Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

10.3.21

Dr. Smircs Erinnerungen

Alter weißer Mann, angefeindet und übersehen. Stolpert im Weg herum, vulnerabler Impfling an der Backfabrik.

Wo er geboren wurde, daran kann er sich nicht erinnern. Aber stets, wenn er an seine Kindheit denkt, sieht er sich auf einer von Blumen bedeckten Wiese sitzen,  hört er die Spatzen und Gartenvögel, sieht er Himmel, Baum und weiße Wolke. Ein Haus irgendwo da hinten.

Sein Freund, Dr. Warnix, Psychagog und stark angezweifelter Traumanalytiker, hat da weniger Glück. Er hat nur verschwommene, etwas düstere Bilder aus Unterwelten vor sich. Sieht er aber auf zu den Bergen, spürte er eine Hand auf der Schulter.

Er wurde nicht vom 68er Diskutanten und Hippie zum 89er Einpeitscher, Spekulanten, Erlöser, Absahner, war auch damals nicht schon Zocker...

Irgendwie finde ich die beiden gut.

Von wenigen anderen aber das falsche Lächeln einer heuchlerischen Umarmung...

Diese rote Wolke aus dem Abend ist mehr als nur ein Rauch von Zwecken zu Zwecken. Es ist mir eine andere Erinnerung. Eine des Friedens, der Stille, Berührung. Ich sehe hinaus.

Es ist ja auch ein blauer, dunkelblauer Himmel, unter dem sich ihr Schleier ausbreitet, sich in der Weite zu lösen.

Und schon steigen all die Tagträume Smircscher Sommerlande in mir auf, Jean Paulsche Wiesen, Freuden des Robert Walser. Ich atme tief ein, als wäre da der Duft feuchter Erde, Geruch von Blüten. Als hörte ich den Bach aus einem Schatten plätschern. Als läge hinter der nächsten Wegebiegung das Dorf Tualahu.

10.3.2021 Klaus Wachowski

verhört?

 sich an die gellenden Coronamaßnahmen halten?

27.2.21

Wichtig malen

 Wichtig malen

Der Tod des Teemeisters von Inoue fällt mir in die Hand, mit der ich eine gelbe Blume malte.

Der Verehrer des Teemeisters versucht die Schrift zu kopieren. Er reibt den Tuschestein. Soll er ihn fünf- oder zehnmal kreisen, einmal oder überhaupt nicht drehen? Der Pinsel hat ungefähr die gleiche Stärke, wenn ihm auch zu wenige Haare fehlen und das an der falschen Stelle. Millimeter um Millimeter zieht er das Zeichen nach, setzt den Pinsel aber geringfügig zu früh ab.

Ob in dem Zeichen das Tao enthalten, oder jenes hinter diesem verborgen ist? Er schließt die Augen, wendet seine Aufmerksamkeit in das Dunkel hinter der sichtbaren Welt. Er kann nichts erkennen. Das Tao kann man nur glauben oder nicht glauben.

Ich hole den Pinsel hervor, versuche genau das richtige Gelb auf den Canvas zu bekommen. Die Farbe kommt in ihrer Leuchtkraft dem inneren Bild nahe, aber sie verläuft unkontrolliert in dichte und dünne Flächigkeiten. Die Linie stimmt nicht.

Aber es fällt Licht aus dem Frühlingshimmel durch die Scheibe. Ich schließe die Augen. Ist das Tao, Jhw, Gott, Allah, das Brahm so etwas wie der Atem, der sich durch all die Aerosole bewegt, das Feuer im Dornbusch, der Friede, der über mich kommt, wenn ich aufsehe zu den Bergen? “Von wo kommt mir Hilfe?”

Ich glaube nicht an Wiedergeburt und Unsterblichkeit der Person. Ja schon: D sind Ewigkeit, Auf und Ab, Ein- und Ausatmen. Mein Kanu nähert sich dem Delta. Das Paddel schreibt den Namen des Teemeisters ins Wasser. Wohin ist der des Fürsten vergangen?

Die Brücke des Lebens. Ein schönes Bild. War es auch manchmal schwer, gerne schaue ich zurück.

Klaus Wachowski  27.2.2021

 

5.2.21

Schauen und Gehen

Schauen und Gehen

 

Der Blick auf den Bambus,

Das Kreuz in der Kirche,

Die Zigarren.

Der Schlamm im Blumenkasten der verlorenen Pizzeria.

 

Freundlichkeit,

Verächtlicher Gruß

Und das Schlagen  der Amseln und Meisen.

Frühling lacht ins Aerosol. –

 

Das gehe ich weiter

zu den Faltern über der Inschrift.  

22.1.21

more or less

Schickt mir jemanden zum Lieben,
Jemanden, der mich wieder-lieben kann,
Das, was ich wirklich bin,…
Ich weiß schon, dass ich nicht jung bin und lädiert,
Aber ich bin noch hübsch und liebevoll und seltsam…
In meiner eigenen besonderen Weise zur Liebe fähig und bereit
At last.

