Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

17.10.17

Handke-Wow

Handke-Wow, die Logik des freien Marktes

Versuch über einen Schmarren. Wäre es doch ein Narr! Sein Ehrgeiz geht jedoch auf eine weiße Jacke.

Alle sind schon in der Welt. Nur Handke und Houellebecq liegen noch ing den zerfallenden Räumen eines ehemaligen Internats und warten auf die Rückkehr eines Publikums aus pubertären Mitschülern und kratzigen Lehrern. Der eine versucht mit Oberlehrer Goethe, der andere spekuliert auf Schopenhauer. Jean Paul ruft: "Der Ich kommt! "

Dr. Smirc: "Ich stelle mir doch keinen Handke ins Regal!  Eine auf Narziß gezogene Internatsliteratur? Kann mich selber langweilen. Ja früher, da war er mir ein von fern betrachtetes sympathisches Egal. Man fühle sich ja wohl unter. Aber seit er an Erdbeeren in Srebrenica roch, und vom Völkermörder Slibowitz nahm: geschenkt!"

Dr. Warnix, Psychagog und montenegrinischer Quadratschädel: "Aber seine Werke seien doch gewaltig!"

Dr. Smirc: "Scholastisches Dämmmaterial zum Warmhalten der Aufmerksamkeit. Das hätte nie gereicht, irgendwo unterzukommen. Ruhm? Verkauf? Preise der höchsten Lobredner? Das ist sind trumpsche Kategorien. Wie solls schon gelingen?! Verlagsgeschäft: Von Geld beschalltes Geldmachen, Interesse wenden in  Schafskopfbegeisterung. Wo war das Echo aus der Wirklichkeit von denkenden Lesern? Wer hat das ganze Styropur nur gekauft und gekaut, statt sogleich verschenkt?"

Und tatsächlich: mir geht es fast genau so. Lese ich mal über die Sätze (nicht gekauft, nur betrachtet!) eines Internatsschülers, der etwas schräg gebildetes für die Abi-Post schreibt, na ja: inzwischen gibt es Massen davon.
Ja damals, da war Ich-Ich noch Avantgarde, die Unzufriedenheit des begabt gewollten Kindes mit dem Leben als - Leben. Das verlorene Paradies der Anbetung, in der Folge: Guru und eingeschnappt, ein ums Frustra herum strukturiertes Wertesystem.

Das gab's öfter, Nietzsche, Houellebecq pp. Trump macht's für den Proll.

Dr. Warnix, Psychagog und larmoyant begeisterter Poetik-Coach: "Seid doch nicht so verbissen! Für Neid gibt's keinen Grund: Ihr wisst doch, was er sich eingekauft hat: dröges Erwachen nach Spaßbädern der narzißtischen Beziehungspflege. Jahrzehnte des Gähnens.

Der hatte doch nicht mehr und bessere Zeit zum Denken und Schreiben als Du, brauchte Connections, Pflege der Literatenkonkurrenz, Kratzen an Verlagstüren. Was war da - frei? Und wer will das noch wissen nach Milosevic? Zuviel Schmock für Ewigkeit!

Still ist es geworden. Nicht im gesponserten Markt, aber im Interesse. Der Sonnenschein liegt träge auf dem Boden. Leonce schaut auf zur seufzenden Ermüdung. Es grassiert ein entsetzlicher Müßiggang. Sie schreiben und schnarchen und kitzeln den Bart der Depression aus langer Langeweile. Und das ist der Humor davon: Alles mit den wichtigsten Gesichtern.

Sie stülpen sich 24 mal am Tag herum wie Handschuhe und finden eine Menge Lau. O, wer sich einmal auf den Kopf sehen könnte! Grad oder Ungrad: der Mann hat den Büchner-Preis bekommen. Ja da sitzt ne Fleig an der Wand - der stillen Orte starken Wirkens.

*
Löse Dich von Deinen Albträumen

Keine Sehnsucht haben. Und was ist Sehnsucht gegen Trauer?

