Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

28.1.19

Das Interview

Der Interviewer  bietet höflich einen Stuhl an. Dr. Smirc läßt sich erschöpft fallen. Cafe Brot-Team ist nicht gerade die angesagte Adresse in diesem Kaff. "Interview? Okay, was wollen Sie wissen?"

Der Interviewer: "Sie wissen, daß ich in hohem Bogen geflogen bin und meine Karriere als Reporter den Bach runter geht. Welche Zukunft würden Sie als ausgefuchster Feuilletontester mir empfehlen?"

Smirc beißt in die Betschgräbler Dampfnudel. Nicht schlecht. Aber eine Meringue mit Sahne hätte er vorgezogen. Nach einer langen Denkpause :"Jussif bewirbt sich gerade mit viel Energie um eine Anstellung in der Lagerlogistik. Ich überlege gerade, was er wohl antworten würde."

Der Interviewer :"Ja, es gibt viel Stress in der Welt. Aber ich habe meinen Ruf verloren. Der Vogel ist abgestürzt und die Hyänen hecheln. Was soll das noch:"Leben"? "

Faisal, ein Poet und Boxer aus dem Land der Gefängnisse holt seinen Marc Aurel aus der Tasche und liest, etwas stolpernd vor: " laß die Einbildung schwinden und es schwindet der Schmerz über das Böse, das man Dir getan hat." Vergiss, was Du warst und was Du getan und deshalb erlitten hast. Sieh in Dein Ich und das Jetzt an!

Der Interviewer: " Wer hat Dich um eine Meinung gebeten? Du kannst froh sein, daß wir Dich hier aufgenommen haben! "

Dr. Warnix, Psychagog und arbeitsloser Bademattenjustierer, mischt sich ein: "Stop, wir sind hier nicht am Stammtisch, sondern in einer ernsthaften Runde vom Artikel 1!"

Der Interviewer entschuldigt sich mit rotem Kopf. Das wollte er wirklich nicht. Aber die Entwertung durch die netten Kollegen von der Moral hat ihn überempfindlich gemacht.
Faisal nimmt die Entschuldigung an.

Ein Adler fliegt am Fenster vorbei. Die Sehnsucht eines ums Leben betrogenen Kindes,  Sohn einer Mutter.

Dr. Smirc weiß keinen Rat,  Faisal und Warnix wissen keinen Trost. Ein grüner Berg leuchtet über dunklem Tal. Und gnadenlos schneidet die Sichel.

Ja, das Leben ist Liebe, Lust und Verlust.  Aber auch wenn nur Erinnerung ist, so ist doch Erinnerung.

Dr. Smirc gibt dem Interviewer die Hand. Er denkt an den kleinen Massei-Jungen, der den Stock nimmt und den Sprung über den Stein versucht. Morgen geht er den Weg in die Stadt und kauft ein neues Heft und Bonbons. 

Stühlerücken am Nebentisch. Auch die Kikuju-Väter haben ihren Plausch beendet und fahren zurück in die Einrichtung.

Wieviele Hoffnungen stürzen ab, wievielte Leben enden zu früh?! Bilde Dir nicht zuviel ein auf Deinen Schmerz.

Ja, es ist wirklicher Schmerz. War denn dein Glück höher, wertvoller als das jener? Grüner Berg und dunkles Tal.

Der Stein, über den zu fallen ist, liegt bereit. Lasst uns den Weg gehen und nicht zu sehr voneinander weg sehen.

Dies hier ist das Glück und der Schmerz.
Dies hier ist das, Dein Leben.
Und der Vater schneidet dem Jungen eine Locke ab, steckt sie in eine Streichholzschachtel, lange winkend aus dem Fenster nach Plötzensee.
Schwarz sind die Wellen vor der Küste des kalten Erdteils.
Fahre mit Gott, sorgenvolle Mutter!

Dr. Warnix, Psychagog und erfolgloser Witzeerzähler, lächelt etwas verkniffen. Er denkt an den Song des jungen Cohen like a bird on a wire. Wie jung wir waren! Und dann das Licht sprühende Glück, die Sehnsucht und Sorge der Liebe, ein Grab.
Jetzt ist es kühler geworden um Schönheit und Angst.

Wer will hören, was alte Leute sagen?
Die ganz jungen.
Und auch das lohnt Sehnsucht.

23.1.19

An die Jugend

Karlsruhe 3.1. 2019

Laß die Einbildung schwinden,  und es schwindet die Klage, daß man dir Böses getan hat. Mit der Unterdrückung der Klage: "Man hat mir Böses getan" ist das Böse selbst unterdrückt.