Marianne Faithful 2018

Vor 7 Jahren war sie 68 und sie sang den Abschieds-Song von Leonard Cohen, berührt immer noch diese Saite in mir. Meine erste CD von ihr noch voll Wille. Da war sie 56.

Ich werde 70. Auf den Gräbern die Namen von geliebten Menschen. Ich gehe vorbei. Die Zeit… Und auch ich denke über das Leben nach. Meines und unseres.

Leonard Cohen ist gestorben, sie singt weiter und schön auf einer neueren CD aus 2018.

Wir sind unsere Wege gegangen. Ähnliche, ganz andere. Und wir gehen weiter.

Wie schön die Erinnerungen sind! Kaum zu glauben! Schöne Lügen. Schon allein dafür hätte es gelohnt.

It's only love - more or less.


Ich sehe den Raben
Ich sehe die Drogen. Kein Urteil von mir!
Ich hatte Glück! Langweilig?

Von Liebe verstehe ich nichtviel. Weit vom Herzen geboren sehnte ich mich, lernte ich, stürzte in Trauer.

Den Schmerz hätte ich nicht gebraucht. Ich kann nicht fluchen, weil ich, Gott sei Dank, nicht beten kann. 

Aber ich sehe Dein Gesicht. Und Deines. Und ich spüre wie es warm wird im Herzen. Lache nur: „Pathos!“ Ich fühle es.

Ich ging nicht durch viele Länder. Aber ich flog mit deiner Sehnsucht, mit jedem Lied eines Vogels.

Und ich musste in die Verbrechen von Babi Yar blicken, von Srebrenica, Ruanda. Und jetzt die Toten im Mittelmeer. Das gräßliche Ego Europas.

Laß mich sein, der ich bin!

Ja, Marianne Faithfull, Leonard Cohen, und alle, alle,

it was love more or less.

17.1.21

Die Rohrzange

Rohrzange
Wie heißt das Ding nochmal? 
Wassermangel?
Rohrzange! - Gedächtnis...

Als ich noch als Wichtig beschäftigt war, kein Problem: "Wenn ich sie brauche, finde ich sie schon! "
Jetzt: "Wo ist sie nur?" Man muss sich immer wieder versichern, daß sie noch da ist und wo sie liegt. 
Das Alter jagt Dich durch die vergessenen Räume. So die Zeit...
Die neue Wichtigkeit wirft gewaltige Blasen aus dem heißen Urschlamm, in den das Gedächtnis versinkt. 
So viel gäbe es zu sagen und zu singen! Die Aerosole des Alters lassen uns vorsichtig verstummen. 
17.1.21

6.1.21

Vulnerabel

Vulnerabel

Das Wort ist mit leicht erhobener Stimme auszusprechen. Ich betrachte die Falten auf meinem Handrücken.

Der Fluss wird breiter. Es lohnt nicht mehr zu tauchen, die goldreichen Gründe liegen weit hinter mir. Aber da sind Nahrung und Kleidung genug, bis zum nächsten Hafen auszukommen.

Menschen. Wie lange habe ich keine mehr gesehen! Manchmal tauchen Gespenster in Masken aus dem Nebel der Ufer. Traurige Figuren, mechanischer Gang. Wie ohne Ich. Manchmal nur dringt der ferne Lärm eines Festes herüber. Oder ist es Schlachtgetümmel?

Sonst bleibt es ruhig. Das Radio mit den immer gleichen Songs meiner Generation und den immer gleichen Ermahnungen habe ich ausgeschaltet. Das Paddel macht das vertraute Geräusch von ins Wasser schlagenden Flossen. Ich lese ein Märchen, gehe zum Essen an Land, packe Zelt und Zigarren aus.

Die Falten ziehen ein Netz um blaue Adern. Altersflecken treten aus der Zeit, geplatzte Blutfasern kommen an die Oberfläche. Auch ich spürte früher ein unangenehmes Gefühl beim Anblick der Alten. Höre ich das Wort "vulnerabel" glaube ich einen leichten Ekel zu hören von beschäftigten Menschen, die Dich umrennen, weil sie Dich nicht sehen, auf Deine Langsamkeit nicht gefasst waren.

Da sind x Menschen gestorben, ein Mensch hat y Menschen umgebracht, der Minister z appelliert an die Menschen im Lande. Auch diese Verwendung eines Begriffs zeigt sich als verächtlich: Hanna Ahrend hat davor gewarnt: die Rechte der Person sind keine der "Menschlichkeit", sondern der Person. Der mitleidige Ton im Wort "Vulnerable" macht mich zur Verwaltungsmasse.

Ich fahre zu den Menschen. Ich brauche ein Gespräch mit mir Gleichen und Freien. Aber das Forum ist versperrt und die Lautsprecher tönen.

Ich lege ab. Dein Kanu an meiner Seite. Ich streiche über meinen Handrücken und schaue in Deine Augen. Sieh, unsere Schatten reichen zum Horizont! Wir reden.

Klaus Wachowski 6.1.2021