Birds 2013

Birds 2013
smatritje neba

13.1.23

Eierbecher 2010

Ich trage das Geschirr in die Küche. Ich sehe die Wand über der Spüle. Ich drehe den Kopf zum Fenster, sehe Regenwolken. Der Eierbecher zerschellt auf dem Boden. Ich habe nicht gespürt, wie er aus der Hand glitt.

Laß das Licht herein, schieße die Pfeile der Vogelstimmen durch die Regenfäden!

Was da zerbricht, ist nicht das Leben noch ein anderer besonderer Wert. Ich verliere wirkliche, körperliche Kraft, während ich noch einen gewissen Anteil wirklicher Macht, Einfluß ausübe.

Der leichte Schmerz des Noch-nicht der Jugend, der wie der Stich einer Rose den ganzen Körper ergreifen kann, teilt seine Herrschaft nun schon lange mit dem des Nicht-mehr. Jetzt ist das Alter in mir, mit all seinen Brechungen und Brüchen. Es hat auch etwas von einem befreienden "Endlich!" Die Blüten schließen sich, schützen sich unter dem Regen. Unter dem Regen - wachsend.

 

Ich fege die Reste zusammen. Es war einmal, es ist nicht einmal ein Märchen.

Ein Staubkorn oder eine Galaxis stürzt in eine Sonne. Während es Materie an sich zieht, verliert es  Materie. Ich höre den Lärm, mit dem der Eierbecher zerschellt. Ich höre nicht, ich spüre nicht wie die Kraft geht. Was für ein Lärm, wenn Galaxien ineinander stürzen. Welche Stille beim Sterben der Kraft!

Der Lärm erinnert mich: ich bin! Plötzlicher Tag. Die Stille nimmt mich mit in die Zeit. Sie formt ein Wort aus der Tiefe. Ich rätsle, was wohl der Sinn, die Welt dahinter ist. Sie rüttelt mich auf mit einem Schrei aus brechendem Scherben.

 

Wie nun alles zurückkehrt!

Was wäre der Lärm ohne die Stille?

Was wäre das Wort ohne Dich?

 

Ich lasse Wasser ins Spülbecken. Goldene Reflexionen an der Decke. Die Regentropfen blitzen unter der Sonne, im Regen-rauschen zwitschern hundert Vögel. Dies scheint ein guter Tag zu werden. Nimm ihn in die Hand. Gib gut Acht!

11.04.10 Klaus Wachowski

Immer das gleiche aus 2010


Und der Regen begleitet mich jeglichen Tag seit ich Mitte 50 bin. Schwarz glänzen die Äste der Kirsche jetzt im Winter. Sind sie nicht grüner im Sommer? Die Amsel findet warmen Wurm und die Alten ziehen die Köpfe ein. Die Jungen aber:" Vergiß den Quatsch vom Regen!"

Es ist immer das Gleiche: Das Wunder Sonne an jeglichem Tag, die in uns regnende Trauer Regen jeglichen Tag.

Trinke eine Tasse Kaffee, nimm ein Triptan und sieh zurück in die Ebene, die Dir so oft Gebirge schien. Die schwarzen Punkte im Grün, das Dir so oft schmutzig und fett braun war: es sind die Köpfe Deiner Freunde, die aus Deinen ausgedörrten Erinnerungen ragen, wie die von Giraffen aus dem Steppengras. Laß es regnen, grünen im Winter Deiner Jahre! Sieh, wie sie miteinander kommunizieren über weite Strecken, weite Zeiten hinweg.

Und sie bekommen Kinder oder keine Kinder, und sie werden alt oder sterben vor der Zeit, und manche versinken in Ich und vergiftetem Traum, versteinern in Alltag und Dope verfaulter Sehnsucht.

Aber da sind X und Y, dem Wunder Sonne seinen Wert zu erhalten, der Trauer Regen den Wert Wunder entgegen zu halten.

Der Schnee versinkt in den schmutzigen Fluten eines Winterregens. Räume die Straße zu Deiner Aufmerksamkeit. Ein Junger schubst Dich zur Seite. Eine Jung sieht durch Dich hindurch wie durch Glas. Die Köpfe voll: ich will! Der Regen beginnt, in ihre weit geöffneten Sehnsuchten hinein zu regnen. Eine Fastnacht übe holt sie und vorne zeigt sich der Tod.

