Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

7.5.19

1992 gehe ich durch die Stadt

Laubfall, gelb vor blauem Himmel. Im Schulhof lärmen die Kleinsten. Eine Gerüststange schlägt scheppernd auf der Straße auf. Oh Schreck, bleib stehn! Ein dunkler Strahl Stille steht zwischen dem Morgenstern und der Erde. Aber es ist nicht der Tod. Die Blätter fallen, die Kinder rennen weiter.

Damals war die Leseaison vorbei. Frei konnte ich durch die Licht gewordenen Weinberge zur Bücherei wandern. Vor mir eine offene Zukunft, hinter mir dumpfer Arbeit dumpfer Zwang. 

Ein Holzstück: krumm, rund, rissig, grau. Die Sonne hat ihm ihre Wärme gegeben. Sie fließt mir von der Hand in den Horizont. Ein Fluss taucht auf, mitten aus der Prairie. Breit und flach die Kiesel, das Wasser klar. Die Sonne nimmt mich mit unter die Erde. Ich schlafe in den Wurzeln, sehe mit den Knospen weit in den Frühling. Schon weht der Wind mich fort unter die Flügel einer Meise und aus ihrem Lied tauche ich hinauf. Aus dem Magen der Eule schlüpfe ich, falle in weißem Lichtstrahl tief ins Gestein des Monds.

Das Blut kehrt zurück, und der Tag. Ich habe noch zu tun. Zielstrebig gehe ich, trete die Blätter. Meine Asche wird mein Sarg sein.

6.5.19

Als ich noch jung und 50 war

Ahorn

Der Ahorn warf einen immer dichteren Schatten ins Zimmer. An diesem Morgen sah ich, dass er die Hälfte seiner Blätterpracht verloren hatte. Die übrigen waren schon Gelb. Der Tod in leuchtenden Farben.

Regenwolken kamen und mir wurde " schwer ums Herz ". Der Tag des Auszugs unserer beiden " Großen " war gekommen. Ich hörte " Ebola " in Afghanistan. Das Blut verläßt den Körper und du stirbst ohne Schmerzen. Der Baum von dem die Blätter wehen.

Dies ist der Eintritt in das Alter des Wartens.

Der Fußboden wurde plötzlich von Licht überschwemmt. Die Sonne hatte die Wolken zur Seite geschoben. Und es wurde warm.

Sonnenstäubchen

Das Sonnenstäubchen im Licht, das sich durch die Ritzen des Vorhangs ins Zimmer ergießt. Wie Leonard Cohen, der es besingt, hast auch Du es gesehen. Bin ich Staub, so doch von Sonne, Liebe getragen durch die Zeiten. Was ist ein Stäubchen? Ich! Und: wie es in der Welt getragen ist, trägt es die Welt in sich.

Das Schlimme am Alter

ist bei erstaunlich steigender Sensibilität die Beeinträchtigung der Fähigkeit, Wunder zu erkennen. Nicht nur die Jugend " weiß alles besser ". Auch die alten sind ein Bescheid wissen weit von der Weisheit entfernt: sie kennen das Leben. Als wäre  es möglich.     

Ein Jahr später bemerke ich immer weniger Lust an Bescheidwissen, Verträglichkeit gegen Besserwissende, Fähigkeit zu Staunen.