Liebe Frau X,

Sie haben sich zu Recht geärgert, daß ein Patient erst kurz vor Dienstschluß vorbeikommt, nachdem er schon den ganzen Morgen wußte, daß er eine .... hat. Die Schmerzen sind ja nicht zu leugnen.

Ich habe mich zu Recht geärgert, daß Sie mich das spüren ließen.

"Auch noch so ein Privatpatient", haben Sie wohl gedacht.

Ich gebe Ihnen keinen Rat. Irgendwann läßt sich auch die Begegnung mit einem anderen "Dienstleister" z.B. im Altersheim für Senioren nicht mehr vermeiden. Sich beKlagen ist da mit wenig Erfolg und viel Verlust an Energie verbunden.

Auch Sie werden so einiges Entwürdigendes erleben oder gar erlebt haben. Denken Sie dann an zurück. Das ist die beste Möglichkeit, achtungsvolles Handeln als Maxime anzunehmen: Erfahrung. Manchmal ist sie lästig, manchmal tut es weh.

Ich wünsche Ihnen nichts davon. Es wird Ihnen wegen der problematischen Beschaffenheit des Menschen  ohnedies nicht erspart bleiben.

Dann werden auch Sie Ü 60 sein.

Mit freundlichen Grüßen Klaus Wachowski

31.12.18

ins neue Jahr


Vom Fest erschöpft ins neue Jahr,
wohin nur flohen die Gedanken?
Was auf mich zukommt,
ist es der Frühling oder doch das Nichts?
Auch Leben läßt weinen,
auch Abschied.
*
Werden Erinnerungen strahlend, düster mich beladen?
Wird mehr von der Erde weg getragen?
Ich lausche hinaus in die Nacht,
ich verstehe nicht.

Der Mond leuchtet Träume,
türmt Wasser auf aus der See.
Und in den Regenbogen
fallen Fragen über  Fragen.
*
Doch schau: im Tweed
das Lügenmaul poppt auf.
Mach aus,
und laß uns lachen, leben!

8.12.18

Bodybuilding im Seniorenstall

Bodybuilding im Seniorenstall
Muskel und Falte, ganz der Alte.

3.12.18

Von Ruinen

Der alte Gork

Wer ihn so nannte? Keine Ahnung. Es kommt wahrscheinlich von Gorki. Schwarz wie je gekleidet, weiß die Haare. Ich schätze ihn auf 75 bis 80.

Eine Weltanschauungsruine, denkt der Pharisäer in mir. Dr. Smirc meint, Gott-sei-Dank habe das Schicksal uns von so einer Entwicklung verschont.

Die Kleidung ist vom Feinen. Sicher nicht Boss, das wäre für einen alten Kommunisten doch zu stark. Aber eben oberes Segment. Irgendwie seriös muß es schon aussehen. Die Umhängetasche längst kein Dritte-Welt-Sack mit Che-Druck, auf der Mütze kein verräterischer roter Stern mehr. Das überlässt er den Verrätern, die mit solchen Flausen Witzigkeit machen. In seine Tasche ist ein schlankes K mit Akzent eingelassen, unaufdringlicher Hinweis zur Wiedererkennung unter Freunden. Falls vorhanden.

Die Freundin ist jedenfalls schon 30 Jahre weg. Als die Zeit von Begeisterung in erbitterte Hoffnung übergegangen war, hatte man sich zusammengezogen. Eine kleine von gesellschaftlicher Arbeit und Selbstgedrehten gebeizte Wohnung, getaktet durch rasches Frühstück, Schreiben von Hymnen der Empörung, Kaffee, Rotwein, späten, schnellen Sex. Keine kleinbürgerlich-therapuetisches Beziehungsgeschwätz. Die Arbeitsaufteilung in Haushalts- und Parteidingen war lautlos, rasch und reibungslos erfolgt. Man lebte ins Graue hinein, während das Licht am Ende des Tunnels immer dünner wurde. Es erlosch mit dem Knall des Mauerbrechens.

Er war auf der Schiene, rollte weiter, mochten auch alle anderen den oder jenen Verrat begehen. Die Zeit war noch nicht reif. Man musste eben ein paar Jahrzehnte länger warten. Die Frau ging. Ihr war es zu wenig Leben. Eine Utopie ohne frohe Hoffnung?  Zu trockener Zwieback ohne Ausblick auf irgendwas. Brüdergemeinde ohne Bruder, Knast der Moral. Dann lieber Wirklichkeit mit Menschen.

Ein in die Zukunft geschossener Pfeil, der in der Gegenwart hängen blieb und nun in die Ewigkeit fällt. Dr. Warnix fragt, vor welchem Bild denn so ein priesterlicher Kader kniee und welches Gebet ihn im Griff  habe. Ob da nicht Eso locke und Guru?