 

Du bist noch nicht so weit, ihn an ihrer Stelle anzurufen. Noch glaubst Du an Gebirge. Noch kannst Du nicht aufstehen, über Dein Tal zu fliegen, den Ruf der Freien zu rufen, zu fliegen, fliegen.

Darum dankst Du Virginia für das Wort, dem Wunder Leben für das Wunder Virginia. Dem Tag und dem Regen für:

Immer das Gleiche

 

16.01.10  Klaus Wachowski

 

 

 

 

 

9.1.23

Senior von der letzten Ölung

Da geht die Seele

The sun ain't gonna shine anymore.

Seniorenzimmer zur letzten Ölung.

 

Da geht die Seele des Senioren. Scott Walker steigt hinab.

Ich schaue Fred Wunderwisch zu, wie er seinen Erinnerungen hinterher humpelt. Bringt auch den Loyola zum Sondermüll (Hass im aufgeblasenen Gotteskonstrukt). Etwas depressiv mit Reflux. Er weiß, das geht vorbei. So lässt er sich ein auf Regen und Wind.

Nass und kalt der Boden. Das Kraut ergraut, etwas schimmelig, feucht.  Aus dem Himmel auch nicht gerade eine frohe Botschaft. Let it Rain.

Was ist noch zu erwarten? 

Aber ich weiß: der hatte doch ein schönes Leben! Der Onkel: „Komm her, Du  Raiberkneisl!“ Ließ ihn zusehen beim Motorradbasteln in der Sonne. Durfte er nicht auch mal im Beiwagen mitfahren? Die Jugend, mit genommen von den Klassenkameraden. Between the Buttons, wunderbares gemeinsames Staunen. Jimmy Hendrix beim Pio, unglaubliches musikalisches Dope. Wilde Jagd durch die Pubertät, underground und Marx: Was jetzt? Sex, na ja: viel geredet, wenig Spaß. Arbeit, die sich schließlich gut anfühlte, 68, Liebe, Kunst. Wir machen einen besseren Staat. Tja. Zusammenbruch, richtige Liebe, Rückkehr in die Philosophie, Entdeckung bei Hannah Arendt, Schopenhauer, Karl Kraus. Nachbarn, Menschen, ja das war schön. Die Kinder! Zeit der glücklichen Begleitung. Ja auch Schmerz. Und jetzt hinaus ins Patagonien. Trotz all dem, was nicht gut war.

Beim Zanger fällt der Beton vom Balkon. Würdest Du Dich drunter stellen? Reste von Moninger, Schon ewig ist der Wofl tot, Richard, Michael, Frank…

Da derart geringe Druckänderungen schon aufgrund des thermischen Rauschens, durch Mikroerschütterungen sowie durch minimale Bewegungen im Prüfteil, in der Adaption und in den pneumatischen Leitungen auftreten, werden in der Praxis die Messwerte gemittelt und der Anzeigewert auf 1 Pa gerundet, was immer noch 1/100.000stel des Luftdruckes ist. Es gibt doch herrliche Hirngeschenke!

Sebastian Knülch rappelt mit der Büx. Schon seit Tagen sind Fernseher und Sternsinger unterwegs. Wuderwisch verzichtet dankend auf Privatstatus. Denn die stahlharten Schlussverse eines metaphysischen Gedichtes atmen leider auch mal beherrschte, unterkühlte Begeisterung (Nach Geschichte des Zen-Buddhismus, Dumoulin, Begeisterung 1 S 101).

Let it rain. Aber sacht. Jetzt kauft er sich mal einen Jasmin-Tee mit schöner Erinnerung an seine Japan- Phantasien. Beim Supermix von Puerto natales sollen es jetzt 20° sein...

Er beschließt, seinem Urenkel zu schreiben. Hallo Sörken Viktor, Dein Uropa hat auch mal gelebt. Das war ne Zeit! Was und wie ich da alles gesehen und erlebt habe? Du bist ja ein neugieriges und sicher auch Kluges Köpfchen. Also dann:" Schreib auf....."

Das Schweigen nimmt seinen Lauf. 


27.12.22

Vom neuen Anfangen

Lass mich vom Alter erzählen. Ich stelle mir nichts darunter vor, bin mitten drin.

