer als die des Schicksals

 

ü  Reflexion 504 über die Heuchelei der Todesverachtung

 

Mich frappiert der Vergleich des Muts gegen den Tod mit der Situation von Personen, die im Feld beschossen werden:

 

Die Hecke erscheint ihnen aus der Entfernung als geeignete Deckung. Beim Nähern zeigt sich der Mut aber als Folge von Selbsttäuschung....

 

Die Verachtung der besonders Verehrten für den Tod ist nach R so von der Hoffnung auf Nachruhm getrübt, die Missachtung des Todes bei den Missachteten habe solchen Aufwand nicht nötig: ihnen genüge es, auch da nicht so genau hinzuschauen.

 

Die Veröffentlichung erfolgte mit 65, er starb zwei Jahre später 1680.

 

Das Buch geht in den Schrank. Viel Spass beim Selbstdenken!

 

Der Schriftsteller X ist tot. Gegen den Schluss hin, machte er noch ziemlich Wesen um Unsterblichkeit. Wir sehen das Verkohlen seines Ruhms unter dem Ehrgeiz derer, die besonders von Verehrung glühen. Man erinnert sich allgemein wohl noch an ein gewisses literarisch geschwätzigen Na-Ja.

 

Aber möge ihm das Andenken der Angehörigen bleiben! Das scheint mir von längerer Dauer, weil mit weiterer zeitlicher Entfernung sich die Ruhmsucht von Nachkommen einen Mythos strickt.

 

*

 

Früher war Geschirrspülen eine lästige Angelegenheit, die mich in meinen wichtigen Plänen und Gedanken störte. Heute, wo die Zeit nicht mehr treibt, gerade weil sie kürzer und die Vergangenheit länger als die Zukunft ist - Gedächtnislücken stellen das Gleichgewicht wieder her -, heute schaue ich mir bei der Gelegenheit an, was ich tue, folge neuen und alten Gedanken vor allem aus Erinnerungen. Ich hole eine, zwei, drei, sechs Gabeln aus dem Besteckkorb, fühle die Festigkeit und Restwärme des Metalls. Wie klang das Klappern der Löffel den jüngeren Ohren? Die Geräusche der Kinder, noch früher der Mutter?

 

Ich sehe zum Fenster unserer verschiedenen Küchen hinaus: rechts das schräge grüne Dreieck zum gefürchteten Nachbarn, die graue Wand des Nebenhauses in Neustadt (nur eine Person könnte mich berichtigen), das einzige Fenster auf die Straße zum Festplatz in Alzey, das Brummen der Heizung, den Ölgeruch, und der fensterlose Blick auf die Küchenwand im Neubau, der Blick auf den Garagenhof der persönlicheren Wohnung , der auf die putzigen Nachbarhäuser im Neubauviertel unten, dahinter die geahnten Hügel Rheinhessens, und jetzt über die Rasenfläche zu den anderen Alterssitzen.

 

Natürlich hat das Leben wie einen Anfang und die Freiheit dazwischen auch ein Ende. Noch sind wir in der Freiheit, mag sie auch enger werden. Noch ist, was einst gewesen sein wird.

 

"Tod, wo ist Dein Stachel?" Weiß der Teufel! Noch merke ich nichts. Die Hecke scheint sicher. Und hundert Spatzen pfeifen ein verlockendes Lied.

 

Kurz: Löffelchen ins Fach, Schublade zu und hinein in den nächsten Morgen. Es dauert…

 

Es ist mit dem Tod wie mit der Beihilfe: er lässt auf sich warten. Vorteil: Offline. Man muss nichts mehr nachreichen.

13.08.2023 Klaus Wachowski