Tod ist etwas anderes.
Ich gehe hinaus und denke: "Das Rascheln des Eichhörnchens sollte nun wirklich mehr Raum in deiner Vorstellung einnehmen als der Narzißmus einer literarischen Bestreifung der Welt." Aber ich bin ausgelaugt und möchte mir eine kleine Schadenfreude bereiten.
Da trifft es sich gut, daß Handke tatsächlich und ausgerechnet im Haus Thomas Bernhards liest und große Erwartungen unter Betschwestern und -Brüdern der Langeweile auslöst. Der Pfau, der leere Eier legt, darf nun im Hof des Schriftstellers schreien.
Ein exquisiter Interpret. Der Diva erlauchtes Schreiben unter der Medaille des Karadzic, nicht gerade Lebensquell und köstlicher Genuß. Inwiefern ein Antipode?
Jetzt "wird das Trennende und Verbindende zwischen Bernhard und Handke erörtert".
Ob Bernhard auch eine Onanierszene beschreibt? Den Blick auf das Milchglas, die traurig lange Dauer zum Erguß? Er schrieb wie Dichter, die mir etwas zu sagen haben, von innen heraus. Der Mann hatte richtig Wut, ließ sie raus, sagte sie, zeichnete sie nicht. Wenn, dann hätte er nicht einen Erguß festgestellt, sondern einen Orgasmus oder die Enttäuschung aus einem Gelebten heraus geschrieen oder geschimpft. Dem hätte niemand sich mit einer Auszeichnung zu nähern getraut. Und er besoff sich, wenn er eine nehmen mußte, um zu leben.
Handke hat sich inzwischen von der Publikumsbeschimpfung zur Betrachtung von stillen Orten vorgearbeitet. Das Harmlose wird wieder genossen.
Gelbe Ablagerungen an den Pfützen. Samen, Staub von Koryphäen säumt den Weg der Erinnerung an den Erdbeerriecher von Srebrenica.
Das Eichhörnchen vergräbt eine Nuß im Grab. Ob sich ein tauber Text darin findet? In der Erde aber legen sich Erinnerung und Tag um den Schmerz.
Es ist schwer unbeschwert durch die Straßen der Stadt zu gehen, wenn ein so gediegen goldenes Füllhorn des Ego den Blick kreuzt. Man sieht die Eichhörnchen nicht mehr. Und die Erinnerung an Srebrenica bedrückt wieder das Herz der Ohnmacht und der Mitschuld des Geschehenlassens.
Dr. Smirc: "Versenke die Nuß doch ins Vergessen!"
Dr. Warnix, Psychagog und systemischer Literat: "Laß diesen Augenblick den Toten!"
Gott sagt einen blauen Himmel.
Richard, könnte ich doch so schimpfen wie Du und Thomas Bernhard! Ich käme wieder zu mir.
1.10.2017
Tracy Chapman: There is fiction in the room between. Versinke im Augenblick. - Aber verliere nicht den Verstand
1.10.17
Durch Karlsruhe

23.9.17
Wondratschek verweigert sich
Der erste Eindruck nach dem Interview mit Wondratschek ist der von großer Enttäuschung und Depression.
Das Verschwinden im Alter merkt wohl der ehemals Berühmte am schmerzlichsten. Die Verlage kaufen nicht mehr von Dir? Es liegt nicht an ihnen. Sie wissen schon gut, was die Leute interessiert.
Sie wollten mir keinen Zutritt in ihre Lounges gewähren, weil andere zahlungskräftiger per Publikum erschienen. Und auch im Netz liest mich so gut wie niemand außer Geheimdiensten und Pornopages. Mein Beifall entspricht dem unbeliebter Marktschreier.
Doch wenn ich singe, möchte ich singen, dann aber auch von Menschen gehört werden, und schließlich, daß wir alle zusammen singen. Wo ich ein Märchen erzählte oder ein Gedicht, möchte ich den und die "ich-noch-einmal" erleben, denen die Welt ebenso gefällt. Und ich singe doch keinen Monolog, sondern begeistere mich erst richtig, wenn die anderen Bandmitglieder ihren ebenso wichtigen Part übernehmen. Ich bin kein Star, ich will Menschen!
Das vergessen viele in der Enttäuschung und in der großen Enttäuschung Alter: Daß wir Menschen sind.
Von Wondratschek, der zu Recht den alternativen Literaturpreis bekommen hat, hatte ich aufgrund seiner Begeisterung, mit der er früher dem Leben gegenübertrat, angenommen, sein Blick sei weit. Jetzt höre ich, er veröffentliche nicht, weil sein Wert nicht richtig gewürdigt werde.
Was wird geschehen?
Ein Bucharchäologe wird einst eine zerfallene Schublade öffnen und in Begeisterung über einen verschollenen Roman des Schriftstellers ausbrechen. Vielleicht wird es einen Hype, vielleicht weiter nichts geben.
Und weiter?
Die Frage ist doch -nachdem wir nun wissen, wie wichtig es für dich ist- ist es auch anderen Wert? Wenn es wert sein könnte, warum erhältst du es ihnen vor? Ist Dir Dein Weihrauch wichtiger als ihre Freude?
Es scheint tatsächlich ein gewaltiges Desinteresse an meinen Texten zu geben. Aber der eine oder die andere freut sich doch darüber. Demgegenüber erscheint mir das Desinteresse uninteressant. Mein Narzißmus zählt auf Menschen. Vielleicht auf wenige, aber auf Menschen.
Wer nimmt die Rolle eines Schriftstellers an und weigert sich dann, etwas zu sagen? Ich möchte dann schon auch etwas von ihm lesen können.
Das Schicksal aller Ergebnisse unserer anstrengenden Freuden wird sein: "Die Mumie des Ramses verzollt als getrockneter Fisch"( Max Frisch im dritten Tagebuch). Keine schöne Aussicht. Wenn wir das Jetzt vergessen und das Geschenk, Leben gedurft zu haben.
Vergessen wir nicht, daß wir"nur" Menschen, vergänglich und mit einem Leben beschenkt sind!
Ein besonders depressiver Tänzer, der für seine Lebenslust berühmt wurde, lachte einmal: "Es menschelt!" Ihm übermenschelte.
Andere Alte sind sich und der Bedenklichkeit Mensch nah geblieben. Mir gefielen da Mankell und Max Frisch besonders. Wie schön, könnte ich Wolf Wondratschek an ihrer Seite lesen. Er ist doch kein Walser!

