Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

14.3.23

Gesund

Gesund ist das neue krank. Kann es nicht auf Dauer zu blutigem Auswurf kommen, wenn Sie Zucker essen?!
Oder plötzliche Bewusstlosigkeit durch zu enge Gummihandschuhe beim Spülen? Schauen Sie sich Ihre Ärzt*innen an! 

1.3.23

Worte verlieren

Dz dz

"Ein Schwätzer, ein stummer Fisch, das war man schon früher. Aber: was schwätzt, was hockt der Alte da so stumm am Tisch? Das ist heute...

Ich schreibe schon 10 Jahre über das Verschwinden der Wichtigkeit im Öffentlichen nach Abgabe des Dienstausweises. Man lächelte irgendwie höflich, wenn ich aufkreuzte. Inzwischen stört mein Reden oder Schweigen in Kneipe und Café,  bei festlichen Anlässen und sonstigen Treffen.

Ganz früher diskutierte man an- und aufgeregt mit mir und über mich. Später, als man erstaunt Notiz von mir nahm, kam so manches "Na ja". Ich hatte das Gefühl, meine Äußerungen würden dennoch immer noch irgendwie in die große Verdauung mit aufgenommen und hätten eine ferne und schwache Wirkung im Zusammenleben des großenGanzen. Dieser oder Jene prüfe sie oder nähme unbewusst etwas davon auf, gäbe es mit Eigenem gemischt weiter und so sei es im Bewegen der Wirklichkeit mitwirkend.

Mit dem Verlust der Bedeutung durch den Umschlag ins Rentnerdasein wurde ich wieder Teilchen ohne Wichtigkeit im großen Strom.

Aber ich war auch - alt. Eine ganze Weile ging darüber hin, bis ich bemerkte, dass nicht nur die Wichtigkeit, auch die Sichtbarkeit vergangen war. Erscheine ich jetzt, bemerkt man mich nicht mehr, stolpert über mich. Und erst in diesen seltenen Fällen werden meine Bemerkungen, wird meine Anwesenheit registriert und mit einem "dz dz" quittiert. Über ein kurzes Stolpern, ein gestörtes "Na also!" hinaus hat meine Existenz keine Wirkung mehr auf den Fortgang der Dinge.

Ich denke, das Verstummen der Alten im Gespräch und das Aufheulen der anderen Alten im Pegida-Schlamm haben eine gemeinsame Wurzel. Die anständig gebliebenen drehen sich um und gehen ihren Weg weiter in die Stille. War es auch schön, das Ich verläßt die Enge des Raumes in das Nichts, bevor das Lid der Ewigkeit sich senkt."

Dr.Warnix, Psychagog und überflüssig,  legt umständlich die Brille zusammen (Bügel mit Pflaster repariert- nichts Unnötiges anschaffen) und lehnt sich zurück.

Brausender Beifall. Dünn ruft es aus dem Geräusch: "Hilfe! Hilfe!" Dr. Smirc mal wieder in der Bredouille!

Warnix schüttelt den Kopf und wirft den Rettungsring hinab. Etwas ist er wohl doch noch wert.
*
Du hast das jetzt gelesen und denkst vielleicht: "Muss man da so ein Wesen drum machen?"

Man muss nicht. Aber mir hat es Freude bereitet.

Die Ewigkeit weht fünf Schneeflocken darüber hin. Der Klimawandel ist auch nicht mehr, was er mal war.

"Lieber Jacko!" (Er hat den Vornamen seines Dr. Smirc, alter Knacker und Begleiter im Anstand nicht vergessen. Anm. d Hrsg.) "Fast hätten wir uns wegen der sogenannten Friedensdemo der zwei illustren Narzissen vergangener Avantgarde auseinander gestritten.

Jetzt bin ich froh, dass uns niemand mehr zuhört. Lass uns weiter an die Republik glauben!"

Sie umarmen einander und gehen ins Badenserbeisl. Man soll die Nacht nicht vor dem Whiskey loben. Gott zwinkert dem Nichts zu.

1.3.2023

21.2.23

Wie heißt das andere Wort für Alsheimer nochmal?

Mir fällt ein: 

Wenn man vergeßlich wird, sollte man nicht so viele Gedanken verlieren. 

15.2.23

Aus dem Steinbruch Schicksal

Und ich blätterte:

Bara Kohlmann führt uns durch die Schicksale der 50er Jahre, Nakazawa Kei lässt uns die Pfirsiche der 80er betrachten. Schön und gefährlich waren auch diese Zeiten und Räume. Liebe,  das war was!

"Sie sind aber liebenswürdig", sagt man öfter zu jungen Schriftstellern und alten Nobelpreisträgern ohne an Srebrenitza zu denken. Wie aufrichtig sich nacheilende Erfolgskritiker*innen doch freuen, berühmte gerühmte kennenzulernen!

