Tracy Chapman: There is fiction in the room between. Versinke im Augenblick. - Aber verliere nicht den Verstand
27.12.22
Vom neuen Anfangen
Heute ist neuer Anfang nach Weihnachten. Die Wohnung ist erst mal auf Stand. Es geht hinaus in den kalten sonnigen Tag.
Es ist etwas von kalt auch in mir, aber ich habe heute morgen unvermutet eine Zeichnung von mir aus diesem oder dem letzten Jahr gefunden. Es freut mich. Sie ist mir gelungen, obwohl ich damals eher dachte: irgendwie spießig. Anderen mag es so erscheinen, mir gefällt es plötzlich. Ich weiß noch wie der innere Anspruch lautete: zeichne doch einmal dieses schöne Blatt nach! Gleich zeichnete ich es fünf mal neben - und übereinander mit Schatten.
Jetzt sagt mir die Form: erinnere Dich. Und die Erinnerung an dieses Gefühl erfüllt mich. Vielleicht ist es etwas von dieser Altmännerphilosophie des zen, dieses plötzliche Ahnen vom Einswerden mit Allem, so etwas wie ein atheistisch - religiöser Orgasmus. Egal: es macht high, lässt die Zeit stehen, den Raum verschwinden. Für einen Moment.
Es war gut. Es geht weiter. Ich denke: Zeichnen erscheint mir wie das Echo der leisesten Berührung, die der Mensch spüren kann. Manchmal gelingt es, dieses Fühlen zu teilen, mitzuteilen. Kunst hat nichts von Größe, nichts mit ihr zu schaffen. Wer verehren will, gehe zum Guru. Aber mit etwas Glück kann sie ihre Freude vermitteln.
Also weiter über die feuchten, braunen, in Fäulnis übergehenden, aber zum Teil noch gefrorenen Blätter. Erinnerungen an andere Zeiten nach anderen Weihnachten kommen auf. Wie war das im letzten Jahr, wie vor zehn, fünfzig Jahren?
Ja, ich habe schon Hoffnungen auf die Zukunft des nächsten Jahres: neue Begegnungen, mehr aber auf die Erinnerungen, die sie in mir auslösen. Die Wintersonne über meinen Regenpfützen in hoffender Kindheit, in Einsamkeit und Erwartung der Jugend, im Weg durch den Schnee mit Dir, in Staunen und Vorfreude der Kinder. Der Gesang von Meise und Amsel aus den Himmeln des Frühlings, die Frieden atmende Landschaft des Sommers, ein Fluss, eine Stadt, die wehmütigen Blüten des Herbstes. All die Jahre, Jahrzehnte. All die Zeit.
Zwei Schulen des zen bekämpften einander erbittert: die eine von der plötzlichen Erleuchtung, die andere von der disziplinierten Meditation. Das braucht auch der japanische Alte nicht, ob weise oder ganz normal. Im Alter führt beides zum Glück der Erinnerung. Sie ist schon eine Droge gegen die Trauer.
So lass uns hinaus gehen, diesen tropfenden Zweig staunend berühren. Wie war das noch? Diesen vom weißen Wolken durchzogenen fahlblauen Himmel in uns hinein sinken und einen Glühwein gegen die Kälte trinken und zur Lockerung der Zunge. Und eine Zigarre am Stand. Ist es nicht schön, Mensch zu sein in der Welt der Menschen?
Ende 2022
25.12.22
Patagonien
Eine Niederung, aus der auch einige Büsche heraus ragen. Ob es da Wasser gibt? Auch einige Spuren von Huftieren lassen es vermuten.
Wir gehen und schauen. Manchmal kommt ein Schatten aus dem Verlust. Ich stolpere.
Hinter den Büschen ein noch dunklerer Streifen. Wald. Beim Näherkommen wird eine Baumreihe sichtbar, die sich nach rechts zieht. Eine Allee, die vielleicht in eine belebte Siedlung führt.
Eine Gruppe von Menschen kommt uns entgegen. In der Mitte ein weiß gekleideter Mann. Extatische Gesänge. Ist es Aufmarsch oder Ritual? Gibt es ein Zurück in das Universum des Tuns?
Das Boot am Ufer. Vor uns die Grasebene.
13.12.22
Handke, jetzt alt
Rio meint: einen Regenbogen unter den Wolken zu biegen, das
wär doch was!
Zwei Alte vor einem tröpfelnden französischen Brunnen. Warum
zeigt der jüngere auf das geschlossene Bordell? Hat er noch Wehmut? Japan lacht.
Jetzt streckt er die Hände aus, deutet auf den wohnungslosenlosen
Schwarzen, ruft "Wuschelkopf". Der hat keinen Nobelpreis für
amateurhaftes Verputzen der Welt bekommen. Sollten wir mitlachen? Ein Welser und
ein Griffener in Paris.
Vom Ponzer her klingts: „Dir geht's wohl wie Jim?
Plötzlich verspürt Jim Buckmaster den Wunsch, nicht so wie
Quean zu werden. Einmal hatte er sich heiB gewünscht, ein Mann wie Quean zu
sein. Jetzt nicht mehr.
Denn nun begreift er zum ersten Male richtig, was das
bedeutet..“ (Ein echter Unger – Western für 4,50 DM im Wartezimmer)
Doch Quean kommt nicht.
In Jim ist ein tiefes Bedauern. Er möchte hinreiten und mitreden.
Doch er traut sich nicht so recht. Freudlos reitet er heim. Was so ein Flug nach
Tokio kostet!
Hufgetrappel und Räderknarren, Kommentare zum Jubel-Fest. Warum
auch nicht?
Ob er Gymnastik macht, die Knochen schon spürt, vor
Erinnerungsproblemen um den Namen etwa in der Niemandsbucht in Sorgen verfällt
oder ob er sein großes Gähnen noch Jahre weiter in die Ewigkeit treiben läßt? Wer
will das wissen?
Beim Ponzer in Durlach zwei Alte mit Togokaffee. Smirc,
vergiss den Dr., vom Schnarchlabor, Warnix, der Altpsycholog vom Atemcenter
(ungeheurer Schwätzer redet mit jedem und jeder im Wartezimmer). Die haben auch
schon bessere Tage gesehen.
„Hej Jacko, schon gehört?: der Handke hat Geburtstag.“
„Ja und? Gehst hin?“
„Was soll ich denn bei dem?!“
„Ich meine zur Demo.“
„Ach laß mal, ist doch auch nur n alter Knacker wie wir.
Schreiber, nobler Preis und Pilzlurch. Wer fragt da nach?“
„Stimmt, lass ihn sein Gähnen in die Ewigkeit tragen. - Y
hatte nicht die Chance.“
Warum mit reuiger Einsicht des Gipsers, Gurus rechnen?
