Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

24.2.22

Einmarsch in freies Land

Ein alter Mann verwirklicht seinen Traum. 

Die Diktatur braucht keine Freunde. Sie würden selbst herrschen wollen. Man beleidigt einander plötzlich öffentlich. Ob man es vergisst? 

Der nächste Schritt aus dem Personenkult ist der zur Tyrannei. Das freie Russland wird wieder emigrieren. 

Man hätte es wissen müssen, als er seinen Hund um die Beine der Kanzlerin freien Landes schwänzeln ließ. 

Völkische Satelliten als Volksrepubliken. Es gab noch nie eine Volksrepublik, die das Recht der Person würdigte. Stets herrschte im Gegenteil die "Diktatur des Proletariats". Volksrepublik ist das Gegenteil von Republik, was ist erst mit völkischen Republiken? 

Gibt es Rudel, die größer sind als 100? Der Diktator muß also, um an der Macht zu bleiben, sein Rudel an der Herrschaft beteiligen. Wenn die Beherrschten aber erkennen, wovon sie sich beherrschen ließen, erhebt sich der Schwarm.

Ein Anstoß mag sein, wenn innerhalb des Rudels Rangkämpfe ausbrechen, der Rudelführer erkennbar alt wird.

Der Schimpanse von Ngongo glaubt nicht an die menschliche Vernunft. Die andere Seite des Lebens, genannt Freiheit oder Autonomie, ist ihm ein angsterregender Begriff.

Wenn er seine Mörderkameraden aufruft, schlage ich den Marc Aurel auf und rufe Cato an.


22.2.22

Talk Text 1984

Talk-show   1984

Der Dixie swingt um malerische Gruppen
von sonnigen Empor- und müden Abkömmlingen,
aus deren glatt rasierten Fernsehmasken
manch ausgeglühtes Basiliskenauge glitzert.

Die Musi schweigt, der Moderator lächelt,
plaudert dem Starlet aus dem Unterleib;
die Spanner lachen, Prominenz erzittert,
wo ihr der Flegel in die Psyche faßt.

Ein ernstes Wort fällt, schnell fällt ein der Dixie,
schon reißt ein Spot den nächsten Tisch zur Kamera.

Die Musi schweigt, der Moderator lächelt,
und wer was ist, dem wird es jetzt gezeigt:
daß doch auch er ein kleines Würstel nur,
wie Du und ich, vom gleichen Sein und Schwein.

Der Dixie fällt ins letzte Lachen ein;
wen man brüskiert, grüßt freundlich in das Grinsen,
das nun erlischt und langer Weile weicht,
die gähnend in den Ernst des Lebens schleicht.

10.2.22

Anton und der Alte

Anton Reiser besuchte mit 10 oder 11 den "alten Mann", zu dem sein Vater ihn geschickt hatte. Der versprach sich wohl so etwas wie eine Seelenbildung durch diese Besuche. Der Alte war über 100, freundlich und redete schon wie einer hinter dem Horizont.

Nach einiger Zeit kam Anton in die Pubertät, wurde selbständig und aufmüpfig, wusste alles besser und schwankte auf hohen Wellen der Gefühle.

Ich frage mich, was so ein angeblich weiser alter Mann zu dem Jungen im Stillen sagen würde.

"Du glaubst auch noch im hohen Alter, damals besonders pfiffig gewesen zu sein. Und Du bereust die "böse" Art. Ich erkannte natürlich Deine Heuchelei, die mich vor dem Anblick Deiner plötzlichen Kälte und Dich vor meiner Trauer und meinem Zorn schützen sollte. Aber: Ich war auch einmal jung. Du gehst jetzt eigenen Weg. Tu es ohne Reue.

Wer kann Dir jetzt noch raten? Ich sehe Ehrgeiz und Sehnsucht nach Eintauchen in das Leben, vielleicht ist da auch Liebe zu Menschen. Wer weiß?

Auch Du wirst in meinem Alter, das Du hoffentlich ohne zu große Verluste erreichen wirst, durch regnende Nebelwolken von Fragezeichen treiben. Auf anderem Fluss dem gleichen Horizont entgegen.

Ich blickte mich um und winkte Dir aus der Ferne, als Du Dein Boot los machtest. Selbstverständlich auch voll Sorgen. Wir sind doch Menschen." Der Rest geht in Murmeln über.

Er schließt mit dem gleichen Lächeln wie immer die Tür und geht an das Fenster, das wieder mal einen Frühjahrsputz brauchen könnte.

Klaus Wachowski 10.2.22

7.2.22

Alterserscheinung

Verstehe den Zorn der alten Männer: 

Schrecklich, alles besser zu wissen. Gut, dass Vergessen und Wortfindungsstörung nagen. 

14.1.22

Traum von einem alten Bekannten

Der Traum unterstellt meinem alten Bekannten böse Wünsche. Er habe mir einen alten Lappen von Teppich untergeschoben und Anzeige wegen Diebstahls erstattet. 

Ich glaube nicht, daß er das in der Wirklichkeit getan hätte. 

Aber er hat mich, als ich ihn, den guten Mann, brauchte, nicht unterstützt. 

Er sollte ja nicht mich unterstützen, ich gratuliere ihm für solche Feigheit ja auch nicht mehr zum Geburtstag, will nicht Heizpilz auf seiner Party sein. 

Er hat sich aber auf die falsche Seite geschlagen und ist lieber brav geblieben als treu dem Recht. Wie er ja schon vorher das Recht nur verlangte gegen die, die kleiner waren als er -und die Schicht der Besseren, die er sich ausmalte-. 