Heute ist neuer Anfang nach Weihnachten. Die Wohnung ist erst mal auf Stand. Es geht hinaus in den kalten sonnigen Tag.

Es ist etwas von kalt auch in mir, aber ich habe heute morgen unvermutet eine Zeichnung von mir aus diesem oder dem letzten Jahr gefunden. Es freut mich. Sie ist mir gelungen, obwohl ich damals eher dachte: irgendwie spießig. Anderen mag es so erscheinen, mir gefällt es plötzlich. Ich weiß noch wie der innere Anspruch lautete: zeichne doch einmal dieses schöne Blatt nach! Gleich zeichnete ich es fünf mal neben - und übereinander mit Schatten.

Jetzt sagt mir die Form: erinnere Dich. Und die Erinnerung an dieses Gefühl erfüllt mich. Vielleicht ist es etwas von dieser Altmännerphilosophie des zen, dieses plötzliche Ahnen vom Einswerden mit Allem, so etwas wie ein atheistisch - religiöser Orgasmus. Egal: es macht high, lässt die Zeit stehen, den Raum verschwinden. Für einen Moment.

Es war gut. Es geht weiter. Ich denke: Zeichnen erscheint mir wie das Echo der leisesten Berührung, die der Mensch spüren kann. Manchmal gelingt es, dieses Fühlen zu teilen, mitzuteilen. Kunst hat nichts von Größe, nichts mit ihr zu schaffen. Wer verehren will, gehe zum Guru. Aber mit etwas Glück kann sie ihre Freude vermitteln.

Also weiter über die feuchten, braunen, in Fäulnis übergehenden, aber zum Teil noch gefrorenen Blätter. Erinnerungen an andere Zeiten nach anderen Weihnachten kommen auf. Wie war das im letzten Jahr, wie vor zehn, fünfzig Jahren?

Ja, ich habe schon Hoffnungen auf die Zukunft des nächsten Jahres: neue Begegnungen, mehr aber auf die Erinnerungen, die sie in mir auslösen. Die Wintersonne über meinen Regenpfützen in hoffender Kindheit, in Einsamkeit und Erwartung der Jugend, im Weg durch den Schnee mit Dir, in Staunen und Vorfreude der Kinder. Der Gesang von Meise und Amsel aus den Himmeln des Frühlings, die Frieden atmende Landschaft des Sommers, ein Fluss, eine Stadt, die wehmütigen Blüten des Herbstes. All die Jahre, Jahrzehnte. All die Zeit.

Zwei Schulen des zen bekämpften einander erbittert: die eine von der plötzlichen Erleuchtung, die andere von der disziplinierten Meditation. Das braucht auch der japanische Alte nicht, ob weise oder ganz normal. Im Alter führt beides zum Glück der Erinnerung. Sie ist schon eine Droge gegen die Trauer.

So lass uns hinaus gehen, diesen tropfenden Zweig staunend berühren. Wie war das noch? Diesen vom weißen Wolken durchzogenen fahlblauen Himmel in uns hinein sinken und einen Glühwein gegen die Kälte trinken und zur Lockerung der Zunge. Und eine Zigarre am Stand. Ist es nicht schön, Mensch zu sein in der Welt der Menschen?

Ende 2022

13.12.22

Handke, jetzt alt

Rio meint: einen Regenbogen unter den Wolken zu biegen, das wär doch was!

Zwei Alte vor einem tröpfelnden französischen Brunnen. Warum zeigt der jüngere auf das geschlossene Bordell? Hat er noch Wehmut? Japan lacht.

Jetzt streckt er die Hände aus, deutet auf den wohnungslosenlosen Schwarzen, ruft "Wuschelkopf". Der hat keinen Nobelpreis für amateurhaftes Verputzen der Welt bekommen. Sollten wir mitlachen? Ein Welser und ein Griffener in Paris.

Vom Ponzer her klingts: „Dir geht's wohl wie Jim?

Plötzlich verspürt Jim Buckmaster den Wunsch, nicht so wie Quean zu werden. Einmal hatte er sich heiB gewünscht, ein Mann wie Quean zu sein. Jetzt nicht mehr.