Kartenspiel

Ein alter Mann und eine alte Frau spielten Karten in einem chinesischen Hotel auf dem Weg nach Cameron Highlands. Die immerwährende Sonne meiner Erinnerung scheint herein, gebrochen durch weiße Stoffe. Wie war noch der Duft? Ich stelle mir Jasmin -Tee vor. Aber ich habe es verloren, was da an Feuchtigkeit, Fäulnis, schwerem Blütenduft die Luft erfüllte. Die Erinnerungen sind vor allem deshalb so leblos, weil ich kein Geruchsgedächtnis habe . Ebenso: wie fühlte sich dieses Geländer an? Habe ich überhaupt ein einziges Stück Blume, Baum, Blatt in die Hand genommen? Damals? War in meinem Händedruck außer Druck auch etwas von fragendem Gefühl ? Lange habe ich gelebt. Zwei Alte spielen Karten. Es ist nur eine Ablenkung des Willens, um die Welt frei in die Sinne fließen zu lassen.
Gras im Regen, von meinem Schuh in die Erde gedrückt. Wie gleichgültig es ist, woher ich komme und wohin ich gehe . Sie fliegen in das Land X, ich flog in das Land Y. Mit dem Gefühl, gebraucht zu werden, wichtig zu sein. Begeisterung erfüllte uns. Aber das Gras fragt den Regen: Was ist das? Ein Mensch unter Menschen, ein Staubkorn unter Staubkörnchen. Der Wind dreht die Richtung und sie tauchen ein in einen anderen Strudel. Dies Auf und Ab, sie sagen Schicksal und morgen sind sie nicht mehr. In Liebe zusammen, in Lebenslust auseinandergeweht. In der Begeisterung trug ich die Welt in mir. Es ist schwerer wieder Ich zu werden, Staub von Staub. Wenn ich und Welt wieder zwei Dinge sind, werde ich wieder sehen und singen können: aus mir heraus, in sie hinaus, hinein.

Papierrose

Du bastelst eine Rose, ich ziehe einen blauen Strich durch ein grünes Wasser. Du sagt Allah und lauschst  in die Stimme des Meeres.
Ich höre das Meer unter der Stimme der Möwe und bestaune das Wunder.
Du beendest Dein Werk und sinkst in einen tiefen Schlaf.
In mich sinkt er hinein.
Über unseren Träumen breitet die Nacht ihre Sternennetze aus.

Wie weit voneinander lösen sich unsere Gedanken im Strom der Zeit?
Siehst du das Blatt meines Lebens versunken in einer Erinnerung – wie ich das Deine?

Schattenspiel

Das ist ein Schattenspiel. Vor der im Licht der letzten Herbstsonne brennenden weißen Wand dieses Hauses erscheinen die noch grünen Blätter am sich biegenden Strauch schwarz. Dieses Lichtundschatten brennt sich in mich hinein. Ein ewiger Augenblick. Beim Nachlesen schon vergessen.-
Was war das Leben? Diese Helligkeit, die mich begrüßte, dieses Schrillen und Singen aller Stimmen auf einmal. Welt. Alles.

Und vor diesem Flirren, Leuchten, Brennen schwarz, scharf unterschieden von allem und allem dieses Du. Pflanze, Tier, Mensch, Liebstes unerkennbar überdeutlich. Einer Schwalbe plötzlicher Flug. Schrei: überglücklich, mörderisch, panisch. Ja: Der Tod im Leben. Nicht das Leben im Tod. Jetzt soll der Regen mal kommen..

Mein Freund mit riesigem Wissen

Es ist soviel mehr wert als in der Buch-Form: Als es niedergeschrieben wurde, war es durch die schwer machenden und dunkel färbenden Ereignisse eines Lebens wertvoll geworden. Nun ist es auch noch durch die inneren Feuer meines Freundes hindurchgegangen. Glühend zeigt sich die Wahrheit neu. Da will ich sie wieder sehen, hören. *kurz nach dieser Begegnung starb er.

2.5.19

Meine Sehnsucht kehrt um

Phantasie

Meine Sehnsucht kehrt um.

Ich komme daher, wo du hingehst. Ich denke, dein Weg ist gut.

Ich kann dich nicht begleiten. Aber ich werde dir hoffentlich immer wieder begegnen.

Ich habe vom Schönen und vom Abendmahl genug getrunken. Wenn auch viel Schweres war.

Jetzt will ich die Wiesen wieder sehen, von denen ich in den Regentagen meiner Kindheit träumte.

Ja ich liebte Blumen, Wiesen, Vögel, Schmetterlinge und wollte doch hinaus in das "Große" der Welt, wie Du.

Als ich Vater von Töchtern, von einem Sohn war, tat ich wie Dein Vater. Ich ging mit ihnen in die Zukunft, freute mich an ihrer Hoffnung, wie es jetzt Dein Vater bei Dir tut, wie es Deine Mutter so gerne tat.

Und ich versteckte zu oft meine Freude hinter dem Ernst, wie jene bei Dir.

