Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

16.11.16

Spree

Durch Schreiben bewältige ich Erfahrungen.
Anne Sexton an ihre Ärztin

Das sind die zusätzlichen Voraussetzungen, damit Dichter leben können. Fußballer brauchen auf gleiche Weise ihren Kick. Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein. Soweit mein Credo.

Auch in diesem Leben spricht sich aus: Liebe sucht Einsamkeit, Einsamkeit Sex. So kommen Menschen in die Welt, bleibt sie bewohnt. Aber die Berührung öffnet der Sexualität die Sehnsucht Liebe. So kommt Sanftheit und Wärme in die Welt, Glück.

Eine junge Mutter fährt ihren Edelkinderwagen die Spree entlang.

"Sieh hinauf: es wird immer wieder Tage geben voll Kälte und Regen. Und kein Ende in Sicht! Was hilft Liebe unter grauem Himmel, was der Mensch? Hier bleibst Du Ich und ohne Du. Du mußt etwas tun, ein Licht anzünden, Dich an ein brennendes, ein warmes Wort setzen. Es lohnt. Regnete der Regen auch jeglichen Tag."

Die Mutter wird durch ihre Gedanken selbst stärker und richtet sich auf.
Anne rudert zu Gott. 

Er hat sie ja schon in ihre Arme genommen. Sie muß sich nur tiefer in seine Berührung graben. 

Es ist schwer. Du weißt es. Der Riß zwischen Ausleben und Lieben. Geh doch etwas sorgsam mit dem Menschen um, gerade mit dem, den Du Du nennst!
Du kannst nicht immer und überall helfen. Erfahren mußt Du es gerade an Deinen Liebsten, rudern sie zu Gott, fliegen sie der Befreiung vom Leiden zu.
Grau der Regen an der Spree. Wo Anne auf Gott zu rudert, scheint Sonne aus einem himmelblauen Himmel.

Nimm den Himmel von ihr. Aber gehe noch ein Stück Weg am Ufer. Auch Dein Weg führt zur Pforte des Nichts. Genau besehen wölbt sich bereits ihr Eckstein über Dir. 

Was kann ich Dir zeigen, das erleben lohnt? Fast alles! Ja, jetzt sind Tage grau. Setze Dich an eine glimmende Erinnerung, gut zum Anzünden von Hoffnung. Höre die Stimme in den Worten eines Du. Hast Du keines, worauf wartest Du, es zu finden? 

16.11.2016 Klaus Wachowski

20.9.16

Zwei Ausblicke



"Viertakter mit zwei oben liegenden Nockenwellen. Da gibts soo geile Sachen. Zahnradkaskade.- Die Italiener haben damals..." Der Altherrentisch kommt ins Schwelgen. Fredo Sega weiß nicht wie ihm geschieht.

Vor dem ins Billige gespreizten Post-Center steht einer am Cafétisch. Schwarze Zimmermannshose, schwarzes T-shirt, schräge Mütze. Er steht etwas gebeugt, um sich leichter abstützen zu können. Ein kleiner Kaffee, eine Zigarette. Nervös allein.

Das Holz ist geschnitten, der Eimer geleert. Er hat die vorgezogene Pause nicht weniger verdient als Du, die/der Du ihm jetzt hinter dieser Notiz hervor zusiehst.

Was sieht, erkennt, sucht er in den vorüber hastenden Glückssuchern? Und warum gehst Du Leute gucken? Es ist da etwas wie Glitzern auf Meereswellen, Zwitschern aus dem Wind in den Blättern.

Vor einem Jahr noch schaute er auf die Unkrautpromenade am Zaun des Betriebs seines Meisters. Aus der Leere in eine erstarrte Zeit. Da war Vogelzwitschern aus dem Wind in den Gärten.

Beides hat Schönheit, Sehnsucht und eine tonische Traurigkeit, die Lust auf mehr Warten macht.

Spürt er etwas von der Kälte einer Hinauferziehung? Oder war da Liebe und Wärme? Er zieht jedenfalls nicht wie ein Erstickender, eher mit einem leichten Aufleuchten der Augen an der Zigarette.

Das Leben versichert mir: "Der Mann ist okay!"