Walser, der Schlusstrich, Arno Schmid oder Schmidt?, der SS-Bewerber, Carlo
Schmid, der Humanist vom Todesurteil, haben sie ein Wort der Reue verlauten
lassen?
Schüler der Schule ohne Rassismus gehen vorbei. Was die wohl
zu einem Milosevic - Freund meinen?
Lass der Ewigkeit die Arbeit, diesen Nobelpreis im Nichts zu
begraben. Ob da so eine Gipsmasse von Nobelbepreisung und geweißeltem Pilzhütchen,
oder anderes aus dem Karton „zu verschenken" aus dem Sand ragt, was solls?
Den Kritikern aber würde ich auch sagen: lasst ihn. Er hat
genug mit seiner Kapitalverwaltung und der Abwehr der Verehrer zu schaffen (kommt
zu all den Spams hinzu). Zeit für Euch, sich mit anderen Unwichten zu befassen,
die einfach nur langweilig, sonst aber ohne Schuld sind. Gerne auch mit der
Ahnungslosigkeit von Verehrern, die zu feige sind, ihre Namen klar zu posten.
Goethe, der Oberlehrer, stellt sich mit einem Perlwein Edeldnüff
dazu: Nimms mit den Naturgipsern doch nicht so schwer! Da scheint schon ein
gewisses menschliches Interesse an tiefem Gähnen zu sein. Selbst die Noblen vom
Preis haben doch eine gewisse Sehnsucht nach Schläfrigkeit gehabt . Lasst doch
mal!"
Ob suhrkamp Bots der Verehrung, Trolle des Kritikhass
produziert?
Gott spendiert eine Dampfnudel aus dem Niemandsland mit
Betschgräbler Krempe.
*
Der Regenbogen biegt sich hinab ins Muzej ratnog djetinstva, Sarajevo. Dort denkt man an Y.
2.12.22
Reiß die Himmel auf!
O Heiland, reiß die Himmel auf!
Sie hadern damit, Gott nicht glauben zu können!
Ja und?!
Es liegt doch vor und in
ihnen, breitet sich um sie herum aus.
Da ist es doch weniger
eine Frage des Glaubens als eine der Aufmerksamkeit, des Interesses in Leben und
Welt.
Wenn die Himmel aufreißen
sollen,
ruft ein Schmerz
aus Liebe und Verlust
nach oben
in die Sehnsucht,
fließen wildere Flüsse,
jüngere Bäche
aus Herzen –
dem Ende zu.
Was sind da Kraft und
größere Kraft!?
Da sind Hoffnung
und Liebe
und Glauben
an all dies, von dem ich
mir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen kann.
So wenig wissend wie Du.
7.12.2021
Bürger Kunde 2007
1.12.22
Baumkronen
13.11.22
slow walk of an old man
Gang für den Frieden
(slow walk for peace)
Die Kaiserstraße lang. Langsam, die Kerze in der Hand. Dreißig sind angemeldet, es kommen zehn. Am Ende des Walks sind es doch mehr als fünfundzwanzig.
Die Lichter gehen an. Lampen, Schaufenster. Kinder tragen Laternen in den Martini. Es wird Nacht.
Stimmengewirr, Arme, Kunden, Verliebte, nach zehn Minuten eine wehmütige orientalische Weise aus einem Saxophon. Wie viele Straßen bin ich gegangen?
Was soll das heißen: Z?! Auf der Kerze die Zeichen A und O. Anfang und Ende.
Da sind Kunden und Käuferinnen. Auch für Deinen Frieden gehe ich.
Am Europacenter drehen wir um. Ob die Kerze auch in Deinem Gesicht aufscheint? Eine junge Frau mit schöner Stimme und kräftigem Mikrofon begleitet unseren Weg in einem Zug Sehnsucht. Es klingt wie Erinnerung.
Zum Ende: Dank des Einladenden. Keine Ursache: Ich habe zu danken. Eine kleine Strecke lang ging der Frieden auf der Straße. Nach Odessa oder Teheran, Mogadishu oder Sanaa. Aus meinem Dorf Kindheit in Deine Hoffnungsstadt.
… Wie kannst Du klagen, Du seist einsam?! Lass Dich durch die Straßen Londons führen… Streets of London von Ralph McTell 1973, (Ich war 22).
1.11.22
Die Wasserbüffelkuh
Der liebe Gott gibt den Waranen eine Büffelkuh aus. Der Verwesungsgeruch von der Entzündung dringt vor allem der Jugend wie ein warmes Süppchen in die Nase.
Die Büffel-Herde hat die Todkranke aus dem Wasserloch getrieben, weil die rot gelbe Stelle rund um den Schwanz stark riecht und die Erreger im Wasser verteilt. Die Herde könnte aussterben. Außerdem zieht die warme Mahlzeit Mengen von Waranen an, die auch mal einer noch kleinen Wasserbüffelin gefährlich werden könnten.
Nun ist sie hier in den Schlamm gesunken, in die Knie gebrochen, schwankender Kopf mutterseelenallein, von den Kindern schon vor Jahren vergessen, der Mann wieder mal irgendwo anders. Die jungen Warane schnappen zu, fluchtbereit.
Kann man dem Schwarm, der Herde böse sein? Wenn es Menschen wären, hätten sie vielleicht Vernunft, nach Auswegen für die Person zu suchen, oder sie kurzerhand in Betreuung oder korrekte Entsorgung zu schicken.
Gott selbst tut es sicher leid. Aber wie hätte er Evolution anders organisieren sollen?
Es bleibt an uns, zu Hilfe zu
eilen oder beizustehen, eventuell den erlösenden Schuss zu setzen, vor der
Qual, lebendig zerkaut zu werden. Und Mitleid zu zeigen, weil die Vernunft erst
ermöglicht, über Räume und Zeiten hinweg das Ich-noch-einmal im anderen
Lebewesen zu erkennen.
Der Alte von Leningrad hat eine andere Lösung. Er verwandelt sein Fühlen und das der Freunde in eines von Waranen und geht auf Vernichtung von Mensch und Kind aus.
Das wollen Schwarm
und Gott nun auch wieder nicht.
30.10.22
Am Baudenkmal
SWR Hitparade 22: Karl der Käfer Platz 84, Freiheit, Westernhagen 83, VfB Stuttgart 80
Wie alt ich bin…..
Am Baudenkmal
Wenn Du vor 250 Jahren von hier aus in den Himmel gesehen und das Blau ganz ohne Kondensstreifen bewundert hättest, wäre Dir durch das Stöhnen aus den Folterkellern, den Lärm der Maurer und Fuhrwerke und durch die Schmerzensschreie des durchgeprügelten Küchengesellen hindurch, vielleicht eine laute Stimme in die Betrachtung geplatzt:
"He! Hast Du nichts zu tun? Kein Bauernhof, kein Ruf in die Schreibstube? Melde Dich mal beim Schloss oder beim Schulzen! Der Fürst braucht Soldaten."
