Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

30.9.16

Schnäppchen bei Hartz IV.

Tatsächlich: Houellebecq, Sloterdijk und Handke für 3 Euro.
Räume des Ich, weit ab. Vielleicht vereint sie der Drang nach Klassik, die Ferne zu Dylan,Stones und Beatles pp..
Der Älteste ist schon in laue Gefühle versunken, schaut in die Schüssel. Er wird den Geruch von Erdbeeren über Massengräbern nicht los. Ihm herbstelt.
Ein besoffener Russendeutscher flucht sich eine Gasse durch die Touristen, der Alte von nebenan zieht sich zum dritten Mal die Hose aus, die Pflegerin wirft wütend die Windel weg. Glocken läuten Sonntag.
Houellebecq geht zum Rednerpult. Schmollt einige Enttäuschungen vom Stammtisch des besseren Wissens ins Literarische. Das da capo eines Nietzsche-Publikums läßt nicht auf sich warten.
Kastanien fallen. Kinder jagen nach ihnen wie nach einem Schatz. Gott schickt zwei Zeugen Jehovas ins Café Einstein.
Der Raum krümmt sich. Handke versucht etwas Müdigkeit zu verstehen, Houellebecq sorgt sich um europäisches Kinderkriegen. Die Zeugen ziehen unverrichteter Dinge ab.
Dröhnender Wagner fällt ein, Begriffe bestrickender Sloterdijk.
Sie betrachten Weibliches, werfen ihr Ich in alle Richtungen des Beifalls. Manchmal nicht ohne Witz und auch schon mal im Anzug. Strindberg ist das nicht gerade. Die Jugend macht ihr Ding. Die Republik will’s jetzt lieber doch mal mit dieser versuchen.
Alt sein ist bitter. Aber ich liebe Tonic.
Ich nehme es gerne mit einem Absolut des Kommissar Beck, kehre dann aber wieder zu einem ordentlichen Wein von Thomas Bernhard zurück.
30.9.2016 Klaus Wachowski



20.9.16

Zwei Ausblicke



"Viertakter mit zwei oben liegenden Nockenwellen. Da gibts soo geile Sachen. Zahnradkaskade.- Die Italiener haben damals..." Der Altherrentisch kommt ins Schwelgen. Fredo Sega weiß nicht wie ihm geschieht.

Vor dem ins Billige gespreizten Post-Center steht einer am Cafétisch. Schwarze Zimmermannshose, schwarzes T-shirt, schräge Mütze. Er steht etwas gebeugt, um sich leichter abstützen zu können. Ein kleiner Kaffee, eine Zigarette. Nervös allein.

Das Holz ist geschnitten, der Eimer geleert. Er hat die vorgezogene Pause nicht weniger verdient als Du, die/der Du ihm jetzt hinter dieser Notiz hervor zusiehst.

Was sieht, erkennt, sucht er in den vorüber hastenden Glückssuchern? Und warum gehst Du Leute gucken? Es ist da etwas wie Glitzern auf Meereswellen, Zwitschern aus dem Wind in den Blättern.

Vor einem Jahr noch schaute er auf die Unkrautpromenade am Zaun des Betriebs seines Meisters. Aus der Leere in eine erstarrte Zeit. Da war Vogelzwitschern aus dem Wind in den Gärten.

Beides hat Schönheit, Sehnsucht und eine tonische Traurigkeit, die Lust auf mehr Warten macht.

Spürt er etwas von der Kälte einer Hinauferziehung? Oder war da Liebe und Wärme? Er zieht jedenfalls nicht wie ein Erstickender, eher mit einem leichten Aufleuchten der Augen an der Zigarette.

Das Leben versichert mir: "Der Mann ist okay!"

Dann in der Strassenbahn von S herein sitzen hintereinander drei, denen jemand oder etwas die Hoffnung aus der Haltung gekratzt hat.

Bleib bei Dir! Du hast immer zwei Ausblicke zur Verfügung.

9.9.16

Waldweg

Ich sah

das Licht, das in die Schatten bricht,
Schatten, der ins Leuchten kriecht.

Was ich auch sah,
ich erkannte nicht.


9.9.16 KW 

23.8.16

Sonntagsspaziergang

Die Lust verläßt den Körper. Sie ist alt geworden und vergisst, die Tür zu schließen. Träumend.betrachtet sie die Trockengärten der sogenannten Kunst. 

Schon hat sich die Depression eingeschlichen und macht sich über die Vorräte an Erinnerungen her. Am Liebsten natürlich über die frisch gepflückten des Frühlings. Aber sie verachtet auch nicht die Hochprozenter der Kindheit. 

Die Lust kehrt in einen verwüsteten Raum mit leeren Schränken zurück. Wer wundert sich, dass sie sich erneut in die windigen Gassen des Jetzt wirft, alle Hoffnung in die Begegnung mit den Schranzen des Narzißmus setzend.

Sie weiß: dahinter ist nichts. Aber die Masken sind faszinierend. Und die Lust bekommt Lust auf die Marktschreier des Ich. 

Gott schmunzelt. Warte ab, wenn die Berührung ihr Wunder entfaltet!

KW 23.8.2016

21.8.16

Erinnern wir uns



Tücher

Ich breite das Tuch aus. Es legt sich in die Falten der Kindheit.
Zu oft habe ich darüber gebügelt und es hat Elastizität und Formkraft verloren.
Der Gedanke an Vorgestern: ich kann die Spur nicht finden.
Ein Stück des Tuchs scheint platt- und ausgewalzt.
War es ein Schmerz oder ein tonnenschweres Glück?
Noch halten die Fäden, hat kein Schlag ein Stück abgerissen.
Es ist schwer. Leg‘ es aus!