Ich gehe mit Richard zu seinem Grab. Hinter der Trauer beginnen erste Erinnerungen zu glimmen. Wir lachen und weinen.
Voll Freude und Sehnsucht springt man durch die Literatur. Hei! Was ist das? So weich. Fast wäre ich gefallen. Vermodertes Papier. Gespinste aus einem Hirn gesponnen, ein Kokon Leere.

Er geht hinaus, um ein Experiment mit dem Leben zu machen. Grabschen nach Was und Wirklichkeit. Das mag das Lebensgefühl von vielen Menschen widerspiegeln und deshalb, unterstützt von einem gewaltigen Reklameapparat, tatsächlich - zumindest anfänglich - interessiert und sogar gern gelesen und verschenkt werden. Die Zuversicht zu Großem (Brief Sept 1977 an Unseld): Auf dem Schaukelpferd das Ich bin schon groß.

Es ist wie bei den Wahlen: die gähnende Mehrheit wird bei den Erfolgszahlen des Verkaufs nicht mitgezählt. Und so glaubt er selbst an Bedeutung. 
*
Aus höheren Sphären in stille Orte zurück riechen, ins Internatskloins, ins alles egal. Die Angst vor Berührung durch Lebendes: in der Herrschaft bekommst Du sie unter Kontrolle.

Ein Jean Paul, eine Virginia Woolve, ein Robert Walser würden unter solchen Verhältnissen keinen Verlag finden. Thomas Bernhard, ein Glücksfall der Ausnahme.

Muss ich untersuchen, was andere zu sich nehmen? Junkfood war es wohl nicht. Aber food?  Es hat so etwas von Plastik oder Silikon, zerfällt in Millionen luftiger Kügelchen, versuchst Du, es zu öffnen. Es ist nicht mehr drin als das Außen verspricht. Ein Handschuh 24mal umgestülpt.

Vielleicht aber habe ich einen zu ideologischen Haß, weil für mich die Menschen, die er in Pappfiguren umschreibt, dazu gehören.

Ein Sanitätswagen fährt vorbei. Das Martinshorn schreit Tod. An der Regenrinne befingert ein Poet verzückt eine Barockzocke. Warum erhebe ich mich nicht über dergleichen Leute aus der Zeit von Goethe, Jean Paul, Schopenhauer? Gab es da nicht auch genug Allesbeschwätzer der denklichen Haltung, die dem Leben den Wein wegsoffen und nur das Wasser ließen? So etwas von Romantik und bieder im Erker? Das scheppert von hohl!

Auch ich habe starken Abstand vom Leben, suche es zu verstehen, aber ich will es auch fühlen!
Hier fand wohl die Wybranietz-Wende ihren Grund.

Aber was sind denn das für Zahlungen? Für ein Buch? Für dieses Buch! Gibt es denn keine Dichter? Schwindelt dem Schwindler nicht in schwindeliger Höhe?!

Die Stirn in der Fremde und Verlassenheit an die Kachelwand einer Toilette gelehnt.- Was hinderte einen Gang unter Menschen? Ist Einsamkeit denn ein seltener Edelstein, um den der Geiz schleicht. Dieses Ding das in den Abendwegen glitzert wie Kronkorken im Schotter zur Volkshochschule?

Stark übertrieben! Der Lottogewinner, der als Loser seufzt. Man versteht das: Der 400 Euro Jobber hat keine Antenne für die feinen Schmerzen von Dicht und Dünkel aus dem Silikon.

So kann Weltekel sich auch erklären: "ein Rauschen, ein spürbar anderes als das von Regen ist dann vernehmbar geworden... für immer hatte ich mich bei denen dort unmöglich gemacht" (Der stille Ort). Später geschah es wirklich, nicht wegen naß oder wichtig, sondern wegen Erdbeeren riechen über Srebrenica.(...natürlich nur, "um die furchtbare Zerstörung...  um Srebrenica und die Todesstille noch spürbarer zu machen".19.5.10 sz )

So kam es zu
"Draußen: Verstummen. Verstummtheit, Sprachloswerden. Sprachlosigkeit. Sprache verlieren, Sprachverlust. Einsilbig geworden durch die Worte wie Wörter der andern, von ihnen zum Schweigen gebracht -angeödet - verödet. Weder, daß ein einziges Wort über die Lippen kommt, noch, schlimmer, daß es im Herzen, in der Lunge, im Blut oder sonstwo mittut." 
"Das Grölen, Gellen, Toben und Kreischen draußen: verwandelt in Volksgemurmel und Weltgeräusch...." (Aus dem stillen Ort).