Aber jetzt bin ich umgekehrt, freue mich an den Landschaften aus denen Du voll Leidenschaft hinaus willst. Ich freue mich an Deiner Hoffnung, aber auch an diesem Grün unter Deinen Füßen, am Vogelgesang, am Klang der Glocken aus der Umarmung des Lebens.

Ich kehre gerne erneut um, gehe ein paar Stunden mit Dir, höre Deine Hoffnungen mit Freude und - Sorge, spüre auch Dein Herzklopfen, zeige: es kann gut gehen.

Und wir werden uns wieder sehen, wiewohl wir uns doch voneinander entfernen. Denn unsere Wege haben schön verschlungene Umwege.

Gehe froh und mutig deinen Weg.

Ich sehe dir nach, sehe dich gehen und kommen.

Es gibt Einsamkeit und Trauer. Aber auch das warme Gefühl, wenn der Blick auf geliebte Menschen fällt.

2. Mai 2019

25.4.19

Neu über Sehnsucht

Zwischen verlorener Wichtigkeit und Einschätzung des Pflegegrades notiert Dr. Smirc:
"Die Hoffnung auf ein zweites Leben.
Könnte es denn schöner, könnte es besser werden?
Die Spinne auf dem Grabstein
Erwartet Biene und Amsel.
Bedauern und trauern
unter Vogelzwitschern und fernem Flugzeug in die Sehnsucht. "

Sein alter Freund, Dr. Warnix, Psychagog und literarischer Reimeschmied, fügt ein Gedicht in den Vogelruf.

"Singe,
  erfülle den Raum,
  rufe das Echo,
  hier brach der Mut
  die Tränen rinnen.

  Weit ab in Erinnerungen
  höre ich Deine Stimme.
  Es ruft mich. -

  Erfülle den Raum
  mit eines Vogels Gesang!
  Und lass uns lauschen!"

Wie dankbar er ist, that he made her smile.
Wir seien doch im Wunder, was brauche es Auferstehung?!

Das Kind, aus dem sie einen Picasso des Erfolgs machen wollen!
Affen des Ruhms.
Sie verstehen so wenig wie irgendein Zeitgenosse des van Gogh.

Der läuft aus der Welt des Grau auf das Leuchten der Farben zu. Um die graue Realität wissend schenkt er uns die Farbe.

Im Banne des Besonderen!
"Soll es den nichts besonderes geben?"
Existenz,
nicht: Dasein, Dortsein, Sosein
-Gewäsch des Heidegger-
ist Besonderheit und unfassbar genug.

Konrad Beikircher, das Gemüt, spricht saftvoll am von ihm verstopften Zu- und Abfluss der Kultur.
Wer nicht?
Es blubbert wie Rilke und Rückert.
Meringue an Butterbrezel.

Derweilen kommen Mensch und Urmensch vom Rottweiler auf den Wolf.
Und der Höllerer kommt einfach nicht runter. Es geht ihm einfach von Tag zu Tag und in jeder Hinsicht immer besser und besser uns besser. Tapfer bewässert er die eingetrockneten Sehnsüchte in der Langeweile der Gescheiterten. Das gibt Geld für das schwarze Loch, das in den unendlichen Raum eines weinenden Ich expandiert.

Fast schön dagegen der noch hinauf klönende, tönende Abendschön im Rausch der Erwartung.

Dr. Smirc, unerwartet: "Lass doch den Reimeschmied, den Farben- und Musikpansch! Gott senkt sich auch in die ranzigen Schmalztöpfe!"

Ist er nicht geheiligt durch die Freude der Mitbewohner Deiner Zeit?
Ja, ja: "Das Huhn das goldene Eier legt"! Du willst es doch nicht schlachten! Willst Du ihm etwa gefallen?!-

Du hörst die Stimme nicht mehr!
Ist denn er, sind denn jene Schuld?
Ja, sie verstopfen nicht nur Kultur und Sinn.
Aber: Du kannst woandershin hören...

*

Das Sehnen sehen.

"Sehnsucht nach Gott" singen die Gläubigen,
nach Liebe seufzen die Menschen der sichtbareren Wirklichkeit.

