Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

11.2.16

Licht in der Hoffnung

Es ist kalt und es wird Frühling. Die Meisen und die Spatzen streiten laut um die Sonnenblumenkerne. Ich stehe am Fenster im ersten Stock. Jetzt, wo ich dieses Haus verlasse, fällt es mir zum ersten Mal auf, dass ich nie mehr die Möglichkeit haben werde, sie auf gleicher Höhe, sozusagen von Du zu Du zu sehen.

Was ist das schon?

Es ist eben dieser unwiederholbare Augenblick in der Reihe der unzähligen unwiederholbaren Augenblicke, der mir die Vergänglichkeit und das Wunder des Lebens gleichzeitig vergegenwärtigt.

Vergänglichkeit heißt nicht vergeblich leben. Die Vögel zeigen es mit jeder Bewegung, mit jedem Laut rufen sie es hinaus: "Ich freue mich! Ich trauere !"
Der Wind weht endlich die Wolken weg. Sie leuchten auf in einem grellen Abendlicht.

Der alte Vertreter sagt:" Wenn ich mit Dir gehe, rede ich anders als mit X. Deine Fragen regen mich an, über das zu nachzudenken, was in und zwischen den Köpfen der Leute geschieht, die hier leben. Die Welt schaltet plötzlich das Radio Interesse ein. Erkläre Dich zum Tag! Was ist das? Welche Erklärung könnte es geben? Wie kam es dazu? Und was ist der Sinn? Vor allem aber: was sagst Du dazu?

Dann wendet sich der Weg zurück nach Hause. Und ich merke, dass ich wieder nur allein geredet habe. Es war die Freude über Interesse."

Er überschätzt sich. Könnte das Interesse nicht auch so fragen: "Ich höre ihm zu und frage mich die ganze Zeit, was denn in so einem seltsamen Kerl vor sich geht."

Mankell sieht im Lichtkegel der Straßenlaterne einen Hund auftauchen und im Dunkel verschwinden. Ein Bild von Flüchtigkeit und Schönheit der Existenz. Der Hund verschwindet im Dunkel. Aber er vergeht nicht. Hat der Atheist, der mit Unendlichkeit nichts anfangen kann, hier ungewollt ein Bild für die Gläubigen der Vorstellung von der Unendlichkeit der Seele gegeben? Und wie viele gibt es leider, Herr Kriminalschriftsteller, die im Lichtkegel der Straßenlaterne plötzlich eine Hass sprühende Fratze auftauchen sehen?

Wir reden von dem, was in und zwischen den Köpfen der Menschen geschieht, während die Meisen Frühling verkünden. Es geschieht auch der Schrecken.
Aber wir reden miteinander, um das Licht ins Gewebe unserer umeinander flatternden Hoffnungen einzuflechten.

10.2.16

4.2.16

Mankell zu Zeit und Wirklichkeit

Ich merke, dies ist eine innere Pflichtaufgabe. Irgendwie gedrechselt. Die Ansätze sind interessant, aber der Ausführung kamen wohl zuviele oder zu weit entfernte andere Gedanken dazwischen.

Zur Zeit ist das Klügste und auch Schönste von Kant und seinem Übersetzer ins Verständliche,  Schopenhauer, gesagt worden. Bei aller Anstrengung, Eigenes beizutragen, scheitert Mankell.

Das schadet nicht: ohne solche Anstrengung gibt es nur selten auch Gelingen.
Mich hat der Versuch jedenfalls zu eigenem Versuch - ohne Garantie des Gelingens - angeregt.

Was bedeutet die Zeit für Personen nach dem Schmerz?

Es scheint, als ginge die Zukunft in einen sich auflösenden Nebel ein, beleuchtet von einem oft gleisenden Licht der Erinnerungen. Und die Gegenwart erstarrt in diesem Anblick eines unbegreiflichen. Es erstaunt, aber es vertieft nicht wie das Wunder Leben, das Dir zu früheren Gelegenheiten blitzartig aufleuchtete.
Anders als Mankell, dessen Kritik wohl noch aus Animositäten der Vergangenheit her rührt, rätsle ich bei solchem Anblick über Gott.