Er hatte eine schlechtere Rüstung und ich weiß nicht, wie ich an seiner Stelle gehandelt hätte. Hätte aber ich mich wie er von der Republik (ja es war nur Provinz. Ist das weniger?!) abgewandt und dem Herrscher zu, ich würde mich bis zu meinem Tod schämen. 

Ich denke an den Sturm aufs Capitol. Den lieben und lustigen Jungen hätte man nicht in die erste Reihe der Polizisten stellen dürfen. Er hätte jeden Weg, sich aus dem Weg zu machen gesucht und die Abgeordneten allein gelassen. 

Es ist nicht jeder so mutig in der Überwindung der natürlichen Angst - etwa wie der schwarze Polizeimann, der allein gegen eine wütende Menge von Trump-Hooligans stand, die Pistole dennoch nicht zückte und die Kerle Schritt für Schritt in eine ungefährlichere Ecke des Hauses lotste. Es genügt, was die meisten der Polizisten taten: Widerstand leisten, bis die Kraft weicht. Aller Beifall für sie alle!

Der Mann war ängstlich. Aber er tat nichts, um gegen die Angst anzukämpfen. Ein sorgenvoller Familienvater und guter Freund von Spaß und Freunden. Aber verlasse Dich in Ernst und Gefahr nicht auf ihn . 

Kann man solche Leute wirklich zu Beamten des Vertrauens machen? Folgsame Gefolgsleute der oberen Ränge. In Zeiten der Herrschaft und des Wohlstands immer brav und auch oft freundlich zu Bürgerin und Bürger. In Zeiten von Ernst und Gefahr unzuverlässig. Funktionäre, "Freunde", Kollegen, Genossen - nicht Beamte. 

X hätte sich verdrückt und die Nähe zum Feind der Verfassung und Inhaber der Macht gesucht. Sein Platz war überall, wo nicht nach Hilfe gerufen wurde. Nicht an meiner, Deiner Seite.

13.1.22

Dunkle Augen

Dunkle Augen

Es kann täuschen. Hier sprachen die Augen Wahrheit. Der äußere Ring des Raums schien aus der Schwere zu kommen. Aber das Innere schimmerte von Menschenliebe. Und so die dunkle Stimme.

Treffe ich solche Personen, meine ich besonders begeistert sein zu müssen. Das wollen sie nicht. 

Nein! Auch sie war nicht wertvoller als irgendein anderer Mensch. Aber die Präsenz der Menschlichkeit ist schon unterschiedlich verteilt. Und dort ist die Freude und die Sympathie bei einer Begegnung größer, so haben Schmerz und Trauer etwas allgemeingültigeres, über die Person hinausweisendes, beim Abschied.

Ich zum Beispiel war eher ein sympathisch fühlender Bekannter als ein naher Freund zu X. Ihr Abschied beschwert mich mit einer dunklen Trauer.

Dieser Baum hatte die Wurzeln tief im Grundwasser der Menschenliebe. Ihr durftet von ihren Früchten essen, in ihrem Schatten sitzen. Wenn Du schwach bist, lehne Dich an ihren Stamm.

14. 1.22

10.1.22

Literaturposing

 Zahnarzttermin

Ich gehe eine Stunde vorher ins Café, muß dann aber noch einmal nachputzen. Wäre morgen Termin zum Sterben, würde ich es mir schenken.

Bei aller Beachtung der Ewigkeit denke ich doch nicht an ein baldiges Ende. Anders wohl die Leute, denen beim Anblick von unsereinem der Begriff "vulnerabel" aufgeht.

In Mannheim wird eine Woche mit Lesungen im alten Feuerwehrhaus angekündigt. Beginn der Veranstaltungen regelmäßig 20 Uhr.

Mit 70 gehen wir ab 20 Uhr nicht mehr ins Kino. Es gibt gesonderte Spielzeiten nachmittags für die Senioren. In der Literatur-Acquise scheint sich solcher Gedanke nicht bemerkbar gemacht zu haben. Von Lesungen im Betreuten Wohnen habe ich jedenfalls noch nicht gehört. Einziger Vorteil: Man wird mit Handke, Houellebeq und Walser verschont.

Vermutet man, da säßen wohl Leute, die auf Peter Alexander und Sylvia-Romanen seien? Oder glaubt man dann eine schwatzende und hüstelnde Truppe vom Stamm- und Bridgetisch vorzufinden. Auf den Verkauf von Büchern muß man wohl verzichten bei einem Publikum, das sich in Büchereien und öffentlichen Buchschränken bedient und sich nach der Lesung unendlich lang an Brezel und Plörre vergnügt. Regional und günstig, versteht sich.

Muß man da den Dialeckten aus Dunsach vorbeischicken oder die Vertreterin der Pilates-Diätchallange? Man könnte doch auch die Hörgeräte-App bewerben.

Der eigentlich tiefere Gedanke kommt aber philosophisch daher: Wenn die oder der morgen eingeliefert werden: ist es denn da so wichtig, was da an literarischer, religiöser, spannender, philosophischer, historisch und romantisch bedeutsamer Lektüre durch die Hirnwindungen gespült wurde? Man betrachte doch den Erbumstand Bücherregal: Das fällt doch als erstes in den Container. Und all die Makulatur an Erinnerung und Komik der Sehnsucht folgen nach.

Der Timer meldet sich. Ich gehe.