"Hört, hört! " ruft das Labsal bekosteter Seele. Aus solchem Munde Lob zu hören! Wie oft ist es ein Maul!

Im Handumdrehen hat man die Flasche zur Hand und schenkt ein. Man trinkt einander zu, unterhält sich angeregt und fährt zurück in die Stasi - Datsche Komsomolz. Da gibt es dann wunderbar begeisterte Blicke, Spaziergänge und Candle-light-dinner mit Mütterchen Russland.

Unter uns: Die Frage bleibt: "Wann können wir uns treffen? " Es wird warm im Gefühl...

14.2.23

Zwischenspiel Nicola Förg: Ob das der Watzmann war, das wussten die Damen nicht. Ein kleiner blauer Wagen fuhr vor, und eine Frau um die vierzig stieg aus. Frau Hallöchen oder Mutti Dauerwelle? Doro war ja eher von der Post, hörte nur immer "Rabatte, Rabatte!" Für so viel Geld musste sie lange stricken.

Ob der komatöse Bestatter Feinde hatte? Die Kreise des Lebens verlaufen ja in Bahnen. So güllte ein südländischer Typ zwar die Akten, war aber längst wieder draußen. Die Gefahr, am Tisch eines dicken Muttchens zu landen kam mit jedem vermasselten Bruch näher.

Nicht alle Köpfe sind bandagiert. Das Smartphone meldete sich mit der Erinnerung "Steuererklärung". Da fiel alles Liberale ab von ihm. Sein "Delphi" war bekanntlich die griechische Döner- Bude am Alex, mit Ouzo und so weiter.

Fliegen auch Leichen spazieren? Eine große Verantwortung. Denn Sargluft ist unerwünscht. Nicht jeder entstammt schließlich einer Metzger - Dynastie.

1:0, Alter! Waren wir nicht zusammen in der Grundschule?  Aber es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, und wir anderen brauchen für uns nichts mehr zu hoffen.

12.2.23

Dolf

Was eir noch nicht wussten: der Verleger Holle ließ zu Lebzeiten zumindest zwei Herzen höher schlagen. Eins davon: das der zu Unrecht vergessenen Witwe Edith Felbing, reich und geborene Möbius. Als er sie höflich grüßte, neigte sie anmutig den Kopf.

Gnädiges Fräulein, könnten Sie sich dazu bereit erklären, dass wir noch ein Weilchen beisammen bleiben? Ich weiß ein hübsches kleines Café?

Dr. Smirc: "Das kann ich mir denken: der geht nicht zum Karstadt oder in die Badische Backstubb. Ich denk da mal an Zitronentörtchen oder den Kakaosommelier aus Frettingen. Erste Sahne! Na, sie ist ja erwachsen. " Tomoko riecht an den Pfirsichen, deren Haut im Wasser wie Quecksilber schimmert.

Da war namenloses Leid in Ediths Augen, denn sie war verlobt mit Quirin Felbing. Warm ruhte dieser andere Blick auf ihrem Gesicht, das man in früheren Zeiten Antlitz einer Fürstin genannt hätte. Er schämte sich irgendwie fremd. Leben Sie wohl, Herr Dr. Holle.

Handkuss und ab.

Also war es auch. Eine Stunde später war sie Quirins Frau.
"So--? Wirklich --? Ich weiß, was ich weiß!" Die neidische geprellte Erbnichte. Wer kann schon etwas sagen, bevor Dr. Olmütz ihn untersucht hat? Der Name klang nach Ostpreußen. Umständlich zündete er sich ein Zigarro an. 

12.2.23

Wohl gehütete Pfirsiche

Die Erzählung ist von Nakazawa Kei um 1990 veröffentlicht. 

Nach einigen Seiten in der japanischen Erzählung betrachte ich die Reste des Blumenstraußes in der kleinen Vase wie ein Gemälde.

Sehr gut gefallen mir die mit suchender Genauigkeit geschriebenen Sätze japanischer Literatur. Manchmal muß ich lachen über die ungewöhnlichen Metaphern, wenn etwa ein Orgasmus als etwas von bestimmter geschmacklicher Süßigkeit beschrieben wird. Und die Verhältnisse zwischen Mann und Frau sind auch in der neuen Literatur von irgendwie ausgeblichenem Fühlen. Traurigkeit aus tiefer Einsamkeit. Wohl, wo die Person sich von der Gesellschaft entfernt. Das gibt es ja auch hier. Ergebnis der französischen und englisch/amerikanischen Revolution, in Deutschland usw. der Reformation und Aufklärung. In Japan scheint dies noch Sache weniger Intellektueller zu sein. 
Die 70er haben dort wohl auch mehr in die Gesellschaft gewirkt. Aber in dieser Erzählung weht noch der Duft verwesender Kirschblüte. 