"Und für einen Augenblick verwandelte sich das eine Tier in einen Esel, welcher quer durch das Land stöhnte und schmetterte, während sein Partner ein entsprechendes Schnauben ausstieß....

..Danach durch den großen ’Wald, in lichter Weite Eichen, Edelkastanien, Buchen statt des gegendüblichen Buschwerks: Ja, war das denn so geldacht? —Ja‚ so war das gedacht. —Und von wem? —Von mir. Gedacht. Getagträumt. Vorgesehen. Solch eine Vorsehung: Es gab sie."(Versuch über einen Pilzsammler)

*
Und wie war das mit Thomas Bernhard, der doch berührte? 

Brief 422 Handke-Unseld Anmerkung 1

Sigrid Löffler zitierte in dem Artikel Der Mönch auf dem Berg (in: profil, I7. November 1986) Äußerungen von P. H. über Thomas Bernhard: Was der Thomas Bernhard macht, in Ehren, aber für mich ist das keine Literatur.« Daraufhin schrieb S.U. in einem Brief an Thomas Bernhard unter dem Datum des 25. November 1986: "Lieber Thomas, die Äußerungen des "Mönchs auf dem Berg" sind, wenn sie so gefallen sind, töricht, dumm, unverzeihhch, geschmacklos." (Bernhar—Unseld, Der Briefwechsel, S. 760)
Eine Literaturförderung, die einen Fehlgriff nicht berichtigen kann, sondern an der Verewigung mit einem gewaltigen Reklameaufwand festhält.

War es je anders?
Leonce ...dieser geistige Tod in diesem geistigen Leib.

Dr. Smirc: "Erdbeeren riechen über Srebrenica. Ein armer Kerl?"
Dr. Warnix: "Reue ist ein schwieriges Geschäft. Aber so lange die Zeit nicht abgelaufen ist... Fast finde ich die Kulturkassierer schlimmer, die ihm keine Zeit zum In sich gehen lassen sondern immer neue Gebinde von Styropor anfordern und hinaus blasen."

Ein Gammler geht vorbei, verkleidet als Penner. Das ist nicht der Ich, der da kommt. Das ist Gott, für den Du gerade nicht das passende Kleingeld parat hast. Er rülpst leise und sagt zu Schopenhauer: "Was hältst eigentlich Du von Nietzsche?"

Klaus Wachowski 17.10.2017

10.10.17

Respekt

Wie die Leute, die sich nach Beachtung strecken, doch die, die  nicht mehr verlangen als Achtung, - verachten!

Respekt erwartet, wer sich über Menschen erhebt, auch der mafiose Gangster hinterm Bauzaun LA.
Achtung erwartet, wer gleich behandelt werden will.

Würde des Menschen ist nicht Ehre eines herrschen wollenden Dünkels von Ich, Familie, Clan, verschworener Gemeinschaft, religiösen und ideologischen Predigern. Sie ist mehr: Ureigenes Vorrecht der Person vor allem Anspruch auf Einregieren.

9.10.17

Dr. Smirc am Spülbecken

Ein Artikel aus Publik-Forum liegt neben dem Brotkorb. Dr. Smirc schaut immer mal wieder rein.

Zur Zerstörung zweier kleiner Körpers benötigst du mehr Kraft als zur Zerstörung eines daraus zusammengesetzten Einen. Ausdruck der inneren Kräfte gegenüber der Oberfläche: je kleiner das Volumen umso größer die Oberfläche.

Dr. Smirc an der Spüle. Der Kaffeesatz fließt ab. Wann kommt der Augenblick, an dem ich auch das nicht mehr kann? Ich fasse die klebrige Tasse an und tauche sie in das etwas zu heiße Wasser. Der Druck des Porzellans gegen die Finger, das Wasser auf der erschreckten Haut: Ich denke an das dritte Tagebuch von Frisch. Einer, der den Dank an das Lebendürfen nachvollziehbar ausdrückt. Ich bin mit meinem Gefühl nicht ganz allein.

