Früher Seniorenzimmer zur letzten Ölung... Tracy Chapman: There is fiction in the room between. Versinke in Deinem Augenblick. - Aber verliere nicht den Verstand
10.3.21
verhört?
27.2.21
Wichtig malen
Wichtig malen
Der
Tod des Teemeisters von Inoue fällt mir in die Hand, mit der ich eine gelbe
Blume malte.
Der Verehrer des Teemeisters versucht die Schrift zu
kopieren. Er reibt den Tuschestein. Soll er ihn fünf- oder zehnmal kreisen,
einmal oder überhaupt nicht drehen? Der Pinsel hat ungefähr die gleiche Stärke,
wenn ihm auch zu wenige Haare fehlen und das an der falschen Stelle. Millimeter
um Millimeter zieht er das Zeichen nach, setzt den Pinsel aber geringfügig zu
früh ab.
Ob in dem Zeichen das Tao enthalten, oder jenes hinter
diesem verborgen ist? Er schließt die Augen, wendet seine Aufmerksamkeit in das
Dunkel hinter der sichtbaren Welt. Er kann nichts erkennen. Das Tao kann man
nur glauben oder nicht glauben.
Ich hole den Pinsel hervor, versuche genau das
richtige Gelb auf den Canvas zu bekommen. Die Farbe kommt in ihrer Leuchtkraft
dem inneren Bild nahe, aber sie verläuft unkontrolliert in dichte und dünne
Flächigkeiten. Die Linie stimmt nicht.
Aber es fällt Licht aus dem Frühlingshimmel durch die
Scheibe. Ich schließe die Augen. Ist das Tao, Jhw, Gott, Allah, das Brahm so
etwas wie der Atem, der sich durch all die Aerosole bewegt, das Feuer im Dornbusch,
der Friede, der über mich kommt, wenn ich aufsehe zu den Bergen? “Von wo kommt
mir Hilfe?”
Ich glaube nicht an Wiedergeburt und Unsterblichkeit
der Person. Ja schon: D sind Ewigkeit, Auf und Ab, Ein- und Ausatmen. Mein Kanu
nähert sich dem Delta. Das Paddel schreibt den Namen des Teemeisters ins
Wasser. Wohin ist der des Fürsten vergangen?
Die Brücke des Lebens. Ein schönes Bild. War es auch
manchmal schwer, gerne schaue ich zurück.
Klaus
Wachowski 27.2.2021
5.2.21
Schauen und Gehen
Schauen und Gehen
Der Blick auf den Bambus,
Das Kreuz in der Kirche,
Die Zigarren.
Der Schlamm im Blumenkasten der verlorenen Pizzeria.
Freundlichkeit,
Verächtlicher Gruß
Und das Schlagen der Amseln
und Meisen.
Frühling lacht ins Aerosol. –
Das gehe ich weiter
zu den Faltern über der Inschrift.
22.1.21
more or less
Schickt mir
jemanden zum Lieben,
Jemanden, der mich wieder-lieben kann,
Das, was ich wirklich bin,…
Ich weiß schon, dass ich nicht jung bin und lädiert,
Aber ich bin noch hübsch und liebevoll und seltsam…
In meiner eigenen besonderen Weise zur Liebe fähig und bereit
At last.
Marianne Faithful
2018
Vor 7 Jahren war
sie 68 und sie sang den Abschieds-Song von Leonard Cohen, berührt immer noch
diese Saite in mir. Meine erste CD von ihr noch voll Wille. Da war sie 56.
Ich werde 70. Auf
den Gräbern die Namen von geliebten Menschen. Ich gehe vorbei. Die Zeit… Und
auch ich denke über das Leben nach. Meines und unseres.
Leonard Cohen ist
gestorben, sie singt weiter und schön auf einer neueren CD aus 2018.
Wir sind unsere
Wege gegangen. Ähnliche, ganz andere. Und wir gehen weiter.
Wie schön die
Erinnerungen sind! Kaum zu glauben! Schöne Lügen. Schon allein dafür hätte es
gelohnt.
It's only love - more or less.
Ich sehe den Raben
Ich sehe die Drogen. Kein Urteil von mir!
Ich hatte Glück! Langweilig?
Von Liebe verstehe ich nichtviel. Weit vom Herzen geboren sehnte ich mich,
lernte ich, stürzte in Trauer.
Den Schmerz hätte ich nicht gebraucht. Ich kann nicht fluchen, weil
ich, Gott sei Dank, nicht beten kann.
Aber ich sehe Dein Gesicht. Und Deines. Und
ich spüre wie es warm wird im Herzen. Lache nur: „Pathos!“ Ich fühle es.