Vielleicht kriegst Du die Sehnsucht klein, wenn Du sie in hundert definierbare Wünsche teilst. "Du trauerst ja nur Deinem eigenen Verlust nach!", "Warte erst mal die nächste Woche ab, da wird das Wetter besser!" Es sind die Menschen und ihre Zuneigung, es sind Berührung und Barmherzigkeit. Aber auch Freiheit und Kraft, Kommunikation, Kooperation, Wettkampf.

Sehnsucht hat die tausend Wünsche des Willens und das eine mehr, das sie von planer Hoffnung unterscheidet. Und wo sie die Hoffnung verliert, flutet die Sucht.

Das Buch "7 Wege aus der Einsamkeit" wird vorgestellt. Klingt gut.

Wer schreibt, braucht Distanz. Einmal, um besser zu sehen, einmal, um frei schreiben zu können. Das braucht keine mystische Erklärung. Aber wer glaubt Virginia Woolf ihre Worte?

Auch notwendiges Alleinsein bringt Einsamkeit mit sich. Wer kann schon seine Bedürfnisse "richtig" steuern?
Der andere, die andere brauchen ja auch ihren Wechsel von Nähe und Distanz. Wenn die Einsamkeit dann schmerzt, ist es gut zu wissen, welche Wege aus ihr heraus führen.

Es könnte auch sein, dass die Einsamkeit des Alters eine andere ist als die der Jugend.
Die Lustlosigkeit und der Packen der Erinnerungen und der Ängste verstärken die Isolation, die Sehnsucht wendet ihren Blickwinkel.
Der Weg liegt im Schatten oder die untergehende Sonne blendet. Pflichten lähmen das Vorstellungsvermögen. Du verstehst nicht mehr gut.

Wie lange noch, bis Du die Wohnung nicht mehr verlassen kannst, anderen Menschen zu begegnen?
Schon ist die Zeit um! Schon nimmt die Sehnsucht das Nichts und das Verlorene in den Blick.

Wer will davon hören. Es ist eine Stille im Lärm, wie im Netz.

In der Einsamkeit betrachte das Wunder: ins Leben kommen zu dürfen. Da sind Menschen... Die Sehnsucht bleibt und zündelt mit Einsamkeit. Aber Du bist. -

9.4.19

Am Receiver warten auf Glück


Ich schließe den Receiver an, warte und warte

Was hat Marcel Reich Ranicki damals gemacht? Dumme Frage: er hat den Receiver anschließen lassen. Was wohl Denis Scheck machen wird? Ein VIP- Kuschel? Es muss noch 14 Jahre hüpfen, hier anzukommen.

Was schrieb ich in seinem Alter erhobenen Selbsts?

So etwas:

"...
Ein Beifall schneit aus dunkler Pracht.
Von schwerer Geste wie beschwingt
Erheben sich die prall gefüllten Reden.
Dröhnendes Tönen, dann Gedenken,
wo sich ein Ehren Ehre schafft..."

Klingt noch gut, ist aber so weit ab wie jener.

Ranicki warf mit 68 die "Eitelkeitsmaschine" literarisches Quartett an. Der Begriff stammt von Sigrid Löffler, die -im gleichen Alter und etwas später- weiter den Wortputzer  Handke lobhudelt, der im Alter von Scheck Karadzic lobhudelt und mit 68 wieder an stille Orte zu Pilznarren zurückkehrt. -Thomas Bernhard war da schon 10 Jahre tot.  - Und jetzt? Lange Weile mit einer Obstdiebin. War da nicht Erdbeeren riechen bei Srebrenica?

Bob Dylan sang mit 68:

"I feel a change comin' on
And the fourth part of the day's already gone",
während ich, 10 Jahre jünger, noch auf das Ende meines Arbeitslebens zugehe und das Resümee "Über die Republik" schreibe.

Karl Kraus ist schon 6 Jahre tot, Hannah Arendt starb soeben, 4 Jahre nach Analyse der Pentagon-Papiere, die sie unter dem Titel Lying in Politics (dt. Die Lüge in der Politik) 1971 publizierte.