Ein Theatermann schreibt über immer primitivere Beschimpfung von Religion und Gott. Dr. Smirc zuckt mit den Schultern: Ich war auch mal jung, große Sehnsucht nach den  Menschen, der Liebe, der Aufmerksamkeit machten mir das Gottanbeten so verdächtig wie den als Tierliebe säuselnden Menschenhaß, die vom Menschen weg zu weisen schienen. Jetzt ist Smirc alt: Du weißt eh nicht. Also glaube Gott oder das Nichts, mir ist die Welt als von einem gütigen Willen belebt eine angenehmere und glaubwürdigere Vorstellung als eine vom Ich-und-Ich beherrschte darwinistische Kickbox- Arena.

Dr. Warnix, Psychagog und Parteimitglied vor dem Ausschlussverfahren, wirft ein: Aber Hundefreunde und Atheisten können doch sehr wohl -und bessere- Menschenfreunde sein!

Darauf Smirc: Aber natürlich! Wenn Du Dir die Menschenliebe als eine erklärst, die irgendwie aus dem ersten Meteoritenstaub herausgemendelt wurde und sonst nichts mit Dir zu tun hat... Ich glaube eben, daß das Leben, die Welt etwas mit mir zu tun hat. Und wenn ich sterbe, möchte ich wenigstens Dich bei mir haben für einen schönen oder tröstlichen Abschied.

Warnix: Was hat das denn mit Gott zu tun?

Smirc: Ich glaube Gott über das Gefühl, irgendwem, irgend einem Prinzip, Ding, Kraft, Wollen danken zu wollen. Es war doch schön, leben zu dürfen. Und ich danke dem Was-auch-immer, daß dieses Ding an sich irgendwie im Leben ist, von dem ich mir kein Götzen noch Weltbild schnitzen kann.

Gott streut noch einen gelben Sack voll Fragezeichen in das Gespräch. Mit den Jahren ist der Regen der Fragezeichen zu einem kleinen Teich angeschwollen, in dem ich, wenn es geht, jeden Morgen bade. Sanft umspült es die Ränder des Verlusts, spült Trost aus immer neuen Berührungen des Lebens herzu. Auch nimmt es immer größere Anhaftungen von Wichtigkeiten mit weg, löst es immer mehr Erinnerung auf.

Dr. Warnix, Psychagog und transparenter Wadenbeißer, nimmt den Kaffee Altersheim gerne an. Muss ja nicht schmecken, gibt eine Stunde Aufenthaltsrecht. " Laß die Jungen! Auch bei uns ging's doch bis vor wenigen Jahren noch darum wer den Größten hat bzw. am schönsten ist. Laß sie sich am Zertrümmern immer kleinerer Partikel des Glaubens versuchen. So lange sie sich nach Menschenliebe sehnen, wird der Weg schon auch hier in irgendeiner Friedensecke des Glaubens oder Nichtglaubens enden.

Haßprediger hassen den Regen der Fragezeichen. Ob evangelikal oder bakunös-nietzscheanisch: Die Verachtung des Menschen braucht Ausrufezeichen. Primitives Schimpfen und das Anpinkeln von Hoffnungen auf eine Wertachtung aus einem anderen Raum als der Kneipe der Ideologie wird es immer geben. Fusel, vergiftete Muttermilch (Piet Kuiper?), dämpft Einsamkeit. Dr. Smirc empfiehlt ein Bad in einer von frischen Fragen befüllten Wanne, duftend nach Ungewißheit und Leben.

Gott schenkt ein Viertele Vergessen aus.

Er lächelt über die Bildnisse und Gleichnisse der Haßversteher. Herr oder Anus der Welt?! So schnitzt man sich ein Aha auf das Was.

Jetzt erstmal ins Warme!