Aber, wenn
Du da schon stündest, wärst Du wohl reiches Söhnchen eines Einflussreichen auf
Schriftsteller- Karriere mit Mundart oder Heimat Im Neunzehnhunderter Schulbuch gewesen.
Tauschen mit dem oder dem Knechten?
Dann doch
lieber ruppiger Rentner mit Arztschulden und Kassenverweigerung.
20.10.22
Nada te turbe
Nada te turbe
Ich bin da
Die Welt ist daDer große dunkle Raum
Mit der Erinnerung an Dich.
I lost my grip and - You
Nun sagt und singt man es mir:
Nada te turbe!
Da ist der Raum.
21.10.2022
18.10.22
Letztes Buch, Schlusswort
Das ABC geht doch --> bis Z. Im Bahnhof läuft die Reihung aber Z-->A, wohl weil eben dort die Bahninfo liegt.
Meine Frage: "Bin ich schon auf dem Weg von der Gedankenstarre des Streß ins Vergessen?" Ich schreibe mein "letztes Buch".
Wer hat mit 70 noch ernst zu nehmende Bücher geschrieben? Die Didion (Blaue Stunden), Roth (Nemesis), vielleicht auch Goethe (Faust II - Regale schon ausgeräumt?) und co. Von Schwätzenden mit und ohne Nobelpreis ist nicht die Rede. Zur Hauptsache finde ich Notizen, Letztes und auch sonst nicht Beachtetes. Wer von über 70 liest noch "Wichtiges"?
Mein " letztes Buch" ist wie die anderen zuvor nur eine Sammlung meiner Tagestexte. Der "rote Faden" darin ist die Auseinandersetzung mit dem Alter, dem Nachlassen der Festigkeit, der verlorenen Wichtigkeit, dem Verlust. Nicht mehr Suche und Sehnsucht, mehr Vergewisserung und Wehmut.
Mancher, Manchem werden die Themen Tod und Ewigkeit zu pathetisch und zu düster sein. Sie sind so weder gefühlt noch gemeint. Da sind wohl hilfreichere und freudige Themen bei jüngeren Temperamenten angezeigt.
Wer sich aber -weniger gern als neugierig- hinaustastet in seine Realität, dem mag so mancher Text etwas vom eigenen Klang wiedergeben. "Der Tod als ein Spiegel" muss nicht den Versuch hindern, hinter ihn oder zur Seite zu schauen.
Weiß ich, was zu finden ist? Wüsste ich es, ich wäre längst vor Langeweile gestorben.
18.10.22 Klaus Wachowski
8.10.22
Dank
Ich durfte das Blau sehen
Und das Weiß der Wolken darin.
Ihre Reise durch das Sonnenlicht
Und darunter das Grün der Bäume.
Und wieder öffne ich die Augen
Voll Tränen
Und Glück.
Beides verstehe ich nicht,
Beides in mir auf dem Fluss.
Ich schließe die Augen,
Sage der Sehnsucht Good bye,
Die Schwingen der Nacht
Streifen unmerklich den Traum.
6.10.22
Halliday Asymetrie
Ich denke schon, dass er diesen noblen Preis verdient hätte.
Erster Verdacht: mit Bekanntschaft Reklame für andere eigene literarische Versuche machen. Vielleicht konnte sie ja beim Verlag nur ankommen, wenn sie ihre Erfahrung mit PR ausbeutete.
Ich wollte etwas Kluges zu Roth lesen, etwas von Staunen oder Enttäuschung, Verlust.
Aber das hier ist Teenagerkram eines Debuts. Man hat einander berührt, voneinander profitiert. Und weiter? Details hat er ihr anempfohlen! Wusste der alte Mann nicht mehr, dass man Schriftstellern nicht raten darf, wenn man ihren Weg nicht blockieren will?!
Ich wollte in Asymetrie etwas von der Wehmut des Alten und Sehnsucht der Jugend lesen. Gabs das nicht? Oder hat der trockene Roth das (Gefühl, Pathos) dem Mädchen verboten? Was sonst wollen Leserinnen einer solchen Biographie kennen lernen?
Andere liebens anders. Bekommen jedoch ebenfalls keinen Nobelpreis, der momentan auf Poesie reist -und was er (wie etwa Handkes Betonmilch) dafür hält- statt auf Prosa.
Dies ist nicht Weisheit, nur Meinung. Anderen gefällt ja das Plaudern über Oberflächen, Haut, Sport, Softeis- und Kunstgenuß. Ganz okay und warum nicht?
Vom Mann, der schreiben musste, kein Wort.
Enttäuscht? Selbst schuld: auch die Reklame schreibt Beziehung - nicht Liebe, nichts von Wunder und Verlust.
Klaus Wachowski 6.10.22 - und am gleichen Tag zeigt sich, dass das Nobelpreiskommitee wieder seine Urteilskraft gewonnen hat, indem Annie Ernaux die Ehre erhält.
19.9.22
Zur Republik geradeaus 2019
Wir gehen den Weg
Wohin führt er?
In die Republik?
Aus der Not?
Ins Alter…
Aus dem Nichts ins
Nichts?
Aus der Ewigkeit in die
Ewigkeit. -
Unser Leben ist eine
kurze Strecke Ewigkeit. Mehr können wir glauben, spekulieren, phantasieren,
nicht wissen.
Mein Weg war unter
Menschen. Gerne zog ich mich zurück, gerne war ich mit ihnen und
ich liebe.
Ich fand die Welt schön
und düster. Ich glaubte an Solidarität, Helfen
wollen.
Ich suchte, wie alle, die
ich kenne, nach dem richtigen Weg und nach Glück.
Ich bin alt. Viel habe
ich nicht gelernt.
*
Ein Kommunalwicht(ig) von
vielen sagte: "Erfolg!" Ich dachte: "Wohin?" Er hatte keine
Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt blickt er fragend seiner davontreibenden
Wichtigkeit nach.
Was ist wichtig an
Verwaltung? Richtiges, gerechtes Verwalten!
Vorwärtsverwaltung hat
richtiges und gerechtes Verwalten in meiner Zeit stets behindert, wenn nicht
liquidiert. Die Ablösung des dem Recht verantwortlichen Beamten durch den
schnittigen, eilfertigen Funktionär und schließlich durch den dem Gewinn, nicht
der Gemeinschaft, verantwortlichen Manager vom Betrieb hat die ordentliche
Verwaltung in ein Lottergeschäft mit Insolvenzpotenzial verwandelt. Nun kommen
Korruption und Korruptionsverdacht, bis die Republik in Form strikter Gesetze
resettet.
