Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

27.2.21

Wichtig malen

 Wichtig malen

Der Tod des Teemeisters von Inoue fällt mir in die Hand, mit der ich eine gelbe Blume malte.

Der Verehrer des Teemeisters versucht die Schrift zu kopieren. Er reibt den Tuschestein. Soll er ihn fünf- oder zehnmal kreisen, einmal oder überhaupt nicht drehen? Der Pinsel hat ungefähr die gleiche Stärke, wenn ihm auch zu wenige Haare fehlen und das an der falschen Stelle. Millimeter um Millimeter zieht er das Zeichen nach, setzt den Pinsel aber geringfügig zu früh ab.

Ob in dem Zeichen das Tao enthalten, oder jenes hinter diesem verborgen ist? Er schließt die Augen, wendet seine Aufmerksamkeit in das Dunkel hinter der sichtbaren Welt. Er kann nichts erkennen. Das Tao kann man nur glauben oder nicht glauben.

Ich hole den Pinsel hervor, versuche genau das richtige Gelb auf den Canvas zu bekommen. Die Farbe kommt in ihrer Leuchtkraft dem inneren Bild nahe, aber sie verläuft unkontrolliert in dichte und dünne Flächigkeiten. Die Linie stimmt nicht.

Aber es fällt Licht aus dem Frühlingshimmel durch die Scheibe. Ich schließe die Augen. Ist das Tao, Jhw, Gott, Allah, das Brahm so etwas wie der Atem, der sich durch all die Aerosole bewegt, das Feuer im Dornbusch, der Friede, der über mich kommt, wenn ich aufsehe zu den Bergen? “Von wo kommt mir Hilfe?”

Ich glaube nicht an Wiedergeburt und Unsterblichkeit der Person. Ja schon: D sind Ewigkeit, Auf und Ab, Ein- und Ausatmen. Mein Kanu nähert sich dem Delta. Das Paddel schreibt den Namen des Teemeisters ins Wasser. Wohin ist der des Fürsten vergangen?

Die Brücke des Lebens. Ein schönes Bild. War es auch manchmal schwer, gerne schaue ich zurück.

Klaus Wachowski  27.2.2021

 

5.2.21

Schauen und Gehen

Schauen und Gehen

 

Der Blick auf den Bambus,

Das Kreuz in der Kirche,

Die Zigarren.

Der Schlamm im Blumenkasten der verlorenen Pizzeria.

 

Freundlichkeit,

Verächtlicher Gruß

Und das Schlagen  der Amseln und Meisen.

Frühling lacht ins Aerosol. –

 

Das gehe ich weiter

zu den Faltern über der Inschrift.  

22.1.21

more or less

Schickt mir jemanden zum Lieben,
Jemanden, der mich wieder-lieben kann,
Das, was ich wirklich bin,…
Ich weiß schon, dass ich nicht jung bin und lädiert,
Aber ich bin noch hübsch und liebevoll und seltsam…
In meiner eigenen besonderen Weise zur Liebe fähig und bereit
At last.

Marianne Faithful 2018

Vor 7 Jahren war sie 68 und sie sang den Abschieds-Song von Leonard Cohen, berührt immer noch diese Saite in mir. Meine erste CD von ihr noch voll Wille. Da war sie 56.

Ich werde 70. Auf den Gräbern die Namen von geliebten Menschen. Ich gehe vorbei. Die Zeit… Und auch ich denke über das Leben nach. Meines und unseres.

Leonard Cohen ist gestorben, sie singt weiter und schön auf einer neueren CD aus 2018.

Wir sind unsere Wege gegangen. Ähnliche, ganz andere. Und wir gehen weiter.

Wie schön die Erinnerungen sind! Kaum zu glauben! Schöne Lügen. Schon allein dafür hätte es gelohnt.

It's only love - more or less.


Ich sehe den Raben
Ich sehe die Drogen. Kein Urteil von mir!
Ich hatte Glück! Langweilig?

Von Liebe verstehe ich nichtviel. Weit vom Herzen geboren sehnte ich mich, lernte ich, stürzte in Trauer.

Den Schmerz hätte ich nicht gebraucht. Ich kann nicht fluchen, weil ich, Gott sei Dank, nicht beten kann. 

Aber ich sehe Dein Gesicht. Und Deines. Und ich spüre wie es warm wird im Herzen. Lache nur: „Pathos!“ Ich fühle es.

Ich ging nicht durch viele Länder. Aber ich flog mit deiner Sehnsucht, mit jedem Lied eines Vogels.

Und ich musste in die Verbrechen von Babi Yar blicken, von Srebrenica, Ruanda. Und jetzt die Toten im Mittelmeer. Das gräßliche Ego Europas.

Laß mich sein, der ich bin!

Ja, Marianne Faithfull, Leonard Cohen, und alle, alle,

it was love more or less.

17.1.21

Die Rohrzange

Rohrzange
Wie heißt das Ding nochmal? 
Wassermangel?
Rohrzange! - Gedächtnis...