Ein Problem ist kein Seniorenzentrum, ein Flop kein Wartesaal.

Plötzlich macht die SPD Reklame mit Gleichheit. Jetzt, wo überall der Ruf nach Zugehörigkeit laut wird!

Eine erfolgreiche Funktionärin aus den Zeiten nach 68 berichtet über Emanzipation, verliert sich aber in ihrer Biographie, die doch eher von Kader und Protektion zu sprechen scheint. Ja, das waren die Zeiten der "Macher", die die "Ideologen" aus der Partei mobbten - aber eben auch Haltung.

Die Plakatkleber kamen, der Intellekt ging. Die Betriebswirte wurden zur Karriere gerufen, da gingen auch die Arbeiter. Man lachte über die Looser, das war's.

Parteibürokraten liquidieren Sozialdemokraten. Es begann mit dem Sturz des Willy Brandt: Gewerkschaftsbosse folgten Kaderbossen zum Ausschluss der kritischen Intelligenz. Das kannten und liebten auch die Kader der DDR, so ließ man den Nestbeschmutzer und intellektuellen Chaoten Brandt stürzen.

Im Erzählen der Parteigenossin klingt es, als sei aller Erfolg aus der Bundestagstruppe erfolgt. Gab es denn keine Bewegung in den Straßen, in den Zeitungen, auf den Universitäten, in Betrieben und auf Wahlzetteln?

Der Receiver mit allen Sub- und Subsubfunktionen ist eingerichtet. Ich bin auf neuem wackelndem Stand und könnte doch zufrieden sein.

X murrt, meine Sorgen seien echt nicht mit seinen vergleichbar. Ein Seniorenproblem gegen Existenzangst. Wie recht er hat! Wie wenig interessiert ihn, wie es mir geht. 

Auch hier wieder bedenke ich wichtig genommene Nichtigkeiten. Mit einem römischen Kaiser muß ich mich trösten. Gibt es keinen Mann, keine Frau der Republik, darüber nachzudenken?

Marc Aurel 32.

Betrachte einmal zum Beispiel die Zeiten unter Vespasian, und du wirst alles finden wie jetzt: Menschen die freien, die Kinder erziehen, Kranke und Sterbehde, Kriegsleute und Feste Feiernde, Handeltreibende, Ackerbauer, Schmeichler, Anmaßende, Argwöhnische, Gott- lose, solche, die den Tod, dieses oder jenes herbeiwün- sehen, über die Gegenwart murren, verliebt sind, Schätze sammeln, Konsulate, Königskronen begehren. Nun, sie sind nicht mehr, sie haben aufgehört zu leben. Gehe dann zu den Zeiten Trajans über. Abermals ganz dasselbe. Auch dieses Lebensalter ist ausgestorben. Betrachte gleichfalls die anderen Abschnitte von Zeiten und ganzen Völkern und siehe, wie viele, die Großes geleistet, bald dahinsanken und in die Grundstoffe aufgelöst wurden.

Besonders aber rufe in dein Gedächtnis diejenigen zurück, die du persönlich gekannt hast, wie sie über dem Haschen nach eitlen Dingen vernachlässigten, das zu tun, was der eigentümlichen Beschaffenheit ihres Wesens gemäß war, daran unablässig festzuhalten und hierauf ihre Wünsche zu beschränken. Hier mußt du auch noch eingedenk sein, daß die auf jedes Geschäft verwandte Sorgfalt zu seiner Wichtigkeit im rechten Maß und Verhältnis stehen muß. Denn dann wirst du keinen Unmut empfinden, wenn du dich nicht mehr, als sich’s gebührt, mit Kleinigkeiten beschäftigst. (Aus Reclam Heft 1241)

Das Einhorn ruft hinter dem Mond oder aus der Geschlossenen heraus

Jean Paul trägt eine Blume ans Grab des Sohnes

Marianne Faithful singt ihren Schwestern zu: Love more or less

Die Doktoren Smirc und Warnix, räumen die Bibliothek aus.

Gott gibt eine Runde Frühling, und als Desert erste Erinnerung an Hoffnung, aus.