Ich ging nicht durch viele Länder. Aber ich flog mit deiner Sehnsucht, mit
jedem Lied eines Vogels.
Und ich musste in
die Verbrechen von Babi Yar blicken, von Srebrenica, Ruanda. Und jetzt die
Toten im Mittelmeer. Das gräßliche Ego Europas.
Laß mich sein,
der ich bin!
Ja, Marianne Faithfull,
Leonard Cohen, und alle, alle,
it was love more or
less.
17.1.21
Die Rohrzange
6.1.21
Vulnerabel
Das Wort ist mit leicht erhobener Stimme auszusprechen. Ich betrachte die Falten auf meinem Handrücken.
Der Fluss wird breiter. Es lohnt nicht mehr zu tauchen, die goldreichen Gründe liegen weit hinter mir. Aber da sind Nahrung und Kleidung genug, bis zum nächsten Hafen auszukommen.
Menschen. Wie lange habe ich keine mehr gesehen! Manchmal tauchen Gespenster in Masken aus dem Nebel der Ufer. Traurige Figuren, mechanischer Gang. Wie ohne Ich. Manchmal nur dringt der ferne Lärm eines Festes herüber. Oder ist es Schlachtgetümmel?
Sonst bleibt es ruhig. Das Radio mit den immer gleichen Songs meiner Generation und den immer gleichen Ermahnungen habe ich ausgeschaltet. Das Paddel macht das vertraute Geräusch von ins Wasser schlagenden Flossen. Ich lese ein Märchen, gehe zum Essen an Land, packe Zelt und Zigarren aus.
Die Falten ziehen ein Netz um blaue Adern. Altersflecken treten aus der Zeit, geplatzte Blutfasern kommen an die Oberfläche. Auch ich spürte früher ein unangenehmes Gefühl beim Anblick der Alten. Höre ich das Wort "vulnerabel" glaube ich einen leichten Ekel zu hören von beschäftigten Menschen, die Dich umrennen, weil sie Dich nicht sehen, auf Deine Langsamkeit nicht gefasst waren.
Da sind x Menschen gestorben, ein Mensch hat y Menschen umgebracht, der Minister z appelliert an die Menschen im Lande. Auch diese Verwendung eines Begriffs zeigt sich als verächtlich: Hanna Ahrend hat davor gewarnt: die Rechte der Person sind keine der "Menschlichkeit", sondern der Person. Der mitleidige Ton im Wort "Vulnerable" macht mich zur Verwaltungsmasse.
Ich fahre zu den Menschen. Ich brauche ein Gespräch mit mir Gleichen und Freien. Aber das Forum ist versperrt und die Lautsprecher tönen.
Ich lege ab. Dein Kanu an meiner Seite. Ich streiche über meinen Handrücken und schaue in Deine Augen. Sieh, unsere Schatten reichen zum Horizont! Wir reden.
Klaus Wachowski 6.1.2021
31.12.20
Einen Strich ziehen
Ich träume davon, einen Strich zu ziehen.
Wie wohlhabend ich doch bin: ich habe eine Feder, ein Glas, weißes Papier von der Rückseite eines Kalenders.
Etwas seitlich von der Mitte setze ich die Feder an. Ich bin alt und habe mir vorgenommen, anders als in der Jugend keine raschen Striche mehr zu ziehen, sondern langsame, bewusste, um den Fortschritt zu genießen. Der Apotheker Hertel aus Weinheim hatte vor langer Zeit einmal einen Kurs nach chinesischen Meistern des 11. Jahrhunderts gegeben. Eine steife Technik wie im europäischen Mittelalter. Aber damals lernte ich den langsamen Strich schätzen.
Ich betrachte das Ergebnis. Eine schwarze Linie bricht in die Nebel der Zeit. Erwartungen oder Vergessen? Ich sehe die geteilte Welt.
Der Schreiber Handke, der einmal Roman-Dichter sein wollte, liebt das Weißeln: mit dem Farbroller über die Bäume. Manche lieben es. Ich finde das Leben selbst schöner. Und ich beginne mit einem Strich.
Wohin führt es mich? Wenn das Kanu Richtung Meer geht, muß
ich nicht mehr mit Wasserfällen oder Stromschnellen rechnen. Gerne tauche ich noch
das Paddel ein, treibe durch das Delta. Nur den Dämpfen der Sümpfe nicht nahe
kommen! Ob ich heute Abend ein warmes Ufer finde mit Treibholz für das Feuer?
Der Strich erreicht das Ende des Blattes. Ob ich eine neue Linie aus ihm ziehe oder ganz frisch ansetze?
So betrachte ich nun Bilder.
31.12.2020 Klaus Wachowski