Karlsruhe, 9.10.17

1.10.17

Durch Karlsruhe

Tod ist etwas anderes.
Ich gehe hinaus und denke: "Das Rascheln des Eichhörnchens sollte nun wirklich mehr Raum in deiner Vorstellung einnehmen als der Narzißmus einer literarischen Bestreifung der Welt." Aber ich bin ausgelaugt und möchte mir eine kleine Schadenfreude bereiten.
Da trifft es sich gut, daß Handke tatsächlich und ausgerechnet im Haus Thomas Bernhards liest und große Erwartungen unter Betschwestern und -Brüdern der Langeweile auslöst. Der Pfau, der leere Eier legt, darf nun im Hof des Schriftstellers schreien.
Ein exquisiter Interpret. Der Diva erlauchtes Schreiben unter der Medaille des Karadzic, nicht gerade Lebensquell und köstlicher Genuß. Inwiefern ein Antipode?
Jetzt "wird das Trennende und Verbindende zwischen Bernhard und Handke erörtert".
Ob Bernhard auch eine Onanierszene beschreibt? Den Blick auf das Milchglas, die traurig lange Dauer zum Erguß? Er schrieb wie Dichter, die mir etwas zu sagen haben, von innen heraus. Der Mann hatte richtig Wut, ließ sie raus, sagte sie, zeichnete sie nicht. Wenn, dann hätte er nicht einen Erguß festgestellt, sondern einen Orgasmus oder die Enttäuschung aus einem Gelebten heraus geschrieen oder geschimpft. Dem hätte niemand sich mit einer Auszeichnung zu nähern getraut. Und er besoff sich, wenn er eine nehmen mußte, um zu leben.
Handke hat sich inzwischen von der Publikumsbeschimpfung zur Betrachtung von stillen Orten vorgearbeitet. Das Harmlose wird wieder genossen.
Gelbe Ablagerungen an den Pfützen. Samen, Staub von Koryphäen säumt den Weg der Erinnerung an den Erdbeerriecher von Srebrenica.
Das Eichhörnchen vergräbt eine Nuß im Grab. Ob sich ein tauber Text darin findet? In der Erde aber legen sich Erinnerung und Tag um den Schmerz.
Es ist schwer unbeschwert durch die Straßen der Stadt zu gehen, wenn ein so gediegen goldenes Füllhorn des Ego den Blick kreuzt. Man sieht die Eichhörnchen nicht mehr. Und die Erinnerung an Srebrenica bedrückt wieder das Herz der Ohnmacht und der Mitschuld des Geschehenlassens.
Dr. Smirc: "Versenke die Nuß doch ins Vergessen!"
Dr. Warnix, Psychagog und systemischer Literat: "Laß diesen Augenblick den Toten!"
Gott sagt einen blauen Himmel.
Richard, könnte ich doch so schimpfen wie Du und Thomas Bernhard! Ich käme wieder zu mir.
1.10.2017

23.9.17

Wondratschek verweigert sich

Der erste Eindruck nach dem Interview mit Wondratschek ist der von großer Enttäuschung und Depression.

Das Verschwinden im Alter merkt wohl der ehemals Berühmte am schmerzlichsten. Die Verlage kaufen nicht mehr von Dir? Es liegt nicht an ihnen. Sie wissen schon gut, was die Leute interessiert.

Sie wollten mir keinen Zutritt in ihre Lounges gewähren, weil andere zahlungskräftiger per Publikum erschienen. Und auch im Netz liest mich so gut wie niemand außer Geheimdiensten und Pornopages. Mein Beifall entspricht dem unbeliebter Marktschreier.

Doch wenn ich singe, möchte ich singen, dann aber auch von Menschen gehört werden, und schließlich, daß wir alle zusammen singen. Wo ich ein Märchen erzählte oder ein Gedicht, möchte ich den und die "ich-noch-einmal" erleben, denen die Welt ebenso gefällt. Und ich singe doch keinen Monolog, sondern begeistere mich erst richtig, wenn die anderen Bandmitglieder ihren ebenso wichtigen Part übernehmen. Ich bin kein Star, ich will Menschen!

Das vergessen viele in der Enttäuschung und in der großen Enttäuschung Alter: Daß wir Menschen sind.

