Ich gehe Brötchen holen auf dem Weg ins neue Jahr.
Die Sturmwarnung hat dafür gesorgt, daß ich wieder den Wind höre. Von vorne
links das blecherne Rufen einer Elster, jetzt links hinter mir. Von dort jetzt
auch das Krächzen eines Raben.
Das Klirren der Fahnen an die Masten, das
quietschende Zwitschern von zwei Meisen im Busch. Schon schwirren sie über mir
davon. Mit dem Wind, den davon eilenden Wolken, dem scharfen Licht der tief
stehenden Sonne wächst ein Gefühl von Trauer in mir. Es gibt keinen Anlass oder
Alles. Es ist kein richtiger Schmerz. Was ist schon richtig?
Früher bezog ich es auf Erlebnisse der
Vergangenheit, auf Schrecken von Beziehung, auf Not. Jetzt kommt mir der
Gedanke, es könnte auch eine Art Erholung der Seele sein. Angenommen, der seelische
Zustand sei auf eine Art Gleichgewicht, Gleichförmigkeit und Gleichmut
ausgerichtet, dann würde sie sich sicher genau so verhalten: nach den
Aufwerfungen der Hoffnungen, guten Vorsätze und Wünsche zu Weihnachten und
Neujahr müsste sie tief untertauchen in Enttäuschung und Bitterkeit, um sich
abzukühlen für ein erfolgreiches Weitergehen. So folgt der Anbetung der
Hoffnung ja auch der Carneval, die Verachtung des wirklichen Lebens.
Die zu hoch gespannte Saite muss nachjustiert
werden. Dass es da erst einmal zu tief gerät, liegt wohl in der Natur der
Sache. Ich habe mich dazu entschlossen, die Arbeit Gott und seinen Hormonen zu
überlassen und hoffe, dass das Material noch nicht ermüdet ist und reißt.
Inzwischen gibt der Widerspruch zu den vorherigen
und künftigen Hoffnungen der Vernunft Gelegenheit zu Humor, das Warten auf die
besseren Zeiten zu verkürzen.
Die Wolken reißen weiter auf, das Licht sticht
greller. Der Abend kommt, die Nacht.
Der Mond ist eine Scheibe. Die Augen trinken dunkle
Welt. Sie bleibt stehen.
Es fühlt sich an wie eine Frage.
War die Antwort nicht Ja?
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