20.9.17
Alla Hopp
Alla Hopp!
echte Lutschkultur
Das Prinzip Wellness:
Das Ich totschlagen.
Land und Natur als Genußklo der Stadt.
Die Erinnerung zermalmt
unter Zuckerwatte und entspannter Reservierung
noch ehe sie im Sand der Zeit versinkt.
Ich träumte einst,
jetzt wird hier breit entspannt
vom Ballermann her der Tsunami.
11.9.2017 Клаус ваховски
Auch früher wurde gebaut
und Erinnerung entsorgt.
Auf Beton kann man stehn,
im Schlamm nur untergehn.

4.9.17
Märchen

20.8.17
Blue

14.8.17
Blume

8.8.17
Wege sanieren
Ich betrachte Texte der 80er, zum Teil sind sie noch älter.
Ich finde Wahrheiten des Verstehen und Herausfinden-Wollens, heldenhaft erzürntes Pathos, Talent. Den allergrößten Teil werfe ich weg. Laß die Erinnerung am Vergessen arbeiten.
Ja! Meinen Weg ging ich suchend, im Wunsch gerecht zu sein, zu helfen, es richtig zu tun. Ich hatte Erfolg, nicht Ruhm. Ich erlebte Glück.
Dem Leiden versuchte ich eine Stimme zu geben. Jetzt habe ich selbst davon, ohne davon reden zu können. Aber für das, was ich hatte, danke ich.
Warum nicht dokumentierten? ich möchte schon von den schönen, erhabenen, schlimmen und gefährlichen Plätzen berichten und singen, zu denen mich mein Weg führte. Andere kamen auf anderen Wegen zu den gleichen Plätzen oder zu schöneren pp. Wer einmal nachschauen wollte, wo ich war und wie es mir erging, sollte auf dem Weg zu solchen Plätzen lieber nicht vom eigenen Weg abweichen. Die vielen kleinen Irrwege, Gartenpfade nicht weniger voll Schlamm, Dornen aber auch schönen Panoramen pp, unterscheiden sich zu wenig unter uns Wanderern, als dass man auf das Erlebnis eigener innerer Landschaft zugunsten des Nachlebens einer anderen verzichten sollte. Lieber vom eigenen enttäuscht als vom anderen erhoben und vom eigenen enttäuscht. Mein Rat: Hänge deinen eigenen Knüppel statt einen Feinstrich von Picasso auf. Aber besuche diesen in einem guten Museum.
Und mich besuche in meinem Blog, wo ich selbst schon ausgewählt habe und weiter vor allem auch lösche.
Ich schreibe zu viel als daß ich viel von anderen lesen könnte. Das wenige hat mir gezeigt, daß es viel Gutes auch bei anderen gibt, das sich zu erkunden und aufzubewahren lohnt. In Kindheit und Jugend habe ich vor allem die Luft in der Stadtbücherei eingesogen, später las ich Phantastisches, politische Literatur. Dann mehr und mehr. Dann: Wie gut, daß es eine Schopenhauer -, eine Jean - Paul - Gesellschaft gab. Wie gut, das der Verlag 2001 Karl Kraus nachdruckte. All die verschlungenen Pfade von Suchern, Liebenden, die man nachgehen konnte, wenn man etwas aus dem eigenen Inneren deutlicher, schöner gesagt hören wollte. Es sagte: geh den eigenen Weg! Und: Suche!
Und ich ging durch eigenes Dickicht. Und es war und ist schön und unschön, aber selbst. Mag der Wind meine Spur verwehen, ich selbst helfe nach. Was sichtbar bleibt, möge den Aufwand des Interesses lohnen. Wenn nicht: ich habe mein bestes getan, dies zu ersparen. Und auch Enttäuschung lohnt als Angebot zu eigenem Leben.
Ich war jung. Die neuen Jungen, soweit sie kritische Vernunft bevorzugen, schreiben so pathetisch und energisch wie ich damals. Ich entsorge ähnliches. Aber ich finde, solcher Rausch hält die Sehnsucht nach allem, was den Menschen liebenswert macht, also Menschlichkeit, am Leben. Mein weiser Kopf lächelt. Eine Alterserscheinung. Auch sie herzlich nötig.
8.8.17