Nicht anders als ich, denke ich, ist auch er, die Ewigkeit, Teil der Zeit. Es kommt die Zeit, da auch ich zurücksinke (hoffentlich falle oder stürze) in das Grau der Ewigkeit und in die kurzen Reste an Zeit, die in Erinnerungen der Liebenden auf das Ende warten.

Und auch hier immer wieder die Frage: diese einmalige Gelegenheit, Leben zu erleben. Wem kann ich für die Wirklichkeit dieses Wunders danken? Die Erstarrung der Gegend, die Auflösung der Zukunft im Schmerz, finden unter dem Fortgang der Zeit statt. Und all diesem, was da unter dem Himmel der Ewigkeit über mir ausgeschüttet wird, sich über mir ausschüttet, gebe ich in Ermangelung eines anderen Namens die Adresse Gott.

4.2.16

Eine Antwort des Dr. Smirc könnte lauten: Wozu willst Du danken, wo Du das Geschenk doch dem Zufall, dem Schicksal, verdankst? Und der Psychagog und Nudelsalat Dr. Warnix würde sicher etwas davon abweichendes aber vernünftiges beisteuern, etwa derart: Wenn Du nichts weiter bist als die durch alle Moleküle der Urzeit auf heute gekommene Lebenskraft X, die in eine andere Urzeit namens Zukunft sich ausdünnt, warum dankst Du nicht Dir selbst?

Ich weiß: auch nicht gerade von Klarheit oder Tiefsinn glitzernde.
Die Frage war den Versuch einer Antwort wert.

*

Ich fahre in einer grauen Atmosphäre mit dem Zug nach Hause. Es regnet, die Fenster sind beschlagen, die hereinstolpernden Schüler lustlos und erschöpft. Die Zeit vergeht. Gott sei Dank: die trüben Tage vergehen.

Altweiberfastnacht. Gott sei Dank schon abgerauscht nach Mainz.

Aber zurück in den Schmerz will auch niemand. Mankell, der seine Angst mit Fragen an die Vernunft fern hält, hilft. Gegen das Bild von bunt in schwarz, das das Wunder Leben in die Fläche eines Cartoons drückt.