*
Wer will von Alter reden?
Das hatten die früheren
Zeiten der unseren voraus: das Wissen um die Sterblichkeit. Ich denke gerne
über das Leben nach (was so wenig hilft wie handeln).
Was hat doch der
ungeheure Schwätzer Heidegger von Da, So- und in-der-Welt-Sein geblubbert! Ich
sehe zurück und fühle nichts davon, ob meine Erinnerungen wahr sind, und ob
überhaupt gelebt war. Was meint Freund Richard dazu, der inzwischen jünger als
ich ist und verstorben?
Aber es sind meine
Erinnerungen, die ich mit niemandes Erinnerung oder Phantasie tauschen möchte.
Eine riesige Deponie, die ich niemandem zum Besuch empfehlen kann, der oder die
ein eigenes Leben führen möchte. Gerne wühle ich in den Resten.
*
Ein Spruch aus einem
Garten in Pilgerzell bei Fulda: "Zeit macht Sinn". Ewigkeit scheint
Sinn zurück zu nehmen. Das Thema 20.000 Jahre Halbwertszeit, das den auf sein
Ende hin denkenden Mankell beschäftigte.
Ja: Wert und Wichtigkeit.
Sie kommen aus der Berührung, aus der Gegenwart. Und Liebe? Auch sie braucht
Gegenwart zumindest der Vorstellung.
Die Ewigkeitsexperten,
Gurus, Priester, heiligen Nachbarn - wie unbarmherzig sie von den Werten des
Lebens reden, von Überleben, Leben, Freude, Leid, Liebe, Verlust! Laß Dich
nicht beirren! -
*
Waren es Illusionen?
Die Erwartungen einer
freieren, gerechteren, menschlicheren Republik? Der alten Zausel kündigt einem
alten Zausel wegen Eigenbedarf. Die Abschiebung der Flüchtlinge klappt ohne
Aufschrei. Das schlechte Gewissen ist in Broschüren der Ohnmacht kanalisiert.
An Stadien und Aufmärschen zeigt sich der Ork, ja er dringt in die öffentlich
geschützten Bereiche ein, vergreift sich an Repräsentanten der Republik. (Und
dann der Putin!)
Aber auch: Die
Sensibilität ist größer geworden. Der "Wut-Bürger", der sich in
allerlei Richtung nicht ernst genommen fühlt, ist nicht nur blökender Spießer.
Mancher ist auch nicht mehr von der Kultur des Braven gebremster frei und
gleich Geborener des Ursprungs.
*
Das Alter steht der
Ewigkeit näher. Ich merke es am wachsenden Schlafbedürfnis, an Vergeßlich- und
Gleichgültigkeiten, an der Beschleunigung des Zeitablaufs.
Wie unangenehm, wie böse
das Erleben von alten Politikern, die der Zeit noch rasch ihre
Wertvorstellungen aufdrücken wollen. Reagan, Cohumeini, Trump, Sarrazin...,
jetzt Putin brutal…
*
Ist es die Zeit des magischen
Realismus? Das Erlebte als Licht brechender Kristall, vor dem Brechen des
Auges?
*
Ruhm,
begrenzter Rohstoff, den
eine schwammige Masse Bölkstoff aufsaugt... Um den Rest davon zu kämpfen lohnt
ein Leben nicht.
Ich schreibe doch für das
Alter der nachlassenden Lust. Auch es hat Freude und Leid. Anders.
*
Der Verlust als Event:
Ist das dort ein
Schauspiel auf dem Friedhof?!..... Auch eine Möglichkeit. Was bedeutet
Gemeinschaft?
*
Die Körperpflege braucht
eine Stunde und inzwischen mehr.
Du hast noch keine Zeit,
huschst einer Hoffnung nach, die uns ein Naja aus alter Zeit ist, nicht einmal
Erinnerung. Dir sind unsere Erinnerungen
Berge von Müll, über die Du steigen mußt, wenn Du Deinen Weg gehen willst. Das
ist in guter Ordnung.
*
Die Einsamkeit
fiel mich an. Ich schrieb
hoffnungslos, danach empört, aber danach tauchte die Lust auf Leben wieder auf,
die Erwartung der Menschen. Das Nachdenken über das Alter ist von der Gefahr
begleitet, über jedes neues Kapitel ein "noch" zu setzen. Leben
"noch im Hier und Jetzt".
Die Natur sorgt für
Distanz:
Die Haare wachsen an den
unmöglichsten Stellen, kräuseln sich. Du wirst schweigsam, weil Deine
Einsichten welk und von Vergessen durchlöchert sind. Und, peinlich, Du
kleckerst und spuckst manchmal beim Reden. Das macht schweigsamer. Hässlichkeit
ist das Mittlel, mit dem Natur die Menschen der „wichtigen“ Alter von Dir und
Deiner Schwatzhaftigkeit fern hält. Halte diese in Ehren: das bist Du.
*
Alles ist eitel,
Auch das Glauben oder
Nichtglauben. Du bist von der Last des Recht-haben-müssens befreit. Und auch
die Rechtschreibung gehört zum Gestern. Wenn Du Gott brauchst: ok. Wenn nicht:
ok. Aber Verehrung und Angst vor Gott oder dem Nichts, das kannst Du doch lassen!
Und: es ist nichts egal!
Auch Du solltest schon nach vorne schauen, um nicht vor lauter Innenschau zu
stolpern. Da sind genug Wichtigmacher, auch dir noch rasch ein Bein zu stellen.
*
Bitte keine Belehrungen!
Mag sein, dass ich den
Ton eines waldensischen Wanderpredigers an mir habe. Das ist schon lange Zeit
in mir drin. Und es könnte sein, daß viel von meiner Verachtung für so manche
Verehrte einen weniger guten Grund im mangelndem Interesse für meine Predigten
hat. Kapitel Kampf gegen das Lob, das ich begehre...
Wenn möglich lese man
also diese Texte als das, was sie sein sollen: Selbstvergewisserungen in einem
ungeheuer bewegenden Prozess, genannt Leben.
*
Gewidmet meinen Lieben
und Freunden, Begleitern auf eigenen Wegen.
KA, 1.8.2019
14.9.22
Ganz nah
ein Schmetterling frei
und gebunden im Duft.
Und schon davon-,
Wohin? Wohin. -
Meine Füße gehen, stolpern
andren Weg,
Vorbei an rauschenden, stillen
Brunnen.
Die Spatzen sagen:
"Das Gras kommt wieder!"
Schweigend empfängt mich die Nacht
und die Blüte blüht noch immer
in der Vase Wehmut.
