Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

12.2.20

Erinnerungen im Dada


Erinnerung an Freunde

„Der liebe Gott hat euch alle gern! – Wisst Ihr: Ich war zehn Jahre bei ihm. Jetzt komm ich ab und zu zu ihm und schau mir seine Kirche an. Ihr habt Gott gern, er hat Euch gern. Ha,ha,ha!“
Was glaubt er zu wissen? Auch ich glaubte zu wissen von Liebe und Freundschaft. Und ich muss sagen: was ich da schrieb war nicht schlecht. Besser als Schopenhauer, der zugibt, davon nichts zu verstehen und erst recht als Nietzsche, der darauf spitzte, Schopenhauer zu überwinden und seine Flächengedanken mit poetischen Worten auszumalen, Tapetenphilosophie. Aber was war an den Gedanken so bedeutsam? Es half mir, aber wer liebte brauchte andere Hilfe und wer sich sehnte anderen Spiegel. Heue erkläre und beschreibe ich nicht mehr Liebe. Ich lasse mich von ihrem tragen oder von der Sehnsucht nach ihr ziehen. Was nicht heißt, dass ich meinen Verstand verliere. Eine Garantie, ihn zu behalten, glaube ich aber auch nicht mehr. Heute fühle ich mich in der Mitte des Lebens. Wie immer einmal wieder in unverhofften Momenten. Ich brauche keine Weisheiten mehr. Ich versuche, Gedanken zu teilen. Ob der liebe Gott mich also gern hat, hahaha, das lass mal unsere Sorge sein. Und unser Gespräch. 

Äber lasst mich ein wenig durch einige Sätze Dada hüpfen und danach sehen, was meine Erinnerungen machen. 

***

Die Volksbefrager, die aus Bürgern wieder Massen und Volk machen. Mit Familienwerten aus grimmigen Bärten auf der ehrenamtlichen Krötenwanderung zu den Strebergärten der Trumpiden von Hool. In der Bowlingbahn zwischen Erotikbar und Königreichssaal zieht man ein neues Smoothical auf. Achtsamkeit guckt auf ein tibetisches Lama.
***

Ein Sturm war und ich dachte an meine verstorbenen Freunde.

Vor 10,5 Jahren starb X mein 10 Jahre älterer Freund, der für seine humanistische Haltung gefoltert und vertrieben worden war. Bei seiner Heimkehr war kein Platz mehr für den verdienten Architekten. Hier in der Fremde aber hatte er gute Aufnahme gefunden, blieb fremd. Ach, ich konnte Deine Freundschaft nicht ausfüllen, ja ich flüchtete vor ihren Hoffnungen. Ich habe Dich tief enttäuscht. Zehn Jahre älter. Ein Mentor in Sachen Treue, dem ich entfliehen musste...

Heute wäre er etwa 80. Lebenslanges Lernen? Nein! Im Alter geht es eher um den Kampf gegen das Vergessen und später um die Akzeptanz der Tatsache des Vergessens. Nicht mehr lernen, mehr erfahren..

Ich bin jetzt drei Monate älter als Du geworden bist. Ich denke mit Schmerz an Deine Hoffnungen, die  sich so oft in Enttäuschung wendeten.

Richard, vor 14 und einem halben Jahr hörte ich vom Tod eines Freundes und Lehrers, mutig gegen die Mächtigen. Ich danke Dir für die Erfahrung eines Zorns gegen das Unrecht, als das Kuschen noch angesagt war. Die Pegiden vom Trump, die Typen vom heruntergekommenen Stammtisch? Auch das war der Feind. Sie kuschten noch, wo sie jetzt brüllen. Im Eiscafe vom leche, komm, noch eine Zigarette. Rauchen war okay. Du 63, ich 54, verstand ich noch nichts von Alter! Nicht, dass ich heute mehr davon verstünde. Der Körper tuts. Aber auch Dir war klar: "wie kann man zu wissen glauben?!" Nur: was Du in Erfüllung Deines Temperaments erfahren hattest, gab Deinem Wort Bedeutung. Es war durchgekämpft, durchlebt, durchfreut und immer wieder enttäuscht. Von den Dekonstrukivisten bis Schopenhauer und Christus. Dr. Smirc hätte  wahre Freude an Dir gehabt.

