Tracy Chapman: There is fiction in the room between. Versinke im Augenblick. - Aber verliere nicht den Verstand
27.12.22
Vom neuen Anfangen
Heute ist neuer Anfang nach Weihnachten. Die Wohnung ist erst mal auf Stand. Es geht hinaus in den kalten sonnigen Tag.
Es ist etwas von kalt auch in mir, aber ich habe heute morgen unvermutet eine Zeichnung von mir aus diesem oder dem letzten Jahr gefunden. Es freut mich. Sie ist mir gelungen, obwohl ich damals eher dachte: irgendwie spießig. Anderen mag es so erscheinen, mir gefällt es plötzlich. Ich weiß noch wie der innere Anspruch lautete: zeichne doch einmal dieses schöne Blatt nach! Gleich zeichnete ich es fünf mal neben - und übereinander mit Schatten.
Jetzt sagt mir die Form: erinnere Dich. Und die Erinnerung an dieses Gefühl erfüllt mich. Vielleicht ist es etwas von dieser Altmännerphilosophie des zen, dieses plötzliche Ahnen vom Einswerden mit Allem, so etwas wie ein atheistisch - religiöser Orgasmus. Egal: es macht high, lässt die Zeit stehen, den Raum verschwinden. Für einen Moment.
Es war gut. Es geht weiter. Ich denke: Zeichnen erscheint mir wie das Echo der leisesten Berührung, die der Mensch spüren kann. Manchmal gelingt es, dieses Fühlen zu teilen, mitzuteilen. Kunst hat nichts von Größe, nichts mit ihr zu schaffen. Wer verehren will, gehe zum Guru. Aber mit etwas Glück kann sie ihre Freude vermitteln.
Also weiter über die feuchten, braunen, in Fäulnis übergehenden, aber zum Teil noch gefrorenen Blätter. Erinnerungen an andere Zeiten nach anderen Weihnachten kommen auf. Wie war das im letzten Jahr, wie vor zehn, fünfzig Jahren?
Ja, ich habe schon Hoffnungen auf die Zukunft des nächsten Jahres: neue Begegnungen, mehr aber auf die Erinnerungen, die sie in mir auslösen. Die Wintersonne über meinen Regenpfützen in hoffender Kindheit, in Einsamkeit und Erwartung der Jugend, im Weg durch den Schnee mit Dir, in Staunen und Vorfreude der Kinder. Der Gesang von Meise und Amsel aus den Himmeln des Frühlings, die Frieden atmende Landschaft des Sommers, ein Fluss, eine Stadt, die wehmütigen Blüten des Herbstes. All die Jahre, Jahrzehnte. All die Zeit.
Zwei Schulen des zen bekämpften einander erbittert: die eine von der plötzlichen Erleuchtung, die andere von der disziplinierten Meditation. Das braucht auch der japanische Alte nicht, ob weise oder ganz normal. Im Alter führt beides zum Glück der Erinnerung. Sie ist schon eine Droge gegen die Trauer.
So lass uns hinaus gehen, diesen tropfenden Zweig staunend berühren. Wie war das noch? Diesen vom weißen Wolken durchzogenen fahlblauen Himmel in uns hinein sinken und einen Glühwein gegen die Kälte trinken und zur Lockerung der Zunge. Und eine Zigarre am Stand. Ist es nicht schön, Mensch zu sein in der Welt der Menschen?
Ende 2022

25.12.22
Patagonien
Eine Niederung, aus der auch einige Büsche heraus ragen. Ob es da Wasser gibt? Auch einige Spuren von Huftieren lassen es vermuten.
Wir gehen und schauen. Manchmal kommt ein Schatten aus dem Verlust. Ich stolpere.
Hinter den Büschen ein noch dunklerer Streifen. Wald. Beim Näherkommen wird eine Baumreihe sichtbar, die sich nach rechts zieht. Eine Allee, die vielleicht in eine belebte Siedlung führt.
Eine Gruppe von Menschen kommt uns entgegen. In der Mitte ein weiß gekleideter Mann. Extatische Gesänge. Ist es Aufmarsch oder Ritual? Gibt es ein Zurück in das Universum des Tuns?
Das Boot am Ufer. Vor uns die Grasebene.