Klaus Wachowski 09.04.2019

29.3.19

Alter und Gleichzeitigkeit

Von Alter und Zeit

Ich höre ten new songs von Leonard Cohen. Er ist 67, ich bin ein Jahr älter.

Wäre das Leben nicht näher, wenn man die Lieder, Bilder, Gedanken aus dem gleichen Alter eher betrachtete als erinnerten Größen nachzulaufen? - Fragen liegt meinem Alter.

Er singt Boogie Street, ich schreibe von schwindenden Wichtigkeiten. Auch er putzt die Küche. Auch ich gehe zurück, näher in den Raum, nah der Erinnerung, fern der Sehnsucht.

Und eben da ist der Erinnerung Echo, "bewildered by your beauty there".

Und er geht zurück zur Boogie Street. Ich singe schreibend weiter.

Als die CD heraus kam, war ich 50, weit entfernt davon, "das Buch Sehnsucht zu schließen". Auch ihm blieb es. Das verband  mich seinen späten Texten. Früher war Anderes.

Sein Leben scheint auch in den schwarzen Wassern Babylons gewatet zu sein. Meines überlebte und schmerzt noch an einem Verlust. Wir gehören zusammen in einer Welt, in der immer wieder jemand das book of longing aufschlägt.

Wir durchstreifen die Dschungel und Eispaläste nicht mehr, putzen die Küche, stimmen das alte Banjo, spitzen den alten Bleistift. An der Mündung der Sehnsucht.

Martin Walser weiß mit 68 dagegen noch nichts davon,wie sehr er Marcel Reich-Ranicki als Zerrbild beschmutzen wird. Er liest gerne Nietzsche, in einem Alter, in dem die Pubertät eigentlich abgestorben ist. Und er hat noch Jahre der Alterslust vor sich. Ja selbst mit 91 kann er sich nicht entschuldigen. Ein Na-ja so weit zu umgehen...

Wie kann ich ein Alter verstehen, das bei aller so rasch vergehender Zeit so weit entfernt ist?

In einem Gespräch mit dem Spiegel kommt er auf Max Frisch, der in diesem Alter nur noch 3 Stunden schreiben gekonnt habe. 1979 schrieb er Holozän. Wäre es nicht an der Zeit für mich zu lesen, wie "ein pensionierter Industrieller unter dem Verlust geistiger Fähigkeiten und dem Schwund mitmenschlicher Beziehungen leidet.(Wikipedia)"? Er war geschieden, der Bruder gestorben, er erlitt eine Schreibhemmung, Das muß doch sein wie untergehen.

Virginia Woolf, Anne Sexton erlebten dieses Alter nicht. Jean Paul wurde nach dem Tod seines Sohnes nur 62, Arthur Schopenhauer schloß seine Betrachtungen (und musste sich die Verehrung der Musikquaste Wagner gefallen lassen). Aber er rettete noch ein Kind vor dem Ertrinken. Henning Mankell starb in diesem Alter. Was er wohl von den ten new songs gehalten hat, die herauskamen, als er 50 war?

So sind wir auch im nicht mehr ganz so reifen Alter auf die eigenen Umstände zurück verwiesen. In der Nachbarschaft beginnt der Baum zu blühen. Ein sonnenglänzendes Gelb.Darüber die Verheißung eines tiefblauen Himmels. Die ängstlichen und die hasserfüllten Wutschreie eines psychisch Erkrankten verfangen sich in den von Bienen summenden Erwartungen.

Ach könntest Du mit mir Leonard Cohen glauben, der singt:
"It is in Love, that we are made; in love we disappear."
Ich schließe Dich ein in meine Wünsche. Wie wohl alle, die Deine Angst hören.

29.3.2019 Klaus Wachowski

19.3.19

Kirschblüten und Dämonen

Doris Dörrie - im Gegensatz zu leider vielen Flachschteibern - versteht etwas von Einsamkeit und Liebe/Sehnsucht.

Assoziationen:

Die Wellen der Glockenschläge von Big Ben, durch die die Dohlen oder Raben von Virginia Woolfs Sehnsucht rufen, erscheinen dunkler, weiter. Wo der Mensch dem Menschen ein - Mensch ist. Weh und Landschaften des Jean Paul.