Dann in der Strassenbahn von S herein sitzen hintereinander drei, denen jemand oder etwas die Hoffnung aus der Haltung gekratzt hat.

Bleib bei Dir! Du hast immer zwei Ausblicke zur Verfügung.

9.9.16

Waldweg

Ich sah

das Licht, das in die Schatten bricht,
Schatten, der ins Leuchten kriecht.

Was ich auch sah,
ich erkannte nicht.


9.9.16 KW 

23.8.16

Sonntagsspaziergang

Die Lust verläßt den Körper. Sie ist alt geworden und vergisst, die Tür zu schließen. Träumend.betrachtet sie die Trockengärten der sogenannten Kunst. 

Schon hat sich die Depression eingeschlichen und macht sich über die Vorräte an Erinnerungen her. Am Liebsten natürlich über die frisch gepflückten des Frühlings. Aber sie verachtet auch nicht die Hochprozenter der Kindheit. 

Die Lust kehrt in einen verwüsteten Raum mit leeren Schränken zurück. Wer wundert sich, dass sie sich erneut in die windigen Gassen des Jetzt wirft, alle Hoffnung in die Begegnung mit den Schranzen des Narzißmus setzend.

Sie weiß: dahinter ist nichts. Aber die Masken sind faszinierend. Und die Lust bekommt Lust auf die Marktschreier des Ich. 

Gott schmunzelt. Warte ab, wenn die Berührung ihr Wunder entfaltet!

KW 23.8.2016

26.7.16

Was habe ich da geschrieben

Was habe ich da geschrieben?
Was waren die die Gedanken treibenden Wünsche?

Zu allererst Ruhm! Ich wollte von vielen gehört werden. Ich bekam ein Publikum und Zustimmung. Aber ich wollte auch die Freundschaft der angesprochenen. Und ich wusste, daß Ruhm, Herrschaft, die Freundschaft, das Wir der Gleichen zerstört.

Ich empörte mich über Empörendes, ich sang das Lob der Gerechtigkeit und der Freiheit, ich sehnte mich nach der Erfüllung einer mir unbekannten Sehnsucht. Und gleichzeitig nach ihrem Erlöschen.

Nach 30 Jahren erscheint mir vieles davon geschwollen, lächerlich übertrieben, eitel und nochmals eitel.

Das gute und menschliche Gefühl unter vielen Texten ist von Wichtigtuerei überklebt und unangenehm zu lesen.

Ihr, die meine Texte tapfer gelesen und hinunter geschluckt habt: vielen Dank. Auch Ihr habt Antwort gesucht, bei mir wohl auch nicht viel gefunden. Wir haben gemeinsam gefragt. Laßt uns darin nicht aufhören!

Was mir jetzt des Aufhebens werrt scheint, will ich bewahren wie Schönes aus einer oft bereisten Ferne. Vielleicht ist auch das zu dick aufgetragen. Das mag vorerst so sein.

Aus 1987

*
Ich heirate Dich, bis Du tot bist!  Kindermund 1986
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Gesunde Vegetarier und solche, die kein Blut trinken wollen.
*


Borges

Nobelpreisträger und Träger des Ordens von Pinochet.

Aus einer Lobeshymne:

"Die schmerzliche Preisgabe der Hoffnung, ein literarisches Universalgenie müsste an Utopien zur Befreiung der Mühseligen und Beladenen teilhaben, kann nur von seinem Werk aufgewogen werden."

Doch nur dem Ästheten! Wem ein Herz im Leibe schlägt, dem wiegt das Leid der Kreatur mehr als alle Genialität der Menschheit. Nur die Tatsache, daß Leid von Menschen mitzutragen und aufzuheben gesucht wird, lässt im Lebensdunkel ja den Blick frei werden zur Betrachtung jener schwach glimmenden Quelle, genannt "das Schöne ".

Dichter und Philosophen müssen ihr Werk von Meinung frei halten, wenn sie das Leben rein darstellen wollen. Es kann aber auch erst dann in seinem Wert erkannt werden, wenn der Lump im Schriftsteller nicht durch Unbarmherzigkeit in Existenzfragen Ekel über sein Werk ausgießt. Andererseits wird der Zugang nicht erleichtert, wenn die eventuell menschliche Größe eines Dichters sein Werk überwiegt. Sie nimmt aber von der Existenz die Not und gibt so erst eine Möglichkeit, nach Werken Ausschau zu halten.