Was gab es zu berichten, zu diskutieren, dem Hofberichter vom regionalen Schwatzblatt an den Kopf zu werfen unter Zornesblick auf die regierende politisch-narzisstische Provinzgröße, die sich peinlich berührt in ihrem schwarzen BMW oder im weißen Benz vom Volk machte. Der Manager als Sozialdemokrat…

Und während ich dies schreibe setzt sich ein älteres Ehepaar an den Nebentisch. Plötzlich sind wir bei Schopenhauer, Marc Aurel, Arendt. Wie kommt das?! Jahre im Desinteresse!
Wie ich Dich vermisse! Die Akademie im Café leche, der italienische Weltenfreund vom hoffenden Streben unter der Begeisterung, bringt frischen Wind ins Fragen. 

M, an Sehnsucht leidender, tapferer Mann, ein Jahr später als Richard plötzlich aus dem Leben geholt, noch nicht 60. Du warst gestraft mit gebrochener Liebe und schmerzenden Knochen. 68 bist Du in Paris auf eine Phalanx brutaler Polizisten zu gerannt, vom schreienden Haufen plötzlich allein gelassen. In Heidelberg habt Ihr die starren Genossen von der Diktatur des Proletariats mit witzigen Aktionen stolpern lassen. Und als Pfarrer bliebst Du den Arbeitern treu.

Wir kannten uns in der Männergruppe, den Menschen aktiv verbundener, treuer Genosse Jesu und der Gewerkschaft. Es war die Haltung zu den Menschen, was uns verband und stärkte.

Wie auch mit Dir P., und K. beide vor fast 13 Jahren verstorben. Auch Ihr fast 5 Jahre älter als ich, nach einem Leben voll Arbeit und Verantwortung. P. herzlich, Du ,K., still.

Auch P. mit Studentenerfahrung, sozialistisch, Sponti in alternativen Bauernbezügen. Die Freunde im Geist trafen einander zum Reden, zum Austausch über die politische und die gesellschaftliche  Entwicklung. Wie wirkte es sich auf die persönliche Situation aus? Was konnte man tun? Was konnte helfen?

K war ohne gewaltigen akademischen Hintergrund. Er schwankte im Politischen. Aber er stand hinter dem Menschen. Wenn wir über seinen Kopf hinweg die wichtigen Fragen diskutierten, war er öfter mürrisch. Aber er half, wenn es ans Tun ging. Wir betrachteten ihn mit Sorge. Bleibt er treu den Menschen? Oder wirft er hin, wird zum egoistischen Spießer, den Wohl und Leid des Nachbarn Mensch nicht mehr interessiert? Zum mürrischen Alten, der das leben als feuchten Wischlappen wegwirft und in einer sinnleeren Wüste auf das Ende wartet. 

Immer wieder zeigte er, wie grundlos und beschämend unser Mißtrauen war. Hätte er nicht verdient gehabt, noch eins, zwei Jahrzehnte sich an der Sportschau zu freuen wie wir uns an Wallander und irgeneinem Liebesknochen im Kino?

Es war eine gar nicht bemerkte Zeit, diese Jahre von 2005 bis 2009, in denen ich wichtige Freunde, Begleiter verlor. Am Ende war ich beruflich auf dem Höhepunkt meiner Wirkung, familiär gingen die Wichtigkeiten als Vater in die Aufweichung, die Selbstentwicklung des Rentners versprach einen neuen Frühling, den die Schauer der Wirklichkeit öfter in sibirische Straßen verwandeln, an das Verschwinden in den Orten des Alters der Unsichtbarkeit konnte ich nicht glauben. 

Jetzt erinnere ich mich. Ja, Erinnerung, dafür kann man sich nichts kaufen. Aber ich genieße sie. Und wo sie das Böse und Böhse heran bringt, schütte ich es in den Alz-Eimer.