Schon wieder fallen die Blätter,
Was war, es sei
ganz nah.
14.9.22
31.8.22
Baby I will be lovin You
16.8.22
Wolken
Wolken
überm See
Lange zog mich das Was des Sokrates in den Bann. Aber das Wie der Liebe und Freundschaft, von dem ich auch nichts verstehe, berührte mich.
Von unten die Wellen des Baggersees. Oben die Wolken meiner Kindheit im ewigen Blau.
In Wolken eintauchen. Die Wolken in Weiß und hellgrauen Schatten dehnen sich aus, lösen sich auf.
Du schaust hindurch, tauchst ein in den Wirbel der Tröpfchen. Dahinter im Blau Dauer und Weite.
Du füllst das All mit Gedanken. So glaubt es meine Wehmut. Ich sehe Dich im Glück des Augenblicks.
Die Wellen des Baggersees plätschern.
Klaus Wachowski 16.8.2022
5.8.22
Enquist 2
Weischt du, wenn die Poschd uff macht?
Elfe!
Elfe?
Elfe!
Hon die koi(n) Audomaad?
Noi!
Noi?
Enquist "ein anderes Leben " fertig gelesen. Vor wenigen Jahren ungelesen ins Regal gestellt. Jetzt mit 71 hervorgeholt. Warum?
Begeistert wie nicht allzuoft. Mich interessiert an Literatur vor allem die Entwicklung der Person im Netz der Geschehnisse und Beziehungen.
Er ist ungefähr mit 90 gestorben, hat mit ca 74 diesen Abschluss geschrieben. Mein mit 62 gestorbener Freund wäre 8 Jahre jünger gewesen. War POs Entzug mit 60?
Ich sehe die Einsamkeit, den Ruhm, den Alkohol und den Kampf des Ich um Selbstbewusstsein. Einen Anton Reiser des 20.Jahrhunderts. Bezeichnender Weise beschreibt er sich in der 3. Person.
Abstand. Ohne Abstand keine Sicht. Ohne Sicht auf die Menschen keine mich interessierende Literatur.
Natürlich gehört nach dem Abstand wieder die Annäherung dazu, was viele nicht schaffen (die 2 H aus Frankreich und Österreich vom börsennotierten Literaturtrog).
PO hat das mit der Wieder-Annäherung m.E. geschafft. In der Liebe? - Fragezeichen. Das mit der Liebe ist ein eigenes wohl unlösbares Kapitel aus der Ewigkeit in die Ewigkeit. Bei ihm mit 70 wohl als Wehmut deutlich. Das grüne Haus, die Mutter, sonst hält er sich züchtig -oder zu fern dem Vertrauen- zurück.
Als (ungelesener) begeisterter Schreiberling interessiert mich viel von seinen Erfahrungen, von denen mir einiges bekannt vorkommt. Super die Darstellung von Hauen und Stechen am Broadway, packend die Enttäuschung bei der Ablehnung durch die intellektuellen Jobber des Erfolgs, denen er sich zugehörig glaubte.
Die Frage seiner Zusammenfassung eigenen Lebens scheint mir die altbekannte Einsamkeit -nicht nur der sogenannten Künstler- zu sein. Abstand, Distanz, Einsamkeit statt Zugehörigkeit. Der Quell will eigenen Weg. Das Exil per Ursprung.
Alkohol, Ruhm, Weihrauch von der Kanzel, Erleuchtung aus der Gemeinde sind die Kämpfenden auf der Bühne des Individuums, das darüber die Liebe verliert, vergisst, nicht mehr sieht.
In den moralisierenden Gemeinschaften des Minnesota-Programms wird dann mit Brechung des Willens und abschließender Erleuchtung die Rück-Anpassung angestrebt.
Der Weihrauch der ideologisierten Religionen und Traditionen gibt sich dagegen damit zufrieden, den Alkohol durch musikalisches oder narratives eigenes Dope zu ersetzen. Wagner und Nietzsche: was haben sie mit dem hinfälligen, eigenartigen Menschen zu tun? Romantik statt Whiskey.
Alkohol hüllt die Einsamkeit in eine dämpfende Filzdecke. Was Du schreibst, dringt unterirdisch hinaus, das Leben versteht nicht, hört nur dumpfes Geräusch, manchmal schrille Angst oder Wut.
Der Weg des Anton Reiser? (Etwas wird auch gepredigt.)
Was macht der Körper des Sportlers?
Ich brauche die Selbstgewissheit aus dem Körpergefühl, dem Gegendruck der Erde in meinen Füßen. Ihm waren Leistung und Verbesserung scheinbar vordringlich. 20 Jahre Unterschied Gegenwart . Zwischen uns lebte und starb Richard. Er trug die Sachlichkeit aus Deiner Zeit mit und gab sie mir zu treuer Hand, nahm von mir den Mut, vom Ich zu reden. Hatte wohl beides in sich.
Der Teller zittert in der Hand. Aber ich kenne noch die Einstellungen der Geschirrspülmaschine. PO hackt den Eisring vom Plumpsklo. Richard stellt das Fahrrad ab und fragt mich, was mir zu Wort oder Begriff "Höhle" einfällt.
Weischt, wenns Lewe zu macht?
Was?
Die Ewigkeit: Wenn macht die dicht?
18.7.22
Rowing to God
Wohin?
Rowing to God (Sexton?).
Vom Wind geweht dem
Winter zuwirbeln (Becket).
Dem Meer zutreiben,
hinter den
Horizont,
ins Weite.
Auf der anderen
Seite die Einsamkeit,
longing for and
lost.
Dann der Schneesturm
aus Fragezeichen,
Staub von Sternen.
Die Wehmut aus Erinnerungen,
Die Sehnsucht
unter der Hoffnung.
Der Wurzel
Bitterkeit,
Dass Glück aus dem
Lächeln
Und der Berührung
Frieden.
Sterbeszene
im Film Thor Love&Thunder:
„Halte Dein Herz
offen…“
Klaus
Wachowski 17.7.22
12.7.22
Sehnsucht und Wehmut
Sehnsucht - Wehmut
Über einen Gegenstand in der "Psychologie heute"
X begreift es als etwas wie das englische "longing", das von belonging, Zugehörigkeit, käme. Aber longing kommt wie Verlangen von "Nach etwas weit hinaus langen".
Ist auch Wehmut eine Sehnsucht? Bitte die Richtung beachten: Wehmut ist Trauer, Sehnsucht Hoffnung.
Verlust oder Mangel. unterscheide „noch nicht“ und „nicht mehr“...
Jazz der Sehnsucht und der Wehmut Blues: die Wurzel ist wohl
die gleiche: das Ich, das die Berührung eines Du weit da draußen oder weit da
hinten vermisst.