Von Wondratschek, der zu Recht den alternativen Literaturpreis bekommen hat, hatte ich aufgrund seiner Begeisterung, mit der er früher dem Leben gegenübertrat, angenommen, sein Blick sei weit. Jetzt höre ich, er veröffentliche nicht, weil sein Wert nicht richtig gewürdigt werde.

Was wird geschehen?

Ein Bucharchäologe wird einst eine zerfallene Schublade öffnen und in Begeisterung über einen verschollenen Roman des Schriftstellers ausbrechen. Vielleicht wird es einen Hype, vielleicht weiter nichts geben.

Und weiter?

Die Frage ist doch -nachdem wir nun wissen, wie wichtig es für dich ist- ist es auch anderen Wert? Wenn es wert sein könnte, warum erhältst du es ihnen vor? Ist Dir Dein Weihrauch wichtiger als ihre Freude?
Es scheint tatsächlich ein gewaltiges Desinteresse an meinen Texten zu geben. Aber der eine oder die andere freut sich doch darüber. Demgegenüber erscheint mir das Desinteresse uninteressant. Mein Narzißmus zählt auf Menschen. Vielleicht auf wenige, aber auf Menschen.

Wer nimmt die Rolle eines Schriftstellers an und weigert sich dann, etwas zu sagen? Ich möchte dann schon auch etwas von ihm lesen können.

Das Schicksal aller Ergebnisse unserer anstrengenden Freuden wird sein: "Die Mumie des Ramses verzollt als getrockneter Fisch"( Max Frisch im dritten Tagebuch). Keine schöne Aussicht. Wenn wir das Jetzt vergessen und das Geschenk, Leben gedurft zu haben.

Vergessen wir nicht, daß wir"nur" Menschen, vergänglich und mit einem Leben beschenkt sind!

Ein besonders depressiver Tänzer, der für seine Lebenslust berühmt wurde, lachte einmal: "Es menschelt!" Ihm übermenschelte.

Andere Alte sind sich und der Bedenklichkeit Mensch nah geblieben. Mir gefielen da Mankell und Max Frisch besonders. Wie schön, könnte ich Wolf Wondratschek an ihrer Seite lesen. Er ist doch kein Walser!



20.9.17

Alla Hopp

Alla Hopp!

echte Lutschkultur

Das Prinzip Wellness:
Das Ich totschlagen.
Land und Natur als Genußklo der Stadt.

Die Erinnerung zermalmt
unter Zuckerwatte und entspannter Reservierung
noch ehe sie im Sand der Zeit versinkt.
Ich träumte einst,
jetzt wird hier breit entspannt
vom Ballermann her der Tsunami.

11.9.2017 Клаус ваховски

Auch früher wurde gebaut
und Erinnerung entsorgt.
Auf Beton kann man stehn,
im Schlamm nur untergehn. 

4.9.17

Märchen



Alt geworden sehne ich mich nach Märchen.

Durch das Märchen gehst Du allein. 

Der dunkle Wald, der leuchtende Garten vor dem weißen Haus. Die Mühle, das Feld. Und die Steine, das Gras und das Wasser.

Du bist frei, auf dem Weg in die Befreiung. 

Du tust irgendeine gute und mutige Tat. (Muß jetzt nicht mehr sein.)
Du hörst die Vögel im Himmel und über dem Feld. Die Tiere wünschen Dir einen guten Tag.

Da ist ein Vertrauen in Dich in der Welt.
Aus einer Hütte gehst Du hinaus, in eine Umarmung, zurückzukehren.

Es war kein Märchen.
Es war kein Albtraum.
Es war Umarmung und schön.

Ist der Wunsch hinaus und zurück unangebracht?

Das Schlängeln der Kaulquappe. Die Vögel! Das Eichhörnchen ruft: "Komm!"

Ich sehe: das Tor ist nicht näher gekommen und aus der Nacht funkelt das Leben.

Ganz ohne Bedeutung ist es schön, durch die Straßen der Welt zu gehen. Außer Syrien.

Klaus Wachowski                            29.8.17