10.1.16

Das Haus



Das Haus
Auch ich wollte ein Haus in der Ewigkeit. Da steht es auf fließendem Sand.
Ich versuchte die Türen mit Schlössern zu schützen. Ihr habt sie geöffnet -  von Innen.
Liebe und Ego gingen darüber hin. Nun sind die Ziegel verwittert, die Wände grau und ich habe vergessen, wo ich den Schlüssel versteckte.
Aber sieh das nachgedunkelte Bild im Flur. Es zeigt Euch fröhlich auf der Liebe unserer Sonntage, fröhlich auch hinaus springend, Euch umschauend nach neuen Wegen zum eigenen Horizont.
Nun, es muss erneuert werden. Die Bilder von den Wänden, ein neues Sofa und digital, was geht. Die neuen Frühlinge aus sauberen Scheiben zu grüßen, künftige Winter leichter zu bestehen. Aber die Bilder kommen wieder an die Wände, Eure Stimmen schwirren weiter durch den Traum.
Es ist nicht alles Pegida. Da ist auch Menschlichkeit unter Menschen. Und sie haben Telefonleitungen in die Ewigkeit gelegt, Fahrzeuge gebaut, uns auf leichte Weise wieder zu begegnen. 
Das Haus ist schon nicht mehr im Lot. Wir müssen da nichts vererben. Ihr werdet eigene Bauten errichten. Aber während der Sand schon in die unteren Räume rieselt, lassen wir die Saugroboter surren, leeren wir die Spuren der Ewigkeit in den Kompost des Heute. Bewahrend, was Erinnerung hält:
Die Freude an Euch,
die Dankbarkeit für all dies.
9.10.2016
*
Heute höre ich den Frühlingsvogel vielleicht zum letzten Mal in diesem Abschnitt der Ewigkeit. Ich ziehe an einen anderen Ort. Er singt Hoffnung. Ich höre Erinnerung.
Es ist schwer, den Raum wieder zu erweitern, nachdem der Verlust ihn in eine tiefe Nacht tauchte. Aber der Frühlingsvogel singt. Und ist es auch "nur Erinnerung", so spüre ich doch, wie das Herz sich weitet. Auch an dem anderen Ort muss ein Frühling sein. Auch an dem anderen Ort müssen Futterhäuschen an Bäumen hängen. Ich will sie füllen mit den Sonnenblumenkernen der Hoffnung. Es gibt zur Zeit 20% auf alles. Ich erwarte den Himmel neu.
Und aus dem Frühlingsvogel singt die Liebe neu, und der Schmerz versinkt in einer Flut aus hoffnungsvoller Liebe. Wir nehmen die Bilder mit. Sie zeigen an neuen Wänden in die alten Weiten.
Im Kapitel 14 seines Buches“ Treibsand“ denkt Henning Mankell anlässlich seines bevor stehenden Endes unter anderem darüber nach, wie rückwärts orientiert der Versuch ist, Atommüll vor den Augen der künftigen Generationen in unterirdischen Höhlen zu verbergen. Die Entwicklung der Vernunft war stets mit dem Aufleuchten der Sonne verknüpft, aber „diese unsere Zivilisation, die es weiter gebracht hat als alle früheren hochentwickelten Gesellschaften, hinterlässt eine letzte Erinnerung, die nur aus Dunkelheit besteht“. – Wie das weiter schwatzende Denken nach 45 die Erinnerung an die Ungeheuerlichkeiten aus den Schwelbränden der Ideologien unter den Schwemmsanden der Abwiegelung. Vergesst nicht!
Auch an unserem neuen Ort fließt der Treibsand der Ewigkeit ins Vergessen. Das Licht wird erlöschen. Aber da Nichts nicht war: warum soll Nichts je sein? So schauen wir beruhigt und froh aus glücklicher Erinnerung in die Weiten, getragen vom Gesang der plötzlich einschwirrenden Frühlingsvögel.

10.10.2016

29.12.15

Peinliches

Peinlich berührt siehst Du weg.
Ich mache Dir keinen Vorwurf,

wollte auch nicht eindringen
in die Wunde des Trauernden.

Aber glaube mir:
In den Tränen, die in die Falten der Trauer rinnen,
leuchten die schönsten und die kräftigeren Erinnerungen
der Welt unter dem Regenbogen.

Und sieh, es leuchten die Spuren der Tränen,
es leuchtet aus den Falten der Trauernden.

Und welches Glück der Unendlichkeit:
Das Fenster Leben geht auch
auf  in den Horizont Erinnerung

8.12.15

Five oder Schlehen



15.11.15

Baum

Er betrachtet seine Seele. Er reinigt das leere Marmeladenglas von Leimresten. Das Durchsichtige, es verführt den Blick in fernere Tiefen. Was ist hinter dem Horizont an Welt? Bist Du dort in den Fernen von Raum, Zeit und Selbstverständnis nicht auch auf der Suche nach dem Wort aus dem Frieden?

Gewiß, es ist still.

Er geht hinaus in den Garten. Der Riß im Baumstamm ist noch deutlich zu sehen, geht tief bis an den Beginn der Wurzel. Atahualpa singt: mit schmerzender Wurzel breche ich in Blüten aus. Oben hat er ihn verbunden, unten fließt und heilt das Blut der Erinnerung. Harz und Herz haben sie nicht den gleichen Wort-Ursprung?

Tränen schießen ihm in die Augen. Sie fließen über die Wunde und heilen schmerzend den Schmerz.