Als ich noch als Wichtig beschäftigt war, kein Problem: "Wenn ich sie brauche, finde ich sie schon! "
Jetzt: "Wo ist sie nur?" Man muss sich immer wieder versichern, daß sie noch da ist und wo sie liegt. 
Das Alter jagt Dich durch die vergessenen Räume. So die Zeit...
Die neue Wichtigkeit wirft gewaltige Blasen aus dem heißen Urschlamm, in den das Gedächtnis versinkt. 
So viel gäbe es zu sagen und zu singen! Die Aerosole des Alters lassen uns vorsichtig verstummen. 
17.1.21

6.1.21

Vulnerabel

Vulnerabel

Das Wort ist mit leicht erhobener Stimme auszusprechen. Ich betrachte die Falten auf meinem Handrücken.

Der Fluss wird breiter. Es lohnt nicht mehr zu tauchen, die goldreichen Gründe liegen weit hinter mir. Aber da sind Nahrung und Kleidung genug, bis zum nächsten Hafen auszukommen.

Menschen. Wie lange habe ich keine mehr gesehen! Manchmal tauchen Gespenster in Masken aus dem Nebel der Ufer. Traurige Figuren, mechanischer Gang. Wie ohne Ich. Manchmal nur dringt der ferne Lärm eines Festes herüber. Oder ist es Schlachtgetümmel?

Sonst bleibt es ruhig. Das Radio mit den immer gleichen Songs meiner Generation und den immer gleichen Ermahnungen habe ich ausgeschaltet. Das Paddel macht das vertraute Geräusch von ins Wasser schlagenden Flossen. Ich lese ein Märchen, gehe zum Essen an Land, packe Zelt und Zigarren aus.

Die Falten ziehen ein Netz um blaue Adern. Altersflecken treten aus der Zeit, geplatzte Blutfasern kommen an die Oberfläche. Auch ich spürte früher ein unangenehmes Gefühl beim Anblick der Alten. Höre ich das Wort "vulnerabel" glaube ich einen leichten Ekel zu hören von beschäftigten Menschen, die Dich umrennen, weil sie Dich nicht sehen, auf Deine Langsamkeit nicht gefasst waren.

Da sind x Menschen gestorben, ein Mensch hat y Menschen umgebracht, der Minister z appelliert an die Menschen im Lande. Auch diese Verwendung eines Begriffs zeigt sich als verächtlich: Hanna Ahrend hat davor gewarnt: die Rechte der Person sind keine der "Menschlichkeit", sondern der Person. Der mitleidige Ton im Wort "Vulnerable" macht mich zur Verwaltungsmasse.

Ich fahre zu den Menschen. Ich brauche ein Gespräch mit mir Gleichen und Freien. Aber das Forum ist versperrt und die Lautsprecher tönen.

Ich lege ab. Dein Kanu an meiner Seite. Ich streiche über meinen Handrücken und schaue in Deine Augen. Sieh, unsere Schatten reichen zum Horizont! Wir reden.

Klaus Wachowski 6.1.2021

31.12.20

Einen Strich ziehen

Ich träume davon, einen Strich zu ziehen.

Wie wohlhabend ich doch bin: ich habe eine Feder, ein Glas, weißes Papier von der Rückseite eines Kalenders.

Etwas seitlich von der Mitte setze ich die Feder an. Ich bin alt und habe mir vorgenommen, anders als in der Jugend keine raschen Striche mehr zu ziehen, sondern langsame, bewusste, um den Fortschritt zu genießen. Der Apotheker Hertel aus Weinheim hatte vor langer Zeit einmal einen Kurs nach chinesischen Meistern des 11. Jahrhunderts gegeben. Eine steife Technik wie im europäischen Mittelalter. Aber damals lernte ich den langsamen Strich schätzen.

Ich betrachte das Ergebnis. Eine schwarze Linie bricht in die Nebel der Zeit. Erwartungen oder Vergessen? Ich sehe die geteilte Welt.

Der Schreiber Handke, der einmal Roman-Dichter sein wollte, liebt das Weißeln: mit dem Farbroller über die Bäume. Manche lieben es. Ich finde das Leben selbst schöner. Und ich beginne mit einem Strich. 

Wohin führt es mich? Wenn das Kanu Richtung Meer geht, muß ich nicht mehr mit Wasserfällen oder Stromschnellen rechnen. Gerne tauche ich noch das Paddel ein, treibe durch das Delta. Nur den Dämpfen der Sümpfe nicht nahe kommen! Ob ich heute Abend ein warmes Ufer finde mit Treibholz für das Feuer?

Der Strich erreicht das Ende des Blattes. Ob ich eine neue Linie aus ihm ziehe oder ganz frisch ansetze? 

So betrachte ich nun Bilder.


31.12.2020              Klaus Wachowski

 

 


30.11.20

In den Baum schauen

In den Baum schauen,
Dahinter Himmelblau.
Braun und rot ìm Licht
fallen die Blätter,
sie fallen und fallen.

Von Enthusiasmus leert sich das Leben.
Kalt hinter Zweigen und Ast.

In den Baum schauen,
warten und schaun.
Sie fallen, leuchten und fallen.

Klaus Wachowski 30.11.20