Denn nun begreift er zum ersten Male richtig, was das bedeutet..“ (Ein echter Unger – Western für 4,50 DM im Wartezimmer)

Doch Quean kommt nicht.

In Jim ist ein tiefes Bedauern. Er möchte hinreiten und mitreden. Doch er traut sich nicht so recht. Freudlos reitet er heim. Was so ein Flug nach Tokio kostet!

Hufgetrappel und Räderknarren, Kommentare zum Jubel-Fest. Warum auch nicht?

Ob er Gymnastik macht, die Knochen schon spürt, vor Erinnerungsproblemen um den Namen etwa in der Niemandsbucht in Sorgen verfällt oder ob er sein großes Gähnen noch Jahre weiter in die Ewigkeit treiben läßt? Wer will das wissen?

Beim Ponzer in Durlach zwei Alte mit Togokaffee. Smirc, vergiss den Dr., vom Schnarchlabor, Warnix, der Altpsycholog vom Atemcenter (ungeheurer Schwätzer redet mit jedem und jeder im Wartezimmer). Die haben auch schon bessere Tage gesehen.

„Hej Jacko, schon gehört?: der Handke hat Geburtstag.“

„Ja und? Gehst hin?“

„Was soll ich denn bei dem?!“

„Ich meine zur Demo.“

„Ach laß mal, ist doch auch nur n alter Knacker wie wir. Schreiber, nobler Preis und Pilzlurch. Wer fragt da nach?“

„Stimmt, lass ihn sein Gähnen in die Ewigkeit tragen. - Y hatte nicht die Chance.“

Warum mit reuiger Einsicht des Gipsers, Gurus rechnen? Walser, der Schlusstrich, Arno Schmid oder Schmidt?, der SS-Bewerber, Carlo Schmid, der Humanist vom Todesurteil, haben sie ein Wort der Reue verlauten lassen?

Schüler der Schule ohne Rassismus gehen vorbei. Was die wohl zu einem Milosevic - Freund meinen?

Lass der Ewigkeit die Arbeit, diesen Nobelpreis im Nichts zu begraben. Ob da so eine Gipsmasse von Nobelbepreisung und geweißeltem Pilzhütchen, oder anderes aus dem Karton „zu verschenken" aus dem Sand ragt, was solls?

 

Den Kritikern aber würde ich auch sagen: lasst ihn. Er hat genug mit seiner Kapitalverwaltung und der Abwehr der Verehrer zu schaffen (kommt zu all den Spams hinzu). Zeit für Euch, sich mit anderen Unwichten zu befassen, die einfach nur langweilig, sonst aber ohne Schuld sind. Gerne auch mit der Ahnungslosigkeit von Verehrern, die zu feige sind, ihre Namen klar zu posten.

Goethe, der Oberlehrer, stellt sich mit einem Perlwein Edeldnüff dazu: Nimms mit den Naturgipsern doch nicht so schwer! Da scheint schon ein gewisses menschliches Interesse an tiefem Gähnen zu sein. Selbst die Noblen vom Preis haben doch eine gewisse Sehnsucht nach Schläfrigkeit gehabt . Lasst doch mal!"

Ob suhrkamp Bots der Verehrung, Trolle des Kritikhass produziert?

Gott spendiert eine Dampfnudel aus dem Niemandsland mit Betschgräbler Krempe.

*

Der Regenbogen biegt sich hinab ins Muzej ratnog djetinstva, Sarajevo. Dort denkt man an Y.

2.12.22

Reiß die Himmel auf!

O Heiland, reiß die Himmel auf!


Sie hadern damit, Gott nicht glauben zu können!

Ja und?!

Es liegt doch vor und in ihnen, breitet sich um sie herum aus.

 

Da ist es doch weniger eine Frage des Glaubens als eine der Aufmerksamkeit, des Interesses in Leben und Welt.

 

Wenn die Himmel aufreißen sollen,

ruft ein Schmerz

aus Liebe und Verlust nach oben

in die Sehnsucht,

fließen wildere Flüsse, jüngere Bäche

aus Herzen –

dem Ende zu.

 

Was sind da Kraft und größere Kraft!?

 

Da sind Hoffnung

und Liebe

und Glauben

an all dies, von dem ich mir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen kann.   


So wenig wissend wie Du.


                                                                                                                                          7.12.2021

Bürger Kunde 2007

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