Die Sehnsucht: Siehst Du nicht da: den Horizont, spürst Du
nicht das Verlangen?
Die Wehmut: Aber schau: da am Quell spielen die Kinder
Deiner Erinnerung!
Die Weisheit: ich
verstehe nichts...
Weitere Stimmen:
Die Depression: na
und?!
Die Frömmigkeit: komm,
lass uns beten!
Die Kunst: Dada,
schön. -
Die Ideologie: so
geht die Lösung!
Die Wissenschaft: nein,
so!
*
kürzer:
Die Sehnsucht: horch! Ein Einhorn!
Die Wehmut: ich
hörte das Einhorn!
Das Einhorn: ich
suche Wehmut!
Putin: gehört
alles mir.
Die Ewigkeit
(das Omega): ich
warte auf Dich...
*
Change
Sehnsucht und Wehmut tanzen den Blues,
Einen Stehblues ohne Berührung.
Was sucht denn die Sehnsucht?
Wonach weint die Wehmut?
Die Weite der Welt,
Den Ursprung.
Ein Stehblues,
Du darfst ihn erleben;
Vollendet,
Berührt...
10.7.2022 Klaus Wachowski
10.7.22
Vollendung
Sehnsucht und Wehmut tanzen den Blues,
Einen Stehblues ohne Berührung.
Was will denn Sehnsucht?
Und was sucht denn Wehmut?
Die Weite der Welt,
Den Weg in den Ursprung.
Ein Stehblues,
Du darfst ihn erleben;
Vollendet,
10.7.2022 Klaus Wachowski
8.7.22
Nebrewko
1.7.22
Liebesarbeit
24.6.22
Besuch im Seniorenzentrum
Böser Alter
21.6.22
Enquist
Es muss wohl in jedem Vogelschwarm ein komischer Falschsinger sein, von dem die Allermeisten einander zuflüstern: "Der ist plemplem".
14.6.22
Es gibt Wichtigeres!
Wichtigeres
6 22
Man wird Dir sagen: "Sei still! Es interessiert uns nicht!" Da sei
Wichtigeres zu tun, zu lesen, zu hören.
Ich höre Dir gerne zu!
Du schreibst nämlich von der flirrenden Hitze über trockenen Gräsern, von der
hüpfenden Amsel. Ich sehe den goldenen Ausschnitt von Licht auf hellgrünem,
beschatteten Blatt, und Du nimmst mich, zeigst hinaus in die Weiten Deiner
Fragen.
Und durch Deine Texte wandern Menschen und Erinnerungen aller Art, wie früher die
Sehnsucht.
Längst vergessen sind Wichtigkeit und Ziel. Und der Wind spielt mit Deinen
verlorenen Blättern.
13.6.22
Betrachtung einer Wolke
X betrachtet das ferne weiße Wölkchen im Sommerblau. Das erinnert ihn an die
Szene im Kapitän Blaubär, der so ein Wölkchen durch Hypnose zum Regnen bringen
will.
Irgendwo piepst ein Wagen im Rückwärtsgang. Da hinten krächzt ein Rabe.
Dazwischen ein weites Feld mit Kornblumen im Grün und vielfältiges Zwitschern
von Feldvögeln. Die Windharfe summt auf und ab.
Auf einem breiten Kondensstreifen ist das Wölkchen weitergewandert.
Ein Kronkorken reflektiert die Sonne. Wusch auf Wusch zischen Räder vorbei.
Die Wolke löst sich auf. Schweiß läuft meinen Rücken herunter. Ich lese ein
paar Tonscherben auf und fahre.
Blues
Schön, ganz schön! Aber man kann doch nicht sein Leben lang Blues hören! -
Aber singen! Ich denke an Johnny Nicholas, Muddy Waters, Marianne Faithful.
Und ich schreibe. Immer dasselbe...
Man muss also wirklich nicht sein Leben lang Wachowski lesen, nicht einmal ein paar Seiten lang.
Aber der
Wachowski muß wohl schreiben und schreiben.
6.6.22
Neben mir
Es redet und lacht neben mir,
mir zu.
Voll der Wichtigkeit
Merke ich es nicht.
Aber ich erinnere mich,
Voll Freude.
6 2022 Klaus Wachowski
1.6.22
Der Therapeut- zu arte "in Therapie"
Eine Fantasie
Über den Tod nachzudenken ist nicht gerade hilfreich, wenn man Lebenden helfen will. Aber eine üä möchte ä ÖlGesamtbetrachtung muss ihn schon einschließen.
Er hatte Glück. Verlust war auch dabei. Aber er hatte das Verlorene auch lange Zeit genossen.
"Eine Kirche, ding-dong", erklärt Opa. Gott wird er nicht meinen.
Ein Therapeut ist kein Pfarrer. Ja, auch er soll die Seele sorgsam behandeln, ihre Freiheit aber nicht mit Ratschlägen lenken... Eine Abschweifung
Was gefällt mir an dem erodierten Kopf? Sorgsamkeit der Beobachtung, Ehrlichkeit und Ernst auch in der Selbstbefragung. Wenn er lächelt, dann, weil er etwas bekanntem begegnet, nicht selten eigenem Irrtum.
So lächelt und weint er in Sommer, Ebbe und Flut. Manchmal ist da der Schrei einer pfeilschnellen Schwalbe.
Und all das spielt in einem alten Zimmer voll mit alten Möbeln und Staub gewordener Vergangenheit.
1.6.22
16.5.22
Dr. Smirc und die Leiter
Warnix: "Hallo Dr., nimmst Du nicht den Fahrstuhl? "
Dr. Smirc: "Ich wills mal ohne probieren! In unserem Alter muss man das Leben doch täglich trainieren. Letztes Jahr habe ich die Alu-Leiter ohne Schwierigkeiten im Seniorentrab hoch geschafft. Jetzt komme ich mir vor wie ein Vulnerabler auf dem Glatteis der Ewigkeit, wenn die Trauerhilfe winkt.
Dr. Warnix: "Ja - und wie lange noch?"
Smirc: "Au!"
Warnix: "Oh, Jacko, is was passiert?!"
Dr. Smirc: "Ach! Laß!" Stolpert die Stufen hoch.
Dr. Warnix, Psychagog und favorisierter Nobelflopper, bückt sich nach der Radmutter. 50 Kilo auf Bandscheibe.
Ein Bild von vor 30 Jahren taucht auf. Das ausgeleierte Bohrloch, das ihn so wütend über sich selbst gemacht hatte. Jetzt streichelt er übe r die Stelle am Regal.
Wer dieses Jahr den Preis bekommt? Interessiert's noch?
Q hat gerade R begraben.