13.12.22
Handke, jetzt alt
Rio meint: einen Regenbogen unter den Wolken zu biegen, das
wär doch was!
Zwei Alte vor einem tröpfelnden französischen Brunnen. Warum
zeigt der jüngere auf das geschlossene Bordell? Hat er noch Wehmut? Japan lacht.
Jetzt streckt er die Hände aus, deutet auf den wohnungslosenlosen
Schwarzen, ruft "Wuschelkopf". Der hat keinen Nobelpreis für
amateurhaftes Verputzen der Welt bekommen. Sollten wir mitlachen? Ein Welser und
ein Griffener in Paris.
Vom Ponzer her klingts: „Dir geht's wohl wie Jim?
Plötzlich verspürt Jim Buckmaster den Wunsch, nicht so wie
Quean zu werden. Einmal hatte er sich heiB gewünscht, ein Mann wie Quean zu
sein. Jetzt nicht mehr.
Denn nun begreift er zum ersten Male richtig, was das
bedeutet..“ (Ein echter Unger – Western für 4,50 DM im Wartezimmer)
Doch Quean kommt nicht.
In Jim ist ein tiefes Bedauern. Er möchte hinreiten und mitreden.
Doch er traut sich nicht so recht. Freudlos reitet er heim. Was so ein Flug nach
Tokio kostet!
Hufgetrappel und Räderknarren, Kommentare zum Jubel-Fest. Warum
auch nicht?
Ob er Gymnastik macht, die Knochen schon spürt, vor
Erinnerungsproblemen um den Namen etwa in der Niemandsbucht in Sorgen verfällt
oder ob er sein großes Gähnen noch Jahre weiter in die Ewigkeit treiben läßt? Wer
will das wissen?
Beim Ponzer in Durlach zwei Alte mit Togokaffee. Smirc,
vergiss den Dr., vom Schnarchlabor, Warnix, der Altpsycholog vom Atemcenter
(ungeheurer Schwätzer redet mit jedem und jeder im Wartezimmer). Die haben auch
schon bessere Tage gesehen.
„Hej Jacko, schon gehört?: der Handke hat Geburtstag.“
„Ja und? Gehst hin?“
„Was soll ich denn bei dem?!“
„Ich meine zur Demo.“
„Ach laß mal, ist doch auch nur n alter Knacker wie wir.
Schreiber, nobler Preis und Pilzlurch. Wer fragt da nach?“
„Stimmt, lass ihn sein Gähnen in die Ewigkeit tragen. - Y
hatte nicht die Chance.“
Warum mit reuiger Einsicht des Gipsers, Gurus rechnen?
Walser, der Schlusstrich, Arno Schmid oder Schmidt?, der SS-Bewerber, Carlo
Schmid, der Humanist vom Todesurteil, haben sie ein Wort der Reue verlauten
lassen?
Schüler der Schule ohne Rassismus gehen vorbei. Was die wohl
zu einem Milosevic - Freund meinen?
Lass der Ewigkeit die Arbeit, diesen Nobelpreis im Nichts zu
begraben. Ob da so eine Gipsmasse von Nobelbepreisung und geweißeltem Pilzhütchen,
oder anderes aus dem Karton „zu verschenken" aus dem Sand ragt, was solls?
Den Kritikern aber würde ich auch sagen: lasst ihn. Er hat
genug mit seiner Kapitalverwaltung und der Abwehr der Verehrer zu schaffen (kommt
zu all den Spams hinzu). Zeit für Euch, sich mit anderen Unwichten zu befassen,
die einfach nur langweilig, sonst aber ohne Schuld sind. Gerne auch mit der
Ahnungslosigkeit von Verehrern, die zu feige sind, ihre Namen klar zu posten.
Goethe, der Oberlehrer, stellt sich mit einem Perlwein Edeldnüff
dazu: Nimms mit den Naturgipsern doch nicht so schwer! Da scheint schon ein
gewisses menschliches Interesse an tiefem Gähnen zu sein. Selbst die Noblen vom
Preis haben doch eine gewisse Sehnsucht nach Schläfrigkeit gehabt . Lasst doch
mal!"
Ob suhrkamp Bots der Verehrung, Trolle des Kritikhass
produziert?
Gott spendiert eine Dampfnudel aus dem Niemandsland mit
Betschgräbler Krempe.
*
Der Regenbogen biegt sich hinab ins Muzej ratnog djetinstva, Sarajevo. Dort denkt man an Y.

2.12.22
Reiß die Himmel auf!
O Heiland, reiß die Himmel auf!
Sie hadern damit, Gott nicht glauben zu können!
Ja und?!
Es liegt doch vor und in
ihnen, breitet sich um sie herum aus.
Da ist es doch weniger
eine Frage des Glaubens als eine der Aufmerksamkeit, des Interesses in Leben und
Welt.
Wenn die Himmel aufreißen
sollen,
ruft ein Schmerz
aus Liebe und Verlust
nach oben
in die Sehnsucht,
fließen wildere Flüsse,
jüngere Bäche
aus Herzen –
dem Ende zu.
Was sind da Kraft und
größere Kraft!?
Da sind Hoffnung
und Liebe
und Glauben
an all dies, von dem ich
mir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen kann.
So wenig wissend wie Du.
7.12.2021

Bürger Kunde 2007

1.12.22
Baumkronen

13.11.22
slow walk of an old man
Gang für den Frieden
(slow walk for peace)
Die Kaiserstraße lang. Langsam, die Kerze in der Hand. Dreißig sind angemeldet, es kommen zehn. Am Ende des Walks sind es doch mehr als fünfundzwanzig.
Die Lichter gehen an. Lampen, Schaufenster. Kinder tragen Laternen in den Martini. Es wird Nacht.
Stimmengewirr, Arme, Kunden, Verliebte, nach zehn Minuten eine wehmütige orientalische Weise aus einem Saxophon. Wie viele Straßen bin ich gegangen?
Was soll das heißen: Z?! Auf der Kerze die Zeichen A und O. Anfang und Ende.
Da sind Kunden und Käuferinnen. Auch für Deinen Frieden gehe ich.
Am Europacenter drehen wir um. Ob die Kerze auch in Deinem Gesicht aufscheint? Eine junge Frau mit schöner Stimme und kräftigem Mikrofon begleitet unseren Weg in einem Zug Sehnsucht. Es klingt wie Erinnerung.
Zum Ende: Dank des Einladenden. Keine Ursache: Ich habe zu danken. Eine kleine Strecke lang ging der Frieden auf der Straße. Nach Odessa oder Teheran, Mogadishu oder Sanaa. Aus meinem Dorf Kindheit in Deine Hoffnungsstadt.
… Wie kannst Du klagen, Du seist einsam?! Lass Dich durch die Straßen Londons führen… Streets of London von Ralph McTell 1973, (Ich war 22).