All meine noch lebenden Freunde, Nachbarn, Mitbürger, die Ihr auch mal wagt, zu „sinnieren“, wie es ein sympathischer Verstorbener mir gegenüber einmal bezeichnete, lasst uns auch der guten Menschen gedenken, die wir einmal nicht nur kannten, sondern erfuhren.

Klaus Wachowski  12.2.2020

4.2.20

Zwei Alte

Ich kann sie mir nicht erklären. Sie kommen ins Café, wo eine ganze Gesellschaft vom Baby - SUV sich über gewaltige Pläne und natürlich auch über Erfolg austauscht und die krähenden Fürstenkinder wiegt, päppelt, pampert.

Wer sieht die beiden trockenen Alten? Ihre Wichtigkeit? Wen interessiert es? Aber auch sie starren mit den Blicken vom Seniorentisch an den Jungen und an uns noch nicht ganz so alten, die wir noch geschäftig tun, vorbei, durch die graue oder blaue Landschaft aus Hochhäusern und Himmelsausschnitten hindurch.

Unglücklich sehen sie nicht aus. Glücklich auch nicht. Kein schwerer Ernst liegt auf ihren Gesichtern, ein wartendes, auf nichts wartendes Ich.

Unbemerkt haben sie ihren Kaffee getrunken. Ohne ein Wort sitzen sie und sehen geradeaus. Ist sie es, deren Stimme ohne besondere Betonung sagt: "Ich halte es nicht mehr aus."

Ich schaue hinüber. Kann nicht sein: sie schauen weiter ohne ein Wort hinaus. Jetzt ziehen sie ihre unscheinbaren, seriösen Anoraks an, ziehen die lautlosen Reißverschlüsse hoch und gehen.

Von der Kindergesellschaft sind noch zwei Elternpaare da.

Wenn ich Glück habe, so sagt man mir, komme ich auch in diese Zeit hin.

Dr. Warnix, Psychagog und versierter Pamperone, kommt mir zu Hilfe: "Laß das mal ihre Sorge sein! Für mich sieht es nach einem Aufbruch aus. Eine Wanderung vielleicht, ein Besuch."

Ich denke, im Anfang war wohl das Wort, Freude und Sehnsucht. Was sie wohl denken? Sie gehen eigenen Weg.

3.2.20

P.S.:

"Aktiv bis ins hohe Alter." Wahrheiten aus der Wichtigkeit. Ein Sonderangebot Standardäpfel, nicht weniger schmackhaft als die verwurmte Natur der Philosophie.

Wenn ich mir so beim Betrachten zusehe, muss ich an das Bild des Fürsten denken, der sich im Sterben einen Spiegel vor das Gesicht halten ließ. Den Moment des Todes erkennen wollen... Irr!

Ich nehme mir vor, das Leben nicht zu betrügen.

Ich mache Gymnastik gegen Verschleiß, ich gehe unter Menschen, die gerne mit uns reden, ich lasse den hohen Geist daheim in der Stube, um die Freude am Leben nicht zu verlieren (er muss mir das Dumpfe in Schach halten). Ich bringe das Leben nicht hinter mich, sondern nehme es mit bis zum Abgabetermin. SGw. Die Herren Doktoren Smirc und Warnix, Psychagog und  Moralschnarch, mögen mitkommen, wie auch meine Liebsten und Befreundetsten. Dann den Spiegel am nächsten Polterabend zerbrechen..



  

19.1.20

Die Birke


Die Birke

Ich schaue nach Westen zu den Bergen. Im Osten geht die Sonne auf. Also lassen sich die Lichter in Bäumen und Sträuchern erkennen, wenn Du nach Westen siehst. Auch komme ich von dort.

Ich bin keiner von denen, die sich an alles in ihrer Kindheit erinnern. Da ist viel Nichts. Aber ich war Kind und erlebte auch Freude, Sehnsucht, das wunderbare im Leben. Ja, vielleicht heißt meine Heimat Sehnsucht.