Die Sonne bricht durch die Wolken. Für einen Augenblick leuchten die eingewehten, schon ausgetrockneten Blätter auf in gelbem Herbst. Ah, plötzliches aufgeregtes Zwitschern von Spatzen. Hinten auf der Straße der Nachbar. Man wird einander von Tisch zu Tisch grüßen. Auch ihm ist ein Verlust durch die Sehnsucht gefahren.

Aber es war richtig und gut und Glück. Es wird wohl nicht wiederkommen. Die Sehnsucht hat einen Riß bis zum Beginn ihrer Wurzel. Jetzt wohnt er weit draußen in einem anderen Haus, in einem anderen Land. Aber es war richtig und gut und Glück. Die Liebe hat ihren heilenden Verband um die Sehnsucht gelegt, Erinnerung blutet ihr Harz in die Wunde.

Irgendwo bricht Licht aus Wolken. Er drückt den Rest der Zigarre aus und geht hinein, sich umzuziehen, um zu gehen. Er muss unter Menschen, manchmal gibt es Kultur. Vorher aber liest er noch einen Absatz aus Virginia Wellen.

Der Baum bereitet sich auf den Winter vor, verwandelt Alkohol in Zucker. Wer wüsste , dass es wieder Frühling wird, gäbe es den Menschen nicht?

15.11.2015

3.11.15

Grauwacke

Ein Brocken Grauwacke liegt auf dem Weg. Wenn Du ihn zerschlägst, wirst Du ein Farben schillerndes, schön geformtes Inneres entdecken. Wie die ungezählten anderen Steine und Brocken vor und hinter Dir ist auch er aus dem Felsmassiv der Zeit gebrochen und auf den Weg gefallen, der Dich nun schon einige Jahre durch Hoffnungen und Befürchtungen zieht.

Tausende und mehr sind an dieser Stelle vorbeigekommen ohne sich nach diesem Stück Wertlosigkeit zu bücken. In Dir war die Neugier noch nicht erloschen oder wieder aufgeflackert. Auch ich gehe und bücke mich manchmal nach manchem Stein, als sei das Glück darin verborgen. Manchmal begegnen wir, manchmal erkennen wir einander für einen durch die Erinnerung blitzenden Augenblick. Dann gehen wir wieder eigenes Leben.

Ich wünschte, ich hätte das meine so bunt beschrieben, wie ich es erfuhr, erwünschte. Wenn ich nicht mehr bin, hoffe ich, dass mein Erbe so ein Stein Unscheinbar sein wird. Noch im Felsengebirge, dann im Weg, dann Staub, zerfallener Kristall wie jeder.

Einfach nur leben? Einen Stein betrachten. Festigkeit und Zerfall. Das so langsame Wachsen eines Kristalls, die nicht raschere Auflösung. Einfach nur leben. Wunder genug.

Eine bekannte Stimme aus dem Hintergrund: "Der Größte willst Du nicht sein, nur der Besonderste! Wenn die Menschen Dir nicht zustimmen, wirst Du Dir zu diesem Zweck einen Gott, einen göttlichen oder heiligen Plan dazu schnitzen müssen."
Ach ja , der alte Warnix, Psychagog und VIP-Downloader!

Dr. Smirc verteidigt uns: "Natürlich habe auch ich meine Portion Größenwahn. Es gibt doch Sex.- Aber schreiben, malen, die Welt in Stoff, Farbe, Ton zu erfassen und umzugestalten, das ist doch Bedürfen von Anfang an!- Warum sollten andere die Haltung nicht auch einnehmen?

Warum ich darüber rede? Weil die Wichtigtuer von der Langeweile die Suchenden mit ihrem Lärm so verwirren, dass sie sich in den Säcken der gestiefelten Kater verlaufen und schließlich alle Hoffnung verlieren.

Bei mir findet niemand Glück oder Erlösung pp. Aber vielleicht doch - und das in jedem Fall eher als dort - die Lust wieder, Selbst zu gehen. "

Dr. Warnix zieht eine Miene der Bedenklichkeit.

1.11.2015