Die Doctores, also auch Witwe Dr. Wohlfühl, treffen einander auf der Terrasse, stoßen mit einem Vodka Kommissar Beck an. Auch schon lang nicht mehr geguckt. War aber schön.
Dann reden sie ein Bisschen, schauen hinauf zum Mond. Mit einer Grundzufriedenheit über Liebe und gehabte Liebe.
16.5.22
--
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1.5.22
1. Mai 2022
Nachbrenner und Wurstfeuilleton zum 1. Mai
Scheck und Schleime bei Walser in Stuttgart
Vergessen ist auch schön. Die Blätter leuchten heller.
Früher mit meinem feinen Anzug zum 1. Mai (nirgendwo anders hin) zu Currywurst oder fetten Bratwurst mit Bier.
Fern für die Alten, die vor wenigen Jahren noch wehmütig auf die guten alten Zeiten schauten. Was glaubst Du, denkt der Alte im zerstörten Wohnbunker in der Ukraine, was der alte Russe in Vologda? Die schütteln doch die Köpfe über die alten Killer Putin, Lavrow!- und die jungen Leute verstehen nicht. Okay.
1. Mai, das war schön und wichtig. War...
Jetzt gebe ich den Führerschein ab.
Da muss denn auch der Walser oder Handke ins Wortlos hinab. Sie werden nie bereuen. Das Schröderproblem. Was also noch? Der Nachbrenner Scheck wird schon eine neue Tröte der Wichtigkeit finden, ihr nachzuflöten. Und an Feuilletonwurstern wird es auch künftig nicht fehlen, das Dada zu befüllen.
Wohltemperierte Atmosphären in Literaturhäusern werden weiter Lust und Sehnsucht über die Sehnsucht des Wortes wälzen und Jugend wird im Ersten Mai alt werden, aus der Unzufriedenheit und Hoffnung in Akzeptanz und Ironie gleiten. Wohin? Davon...
Warum auch? Man bastelt vor sich hin. Eigentlich, um sich an alte Zeiten zu erinnern, und dann ins Bett zu fallen. Es ist basteln, das uns gefällt und Euch egal sein kann, muß...
Sorry! Das einzige, was man noch von dem W. hören wollte, war doch wohl eine Entschuldigung für den "Kritiker". Durch seine Stotzigkeit hat er sich geschickt noch über die Jahre in der Aufmerksamkeit gehalten. Wozu? Hat den alten Goethe überlebt, der schon mehr als ein Jahrzehnt vor solchem Alter das Fenster aufriss, frische Luft zu atmen, sonst aber auch nicht mehr viel zu sagen wusste.
Der Trog aber braucht Platz für junge Leute! Wer glaubte sonst noch, dort gäbe es etwas zu finden? Macht doch die Wiese frei für andere Zeiten, andere Flopper..
Anstatt sich auf die Frage von Wichtigstrumpf Denis Scheck (der dem Ranicki wohl auch einigen Neid nachtragen muss) über einen anderen, längst verwesten Problembär (SS-Bewerbung) namens Schmidt einzulassen, beginnt Martin Walser mit der Lesung aus seinem „Traumbuch“. Wir basteln, basteln. Was macht Ihr für einen Sermon darum?...
Was ist nur los beim Ruhmesschmusen?
1.5.22
28.4.22
junger April 22
Einige Menschen ziehen vorbei, zu Fuß und auf Rädern. Es ist schön unter Menschen zu sein. Das Spatzengeschwätz geht unter in der erlöschenden Aufmerksamkeit.
Schon länger habe ich mit dem ernsthaften Zeichnen und Malen aufgehört. Das Interesse erlosch plötzlich wie in einem Luftzug zwischen Herbst und Winter. Auch das Interesse am Lesen läßt nach. Ich lese hauptsächlich, um an alt erinnerten Schriftstellern als schön Erfahrenes zu prüfen und wiederzufinden. Und um über die Wiederholungen bei den Jungen zu lachen oder mich zu empören. Nicht aber ernsthaft interessiert. Die Literaturzeitschrift werde ich abbestellen.
Aber ich schreibe noch. Auch hier verliert sich das Interesse am Ernst.
Noch füllt der Frühling mein Herz mit Freude.
Noch erhebt sich düster und brüllend das Morden im Osten.
Ich stehe auf und gehe den Weg.
28.04.2022
26.4.22
Annie Ernaux Eine Frau
Annie
Ernaux -Eine Frau,
Eine faire Biographie und sachliche Liebeserklärung
Fast etwas wie der Anton Reiser über sich selbst.
Nach langer Zeit ein Buch der Neuzeit, das mir gefallen hat. Ich liebe Virginia
Woolf. Aber wie elend lang ist die eine Biographie, die ich unbedingt lesen
wollte.
Ich brauche nur 5 Stunden, um das Buch zu lesen. Auf den letzten Seiten kommen
mir die Tränen. A.E. war im Zeitraum der Niederschrift 46 Jahre. Heute dürfte
sie über 80 sein.
Was mir gefällt: die sachliche und dennoch liebevolle Art der Beschreibung
eines Lebens. Wie sehr doch die Hoffnungen und Sehnsüchte dieser Frau, der Mutter,
doch von einem Streben bedrängt wurden,
das sich aus dem Wandel vom Überleben zum Ehrgeiz speiste. Sie wollte
nicht zum Pöbel aber auch nicht zur Arroganz gehören. Und da man/frau selbst
nicht zu einem solchen Ruheplatz in der Welt gelangen konnte – es ist immer zu
spät - sollte es wenigstens die nächste Generation „gut haben“.
Mit den
negativen Folgen, die wohl die allermeisten aus den Nachkriegsjahrgängen
hatten: Zweifel und Selbstzweifel, Konkurrenz und Scheitern, Manie und
Depression. Die 68er brachen damit, gaben in den 80ern aber auf und
"verrieten" die Brotherhood of man an Betriebswirtschaft und Ruhm.
Diese Frau wollte das Beste für ihr Kind, das Leben in der besseren,
wichtigeren Gesellschaft der-- Literatur.
Das bringt mich zu einem Satz, den die Tochter nicht weiter kommentiert, der
mich aber auf eine Frage bringt, die AE wohl nicht ansprechen wollte, um die
Neugier fern zu halten: "(sie) lächelte,...bei einer Redewendung, die sie
für poetisch hielt,("wir sind nur Besucher auf dieser Welt"), als
wollte sie die Anmaßung herunterspielen, die ihr über die Lippen kam."
Ich lese aus der Liebe Der Mutter zu dieser Redewendung noch etwas anderes als
ein Bedürfnis der Zugehörigkeit zu höheren Kreisen: die Frage nach dem Sinn.