Ich sah die Berge. Vermutlich deshalb berühren mich die Worte des Palma besonders: " Ich sehe auf zu den Bergen. Von wo kommt mir Hilfe? "

Im Zimmer riecht es nach der Hyazinthe. Sie war billig, riecht wie Hyazinthe. 

Aber zurück an diesen Ort. Eine Birke in drei Stämmen richtet sich auf in das Blau, voll von orange beleuchteten Wolken. Die Meisen probieren neue Melodien aus. Ein Tag Frühling im Januar.

Die Zigarre schmeckt nicht, aber der Rauch steigt als ein blauer Schleier auf. Ich denke an Dich, sehe Dein Gesicht, höre Deine Stimme. Ich spüre wieder etwas vom Zusammensein, sinke in das Gefühl. Wir sehen hinaus hinter die Birke, hinter die Mauer, zu den Bergen, hören die Vögel zwitschern. Einige Sekunden aus der Ewigkeit.

Dann schickst Du mich wieder weg, brauchst Alleinsein.

Ich sehe nach Osten auf die Inschrift im Schatten.

Bis dann!       
19.1.20     Klaus Wachowski

11.1.20

Deal

Was dieser komische Kerl war? 

Der war mal der Mächtigste!

Als die Zeiten kamen, dass die Leute wieder den Dicken vom Schulhof nachrannten - sie waren alt und vom Leben enttäuscht - wurde der da mit der Squirrel-Frisur zum mächtigsten Mann der Welt gewählt. 

Als seine gewaltigste Tat stellte sich dann das Ausbrechen des ersten Buchstabens des Ideals heraus. Er hatte aber entgegen späteren Vermutungen das I nicht vernichtet, sondern es nur hinter seinem bekannten aufgeblasenen We versteckt. Wenn Du genau hinsiehst, kannst Du es dahinter in einem roten Fellbüschel hervorragen sehen. Was blieb war Deal und We.

Die Welt wäre damals fast untergegangen. Als die Menschen dann aber in das We bissen, merkten sie recht schnell den Plastikteig hinter der krossen Schale. Sie wendeten sich dann schöneren Versprechungen zu. Und so ist die Welt noch erhalten. Grau und bunt wie je. Und auch wir müssen leben, so gut wie es geht. 

11.1.2040  

8.12.19

LED

In den warmen Farben aus Peter Altenbergs Skizze "Pfingsten" gehe ich hinaus. Schade, dass sie James Joyce und nicht Virginia Woolf gewählt haben. Ein pubertierendes Texten gegen einen Gesang aus dem Leben. Aber sie ist noch. Ich erinnere mich an den Bach mit Blütenwiese, an dunkles Erinnern und Longing. 

Der Regen hat aufgehört. Die polnische Freundin des Sohnes ist 800 km durch die Nacht gefahren, um der Mutter einen Nikolaus zu schenken. Natürlich gibt es auch noch anderes zu erledigen. Aber die Lichter des LED, welche prachtvoller über der Plastikweihnacht glänzen als der Farbenring um die blonden Haare einer Maria, sie stimmen froh, auch beim Umbetten. 

An der Wand das jahrzehntealte Bild eines Segelschiffs. Er war Matrose. Der Alte denkt an ein Schnitzel von vor 40 Jahren. An die Kraft, mit der er die Haustür in die Angeln wuchtete. Dann das Kaschieren des Risses aus dem Baufehler. Die Ansichtskarte von Hassan aus Izmir. Ein Freund, das kann man schon sagen. Das Meer, auch so eine Erinnerung. 

Aber in Wirklichkeit liebte er den Wingert. Die regennassen, vom Letten schweren Stiefel. Die klammen Finger, den Schnitt in den Zweig, genau an dieser Stelle. Das Bullern des Traktors, und auch den süßen Geruch von E 605. 

Arbeit. Das hatte auch Sinn und Berührung.  Aber was wäre es ohne die Liebe gewesen? Ohne das Teilen von Haus und Arbeit und den Gang hinaus in den Abend, die Kontrolle des Hoftors. Ohne das Gespräch über die kleinen Erfolge und Missgeschicke des Heute und die vorsichtigen Hoffnungen an das Morgen? Gehorsam dreht er sich auf die Seite. 
Als sie gegangen ist, dreht er sich wieder weg vom Fernseher. Er braucht das nicht. Die eigenen Erinnerungen aus den dunklen und feuchten Blättern unter den Terminen eines der Hilfe bedürfenden Lebens sind schöner. 