Aber verstehen wir nicht einander, wo Einsamkeit Einsamkeit trifft, während in den düsteren Räumen der Diktaturen Lust und Liebe von Metzgerschürzen der Faschismusromantik in Sauerkraut und Fleischkäs geknetet werden?

28.1.23

Hinaufgelangte

Hinaufgelangte

„Der Wachowski? Auch so'n Dichter.“ Maliziöses Lächeln überm Eisbein. Der Naja weiß Bescheid.

Hinaufgelangen um jeden Preis wollen andere. Noch andere erwischte die Ziehung der Nobelwürfler.

Handke, Depardieu, Walser (M), Sloterdijk. Da gab es doch Tausende, die genauso besonders talentiert waren oder eben genauso wenig. Und von denen hatten doch auch einige Tausende förderliche Beziehungen zu VIP und Schein-VIP. Es kann nicht jeder das große Los zum Kulurtrog ziehen. Man zahlt mal eins, dann muss aber auch gut sein. Man muss leben und, wenn man zum Beispiel „auch so'n Dichter“ ist, in die Welt schauen, nicht nur in die Gönnung.

Der Wachowski ist da nicht neidisch. Er hat sein Geld verdient, viel schreiben können (einiges davon schön) und er kann jetzt unerkannt, unbelästigt durch die Straßen und über die Wege. Mit verschrobenen Dichterblick, genannt Aufmerksamkeit. Ihn trennt nur selten ein wichtiger Artikel von Verehrung in Zeitung und Netz vom Leben und die Gedanken können frei fliegen.

Auch er hätte mit Glück und richtiger Anwesenheit bei wichtiger Preisverleihung von wichtigen Personen, bei konsequenter Beziehungspflege und austarierte Brav/Frechheit hinauf gelangen können. Dann müsste er sich mit einer etwas graueren Einsamkeit als der des Lebens abgeben.

Nein! Schon schöner, fremd zu sein unter VIP*innen.

Hier zum Beispiel zieht er die Luft durch die Nase. Noch nicht Frühling. Es singen die Meisen noch nicht und die Eichhörnchen suchen noch in kalten Böden. Wie die Menschen so gebeugt um die Häuser hasten und schleichen. Über dem Lärm plötzlich tiefer klang einer Glocke. Erinnert das nicht an die Dalloway?

Ein Dichter vom Naja unter Hinaufgelangten.

Na ja. 

29.1.23

13.1.23

Eierbecher 2010

Ich trage das Geschirr in die Küche. Ich sehe die Wand über der Spüle. Ich drehe den Kopf zum Fenster, sehe Regenwolken. Der Eierbecher zerschellt auf dem Boden. Ich habe nicht gespürt, wie er aus der Hand glitt.

Laß das Licht herein, schieße die Pfeile der Vogelstimmen durch die Regenfäden!

Was da zerbricht, ist nicht das Leben noch ein anderer besonderer Wert. Ich verliere wirkliche, körperliche Kraft, während ich noch einen gewissen Anteil wirklicher Macht, Einfluß ausübe.

Der leichte Schmerz des Noch-nicht der Jugend, der wie der Stich einer Rose den ganzen Körper ergreifen kann, teilt seine Herrschaft nun schon lange mit dem des Nicht-mehr. Jetzt ist das Alter in mir, mit all seinen Brechungen und Brüchen. Es hat auch etwas von einem befreienden "Endlich!" Die Blüten schließen sich, schützen sich unter dem Regen. Unter dem Regen - wachsend.

 

Ich fege die Reste zusammen. Es war einmal, es ist nicht einmal ein Märchen.

Ein Staubkorn oder eine Galaxis stürzt in eine Sonne. Während es Materie an sich zieht, verliert es  Materie. Ich höre den Lärm, mit dem der Eierbecher zerschellt. Ich höre nicht, ich spüre nicht wie die Kraft geht. Was für ein Lärm, wenn Galaxien ineinander stürzen. Welche Stille beim Sterben der Kraft!

Der Lärm erinnert mich: ich bin! Plötzlicher Tag. Die Stille nimmt mich mit in die Zeit. Sie formt ein Wort aus der Tiefe. Ich rätsle, was wohl der Sinn, die Welt dahinter ist. Sie rüttelt mich auf mit einem Schrei aus brechendem Scherben.

 

Wie nun alles zurückkehrt!

Was wäre der Lärm ohne die Stille?

Was wäre das Wort ohne Dich?

 

Ich lasse Wasser ins Spülbecken. Goldene Reflexionen an der Decke. Die Regentropfen blitzen unter der Sonne, im Regen-rauschen zwitschern hundert Vögel. Dies scheint ein guter Tag zu werden. Nimm ihn in die Hand. Gib gut Acht!

11.04.10 Klaus Wachowski