Bereits im Horizont der Politik bietet das für Recht und Milde sich erhebende Stammeln einen schöneren Anblick als die Rhetorik des Leitwolfs. Der Demagoge läßt die Köpfe unangetastet. Mit ihm können die Genies der Welt in voller Klarheit der Vernunft stehen und dennoch den Mond anheulen - wie da geschehen. Rhetorik ist nicht Geistesdisziplin sondern Massage der Zirbeldrüse. Dagegen bietet Vernunft keinen Schutz, hier ist Charakter erfordert. Und der kann einem dummen Kopf gehören, der sich aber eben deshalb eher vom Zischen des Rhetorikers abwendet als das feine Verständnis der höheren Wurstigkeit.

Dem Erzähler Borges ist nicht vorzuwerfen, dass ihn das Leid der Menschen nur als Vorlage von Geschichten diente. Aber der Mensch Borges hat einen Blutorden angenommen. Er soll ja den Schopenhauer verehrt haben. Wenn dieser aber auf Freiheitskämpfer hat schießen lassen, so geschah es im Irrtum, Leiden zu verhindern, welcher dem in der Politik nicht zuständigen Philosophen und entsprechend desorientierten Menschen verziehen werden mag.
Er hat aber nicht von einen allgemein bekannten Meuchelmörder Orden angenommen. So steht er auch der Menschlichkeit nach über dem Verehrer, wo der Philosoph bereits das erzählende Universalgenie überragte.

Erdbebenversuche

Ein Beben für 7 Millionen. Ob sich die Erde an einen solchen finanziellen Rahmen halten wird? Die Deutschen versuchen es wieder mit Kraft. Sie wollen der Materie mit Kleinkriegen dahinter kommen. Mit 7 Millionen kann man schon eine Menge Gehirnmasse auf ein energetisch höher aufgetischtes Niveau gebracht werden. Ob sie sich wohl in einer Erhöhung der Urteilskraft oder in deren Niederhaltung bewährt?

Die niedere Intelligenz erhofft sich über die EDV Zugang zur Erkenntnis. Tatsächlich wird durch solche Prothese nur die Fähigkeit ersetzt, Briefmarken zu ordnen. Ein Aspekt der Intelligenz wird allerdings gestärkt: das Selbstbewußtsein gegenüber der Urteilskraft.

Überhaupt ist Stolz auf das deutsche Bildungssystem durchaus angebracht. Mit der Zahl der Abiturienten steigt die Auflage der Bild. Es ist Zeit, Eliten aufzuziehen, damit auch Witzblätter wieder zu Ansehen kommen. Angst vor dem American Way of Life ist unbegründet: Wir verdauen auch mal Hamburger, bleiben aber dennoch deftig. Der Bildungsspeck hats in sich: Wir messen uns nicht im Zwergenwerfen, sondern laden gleich die Erde wackeln.

*
Gegen Katastrophen: Nichts dramatisieren, nichts bagatellisieren, nichts zugeben.

5.6.16

Mohammad Ali> < George Foreman in Kinshasa



Männerexotik
nach Norman Mailer:
Mohammad Ali> < George Foreman in Kinshasa

Zwei Helden, aufgebläht in Wut,
der schrille Affe und der Stier,
stumpft der sich ab, übt der den shuffle
und um den Ring keucht eine Welt von Muskeln.

Hier in dem Handschuh steckt ein Sheriff,
schlägt Schlag auf Schlag Hirn um Gehirn zu Brei;
Aus jener Faust trifft dich die Pantherpranke,
drischt in dich ein den frischen Haß des Slum.

Unter dem Stadion, Bauch im Dschungel,
spritzt man den Beton frei vom Blut der Massakrierten.
Schon gellt ein Pfiff: die Champions treten auf,
die Menge schweigt, der Dollar hebt das Fähnchen.

Da bricht das Flutlicht aus, es schrillen die Reporter,
es krachen Knochen, würgt das wehe Fleisch;
Blut, Schweiß und Tränen; Wirbel auf den Conga.-
Kommt rein, das Abendbrot ist fertig.                  11/92