Wir aber trinken noch den Glühwein, von dem wir morgen nichts mehr wissen. Wir lachen und schimpfen noch wichtig in die Wichtigkeit.  Aber auch uns erwärmen schon Erinnerungen an kältere Zeiten, Schatten von Menschen, verlorene Gespräche. Hoffnung der Zuneigung. Die Liebe, die Kinder in der Ferne, Glück des Moments. 

Eine quirlige Frau geht an unserem Tisch vorbei. Spricht sie mit dem kratzbärtigen jungen Mann russisch oder doch polnisch? Die Augen glitzern. Morgen wird sie schon in der Nähe von Dresden sein. 

So toll ist der Weihnachtsmarkt auch nicht. Aber wenn der Pfleger hinaus gegangen ist, wird es aus der Erinnerung leuchten. So etwas zwischen Heiligenschein und LED. 

7.12.19

6.12.19

Dr. Smirc sucht den Weg zu sich selbst

Dr. Smirc: "Ich hab da noch was. Die Vorgehensweise dieses Künstlers kommt mir vor als eine Art Klischierung. Er geht an einem schönen Panorama vorbei, wirft seine mit feuchtem Kalk bestrichene Decke drüber und macht schließlich davon einen Abdruck. Die Vertiefungen füllt er dann mit Betonwülsten aus Wortnudeln seines Gefühlslebens aus  und präsentiert das als Premiumsegment der höheren Einsamkeit."

"Aber Du machst es besser? Du zapfst Blut aus dem Tag und läßt es in Deinen Borschtsch-Kübeln Blasen werfen. Auch nicht nach jedem Geschmack!"

Dr. Warnix, Psychagog und Impulsharmoniker vom Preiskommitee , ist genervt. Schon Wochen hört er nichts mehr als Handke, Handke. "Man kann einen Menschen auch zum Teufel machen! Du hast Dich so in das Ding vertieft, dass ich Dir da wohl heraus und zu Dir helfen muss. Betonwülste sind schließlich inertes Material, das nach ein paar Jahrzehnten biologisch abgebaut ist. Nach den anderen Preisen war das Werk ja schon begonnen: alle langweilten sich, wandten sich ab und wieder der Literatur zu und waren voll erstaunt, als der Mann plötzlich aus dem Archiv katapultiert wurde. Er hat seine Abfindung, finde Dich damit ab. Einer von vielen alten Narzißten. Was soll's?  Bosnien weiß, was es davon zu halten hat.

Komm und knutsch mal Dein inneres Kind ein Bißchen."

Klar: diesen Preis bekommen immer die falschen. Es gibt eben mindestens tausende die "genauso gut" sind. Smirc will sich aber diese Art Schicksal nochmal ansehen. Warum braucht H diese ergraute Darstellungsweise? Oder, warum erntet er bei geringster Begeisterung der Leserschaft umso mehr Lob für sein exotisches Langeweilen?

Auch da scheint zuerst ein Schmerz gewesen zu sein und dann die Flucht vor Berührung, Gefühl und Sensibilität überhaupt.  Geholfen hat ja auch das Erleben des von Hass triefenden Pathos der Nazis und der mit Gefühl protzenden Heuchelei der noch älteren Generationen. Das Klima der Versachlichung, der Destruktion und der Distanz  begünstigte natürlich auch das Interesse am kalten Glotzen einer ganzen Literatengeneration. Kann man H vorwerfen, dass ihn das Lob von Eliteresten und nach Größe im Rechthaben strebenden, verlorenen Klassendiven an diese Stelle am Trog der Lieratur geschwemmt hat? Einsamkeit als Privileg reklamieren, auch so ein Ding dieser Richtung.