Unendlich groß ist es auch nicht.
Und Falte geht über Falte. Weich wie hundertmal gefaltetes Papier.

Betrachte die Landschaft:
Die tiefen Täler der Kindheit. Die von Betrug ausgebrannten, überwuchert von den Tröstungen der Therapie.
Der breit mäandernde Fluß der Liebe, Ufer der Freundschaft, die fernen Horizonte der Philosophie.
Du hörst die tausend Stimmen der Frühlingsinsekten und anders schöner Schwärme von Gesprächen.
Betrunken habe ich Wein vergossen und voll Rauch des Ehrgeizes Löcher hinein gebrannt.
Aber es ist meine Decke.
Zeige mir Deine!
Bald wird es kalt. Hüllen wir uns ein!
Klaus Wachowski 8 2016
*
Schopenhauer mit Bezug auf Platon* räumt mit dem schiefen Vergleich des Gedächtnisses als einem Behälter auf, aus dem man Erinnerungen als feste Stücke ziehe. Er vergleicht das Gedächtnis mit einem Tuch, in das Falten eingebügelt werden. Die Intensität des Eindrucks hinterläßt entsprechend tiefe Spuren, die mit neuen Eindrücken überlagert werden. Ein altes Gedächtnis gleicht einem Tuch, das durch häufiges Falten seine Form verloren hat, aufgeweicht und brüchig ist. Erkennbar bleiben die neuesten und tiefsten Erinnerungen. Wert und Grenzen von Gedächtnistraining werden deutlich.
*Über die vierfache Wurzel vom zureichenden Grund

17.8.16

Altersbogen

Altersbogen

Wie lange noch geht über die Straße. Er wird nicht überfahren. Kurze weiße Haare unter dem Tonnengewölbe der Glatze. Die Sonne brennt. Der Kopf ist gesenkt.

Um ihn braust der Verkehr. In der Hitze hat es der Wille schon schwer, wie sollte sich ein Gedanke regen? Er schlurft weiter in der Erwartung, daß der Tag alsbald zu Ende geht.

Würde es etwas ändern, wenn er wüsste, wieviele Pokemonen um ihn herum geistern? Er geht weiter tapfer gegen die Zeit an.

Was also hat der Existentialismus gebracht? Okay: schöne 60er Jahre. Er schüttelt den Kopf.

Die Glocken läuten. Oder ist es der Ruf des Imam? Etwas versucht, seine Seele zu berühren. Sie ist unter den Falten der Vergeblichkeit geschrumpft und vertrocknet. Zwei Frauen, Schatzele, rufen einander Angebote zur Balkondeco zu. Er stolpert in eine glitschige Reklame.

Kurze Zwischendepression.

Es ist schwer zu begreifen, was es bedeutet, nicht mehr gebraucht zu werden. Was schlägt das Herz?

Du hast doch gegeben, was nötig und erwünscht war. Aber jetzt: das Leben nur empfangen, ohne wenigstens sein Bild in den Sand zu zeichnen?

Ein Radfahrer fährt ihn fast um. Hoppla Opa! Wozu sich noch ärgern?

Wozu reden? Weiß bzw. wußte man nicht schon alles oder alles besser? Mit einem anderen Besserwisser Pingpong des Bescheidwissens spielen?


Im Abendschatten trifft ein Lichtstrahl auf einen Baumstamm. Man hört die Stimmen zweier Alter sich mit dem Rauschen der Blätter verweben. Groß erscheint das Rund des Mondes. Die Atmosphäre einer weiten Öffnung der Nacht aus einer dunklen Erinnerung hüllt ihn ein.

Es darf geschehen.
Es geschieht.

Für einen Augenblick zögert er. Soll er den Graphitstift oder den Roman X in die Hand nehmen?

Und dann sieht er all dies in diesem Augenblick.
Und dann seine Liebe.

Noch einen Sambuca und der Knopfdruck auf die Märchenmaschine.
Da ist etwas.

                            Klaus Wachowski 17.8.2016

11.8.16

Das Urteil aus 1987 und andere alte Gedichte



zu Barbie



Das Urteil


Nur Taten richtet dieses Leiden,

doch ungebeugt von Reue schlägt Dein Wille.



Und weil Du bleibst, was Du geblieben,

stößt heil’ger Abscheu höh’res Urteil

dies heimlich Lächeln von der Welt.



Und um Dich bleib es Schweigen.



veröffentlicht in der Rheinhessenrundschau, 
die einst politisch war 13.8.1987



gilt auch für andere verstockte Milosevic, Mielke pp

 ***


Das Neue Jahr



Es trägt Blumen im Fett,

chic im Skelett
macht es für Zukunft Reklame.

Singen und Scherzen,
doch brechendem Herzen
rülpst weiter das Leben sein Wohl.

Vor dem ich bange,
er wartet nicht lange
mich aus dem Heute zu stoßen.

Der Zukunft entrissen,
das Glück schon vergessen,
sind bald auch wir nur gewesen.

Klaus Wachowski 24.1.90
  
***
 
Der neue Morgen


Wie pocht das Herz
nach Elend und Schmerz!

Das Glück-wie habe ich geglüht!-
müd' aus den ersten Falten zieht.

In diesem Zeiger kreist die Welt,
das Märchenbuch ist auserzählt.

Zum Worte sehnte sich das Wort‚
sie blieben stumm und schafften fort.

In der Morgensonne leer
steht ein Körper schwer.

K.Wachowski 2/92