Nein: dies bleibt. Auf dem Weg zurück in die unorganisierte Materie beschäftigen ihn zerfallene Vorstellungen, spürt er aber Alter und spätes Alter nicht. Bei Exit vorsorglich schon gemeldet.

Er konnte sich aus moralischen Gründen der Liebe nicht öffnen. Der Kampf zwischen Liebe und Verantwortlichkeit blieb ihm erspart. Egoistisch mußte er nicht werden, hatte die Ethik doch alles eigene, kleinbürgerliche aufgesaugt. Das graue Leben schreckte nicht, das laute, bunte störte eher, als ihn zu verlocken. Dem Begehren ließ sich problemlos manuell oder in Euro abhelfen. Einsamkeit? Was war das?

Ein dürrer Strauch steht am Wiesenrand. Die Wurzeln sind eingetrocknet, warten auf das Ansteigen des Grundwassers der Wut. Doch die Stadt saugt es ab, lebt ihr gieriges Leben. Und die Menschen in ihr treiben Liebe, Ego, frommes, gutes und ungutes Werk.

Zeig mir Dein schönes Bild von der Welt! Auch ich malte, malte. Die Liebe machte mich zum Verräter. Nun kann ich hinter Gesichtern keine Ikonen mehr erkennen. Es ist alles so ungeheuer kompliziert geworden. Und dann kam noch die dritte Dimension hinzu...

Solche Leute wie ich waren mir damals als fern der Linie des richtigen Denkens verhasst. Einer rief mir zu "eiskalter Intellektueller!" - und ich war stolz. Jetzt sehe ich mich, äh Dich hier stehen, der grauen Fahne treu ohne zu wissen, warum. Gehend aus der kalten Wut in das in Gleichheit aller sich öffnende Vergessen.

Ich wünschte Dir zumindest eine trauernde Umarmung und den Schmerz des Abschieds.  Was wäre das Leben denn gewesen ohne Liebe? Aber ich fürchte,dass dieses Glühen sich im Stolz der klüger analysierten Theorie verborgen hält bis zum letzten Zisch.

Dr. Warnix, Psychagog und tropfenfreie Adventskerze meint, das sei mal wieder so ein typisch pathetischer Lappen Moral smircscher Larmoyanz. Unter dem Vorwand des Mitleids Verachtung spritzen! Ja, ja. Aber man müsse doch auch dem Ikoniker von Weltanschauung ehrliches Bemühen einräumen. Und ob das Leben in der Verantwortung so trocken sei wie das im Ego ausgelutschte faul, müsse jeder doch wohl selbst für sich entscheiden.

"Typisch Abwiegler". Smirc schüttelt sich wie vor Ekel. Das Leben habe uns doch unter Millionen verpassten seminatorischen Gelegenheiten wohl nicht dazu hervor gelassen, daß wir unsere Mitgeborenen mit Plänen des Heils als Nutztiere durch die Gegenwart ritten. Wir seien dazu da, die Augen eben zuerst für sie zu öffnen und dann für die Klugheiten über sie.

Gott in Gestalt des Hansl Pfefferle ruft zum Frieden und ins Haus. Es ist angerichtet. Heute gibt es irgendwas von vegan. Einmal müsse man doch auch selber schmecken! Der alte Gork lacht. So einer ist ihm noch nicht unter gekommen. Aber er spendiert vom 68er Bambusschnaps. Na, also...

26.11.18

Was wir liebten

Es sang ein klein wild Vögelein. 

Ich "entsorge" einige Bilder. Die Blumen meiner Frühlingswiese sind verblüht.

Ich weiß nicht, was mir außer dem Anblick manches Menschen mehr Freude bereitet. Die eine oder andere Skizze von Virginia Woolf, Jean Paul pp, das eine oder andere Lied. 

Aber die Zeit zeigt mir anderen Raum. Zeit der Klärung, der Dunkelheit und Kälte. Das Land liegt wartend auf Schnee. 

Noch ist der Boden warm. Zeit der dunkleren Träume. Ob schon die Zeit der Rückkehr kommt? Die Auflösung?

Unsere Atome kehren zurück in das Herz der dunklen Materie. Staub in Staub sich mischend, leuchtend, schwebend. 

Es war eine Blüte im Frühling. Meine Aufmerksamkeit hat sie welken gesehen. Zeit, die Überwinterung zu sichern. Zeit, zu warten.

23.11.18

Resignieren

Er hat sich vom Senior zum Resigneur entwickelt