Man sollte die geglückte Spekulation eines fleißigen Schreibers und Beschreibers nicht beneiden! Wäre man denn weniger neidisch gewesen, wenn einer von der eigenen, eher pathetischen Sorte belobigt worden wäre?

Dr. Smirc bemerkt, wie seine Aufmerksamkeit aus der Röhre herauskommt und sich vorsichtig umschaut. Erst eine angenehme Entspannung. Viel von der eigenen Welt und Umwelt kann er noch nicht erkennen. Aber er sieht wieder Menschen und er spürt, wie die Leber aus dem Whiskey zirpt. Noch eine Rillo und morgen wird wieder Leben voll da sein.

Eine verirrte Fliege summt im Raum der Preisverleihung. Da schwebt ein fernes Lachen oder Schimpfen wie von MRR oder TB in der Luft. Strindberg übernimmt die Wache. Gott kann beruhigt zurück kehren nach Srebrenica.



3.12.19

Weihnachten im Verlag

Ah, Weihnachten, gute Stimmung. Diesjahr besonders. In den Verlagen wird ausgeputzt.  Die Zugänge für die Jugend waren krass verstopft durch die allweihnachtliche Seniorenproduktion. Ein paar Regalecken läßt man für die Reste der alten Knaben von der Literaturpreispegide. Altersversorgung für fleißige Wortballer. Haben über die Jahre ordentlich geliefert. Jetzt ist Zeit für die Jugend. Auch sie hat das Recht, ihren Stuss hinaus zu bringen. 

"Mein Werk aber wird bleiben", meint der benobelte. Okay. Ich habe zwei Leser, er drei. Ob das genügt, um die Langeweile auch künftiger Generationen herum zu kommen? Wir seh'n uns im Nichts. 

Der Wind fächelt einen Hauch Glühwein vorbei. Ob sich auch ein Gedanke an jenen berühmt - wichtigen Friedrich Wilhelm August Schmidt darin findet? Wenn ja, war das nicht auch so ein Oniritt? Und wer ist der Denker dieses Gedankens? Schon vergessen? Wer denkt noch an den Denker? 

Ich denke, daß die Makulaturstöße der betreuten Literaten -mitsamt der Heiligenverehrung der sie voll Neid besingenden nicht zum Trog gekommenen Ruhmgefolgschaften- in den Deponien der diesjährigen Weihnachtsdeko mit eingeschimmelt werden. Und bleibt etwas erhalten, so bedaure ich die Künftigen nicht: wird mussten uns das alles jedes Jahr aufs neue anhören. Gelobt sei Gott für die Stille der Ewigkeit!

Es gibt Schlimmeres: zwei, denen ich Hilfe angeboten habe, haben gerne darauf verzichtet. Mein Narzißmus kommt schwer ins Schwanken. Die leichte Wut des Abgewiesenen schüttet meine Aufmerksamkeit zu für das, was der Tag so freigiebig spendiert. Ich verschaffe mir Platz durch einige bissige Bemerkungen über die Stammtische des aktuellen Literaturmarktes, die mit ihren Witzigkeiten von Vorgestern trumpsche Wellen erzeugen wollen und auch noch das letzte Interesse für das Wort zu Tode langweilen. 

Vielleicht ist auch das eine Erklärung für das Verstummen des alten Philip Roth, daß in den Verlagen einfach mal Platz für die Jungen gemacht werden musste. Ich und drei von dreihundert oder tausend Lesern des Handke lesen ihn noch gerne, wenn es einmal etwas gut geschriebenes sein soll. Aber wir wollen doch unseren Willen nicht auch noch künftigen Generationen aufs Sojabrot schmieren. Es gibt auch dort, ganz sicher, ausreichend eigenen Stuss. 

Man merkt: auch ich gehöre zu den alten Knackern. Gewiß und Gott sei Dank nicht zu denen von der warm gehaltenen Wichtigkeit. Aber auch ich meckere gerne, wenn die Tage dunkel werden und bedanke mich dann doch für geduldiges Zuhören. Das ermöglicht leichte Rückkehr zu Ich und Welt. Und freieres Schreiben. Danke! 
Klaus Wachowski  3.12.19