Die
Sinnfrage betrifft jede und jeden, die die Zeit und das Interesse haben, sich
selbst und ihr Verhältnis zu dieser kurzen Zeit Leben zu betrachten. Dies gilt
nicht nur in der Sphäre der Intellektuellen, wo das Geltungsbedürfnis das
Interesse nicht weniger abdrückt als Angst vor und die Wut über die Not in der
Sphäre des Wirkens.
Weitere
Hinweise auf ein solches Fragen sehe ich in den Gottesdienstbesuchen und im
Interesse an Büchern. Die Tochter sollte es besser haben, ja! Aber nicht (nur)
in der Welt des Wohlstands, sondern in der des "Wortes und der Ideen"
also in der des Sinns. Und selbstverständlich in der des Anstands (mit kleinen
Gehässigkeiten im intimen Gespräch unter Familienmitgliedern und Freunden).
Ein weiterer Satz von Bedeutung für mich, der ich nun selbst älter bin und
Worte zu verlieren beginne:
„In einem Brief im November: "Liebe Paulette, ich habe die Finstemis noch
nicht hinter mir gelassen."“
Sie war schon in der Einsamkeit von Heim und Alzheim. Was ist finsterer als das
Gefühl, die Zugehörigkeit zu verlieren, allein zu sein im Verlust der Worte und
Werte und bald der Würde. Wo nun auch die Fragen versinken und die Liebe mit
ins Nichts reißen? Wo geht es hin aus der Finsternis?
Sie jedenfalls kämpft: "Die Worte, die zu ihr durchdrangen, verloren ihre
Bedeutung, aber sie antwortete trotzdem aufs Geratewohl.
Sie hatte immer noch Lust, sich zu unterhalten. Ihr Sprachvermögen war intakt,
zusammenhängende Sätze, richtig ausgesprochene Wörter, nur eben ohne Bezug zu
den Dingen, der Fantasie entsprungen.
Sie erfand das Leben, das sie nicht mehr führte: sie fuhr nach Paris, sie hatte
sich einen Goldfisch gekauft..."
Sich unterhalten wollen, das Ein- und Ausatmen des Schwarms, in dem wir aufgehoben
und beobachtet sind. Gelten wollen: ja; nicht aber herrschen wollen, was ja -
wie die Angst - Monolog braucht. Sich unterhalten muss nicht unbedingt "Kommunikation"
sein, es driftet aber darauf zu.
Älter geworden finde ich okay und öfter sogar schön, was ich noch bis vor
kurzem, in den 60ern noch mit "Geltungsbedürfnis" abgetan hätte. Das
ursprünglichere Bedürfnis der Zugehörigkeit scheint mir hier mindestens ebenso maßgebliche
Influenzerin gewesen zu sein.
Aber was auch!?: Wenn der Regen kommt, suchst du in jedem Schatten Erinnerung
nach einem Sonnenstrahl. Eine im Jargon des Aufstiegs "einfach"
genannte Frau las Le Monde und den Observateur. Wozu sonst als "zu
verstehen", ganz wie Hannah Arendt es versuchte?
Wichtiger aber ist Mir schon das Bedürfnis, mit dem Kind zu sprechen und
zusammen gehen zu wollen, das Wunder der Welt sehen.
Die Tochter:
"Dies ist keine Biographie und natürlich auch kein Roman, eher etwas
zwischen Literatur, Soziologie und Geschichtsschreibung. Meine Mutter, die in
ein beherrschtes Milieu hineingeboren worden war, das sie hinter sich lassen
wollte, musste erst Geschichte werden, damit ich mich in der beherrschenden
Welt der Wörter und Ideen, in die ich auf ihren Wunsch hin gewechselt bin,
weniger allein und falsch fühle."
"Ich
werde ihre Stimme nie mehr hören. Sie, ihre Worte, ihre Hände ihre Gesten, ihr
Gang uhd ihre Art zu lachen waren es, die die Frau, die ich heute bin, mit dem
Kind, das ich gewesen bin, verbunden haben. Ich habe die letzte Brücke zu der
Welt, aus der ich stamme, verloren.
Sonntag,
20. April 86, Februar 87"
21.4.22
Rückschau
19.4.22
Vulnerabler Frühling
Was wieder kommt
In einer Literaturzeitschrift lange Suaden über wichtig – unwichtig.
Dann das Buch mit Beschimpfungen von Dichtern gegen Dichter.
Der Wolfszar beginnt seinen Mordzug.
Ich bin 71, X ist gestorben, Y gelähmt. Man sagt:
„Vulnerabel“!
Ich lebe. Und verdammt: ich habe doch gelebt! –
Was gehen
mich noch die ehrgeizigen Kinderspiele mit 60, 50, 40 an?
Dazu der Verlust und die mich am Leben haltende Liebe.
*
Am Blumentor wachsen zehntausend weiße Sterne (den Namen
habe ich vergessen) aus dem Rasen hervor, auch ein paar lappige gelbe Tulpen.
Die Sonne strahlt in meine Kleider. Kaum ist Frühling, kommt der Duft gemähten
Grüns.
Es könnte Kindheit sein, Duft der Hoffnung im Gesang der
Vögel. Das wäre so ein Augenblick im Horizont Ewigkeit. Ich gönne mir eine
Stunde davon.
Senkrecht fällt das Licht auf steiles Dach. Die gelbe
Fassade bleibt im Schatten. Die ersten hellgrünen Blätter leuchten in mich
hinein. Die Erinnerungen füllen sich langsam mit einem vergessenen Gefühl von
Sehnsucht.
Ich hebe meinen Blick von der Notiz und sehe rosa, lila
Tulpen über Dunkelgrün. Da sind noch Menschen, die vor Teststationen warten.
Aber die Stadtverwaltung schickt schon den Traktor los, die Töpfe zu wässern,
um den Besuchern einen schönen Anblick zu erhalten.
Ein kühler Wind wie damals an der Haltestelle Heimersheim, wo
noch Kaugummipapiere aus 1992 lagen. Mein Gott! Was ist seither geschehen! Die
Kraft ist davon. Aber ich sehe die Hoffnung in den Augen und Gesten der jungen
Menschen. Es erfüllt mich mit einem frohen Gefühl, das in den flach
auslaufenden Wassern der Sehnsucht badet.
Fern der Schrei von Möwen.
Dahinter Dein Gesicht, das ich
Antlitz nenne.
19.4.22
17.4.22
Ruhm der Schriftsteller im volltext
8.4.22
Arte: In Therapie
Lebenserfahrung legt mir das Bild des Menschen als Teil eines Schwarms näher.
Danach ist ein gewisses Mitleid in der Menschennatur schon angelegt. Nazikinder, Kinder von erbarmungslosen Ideologen und Traditionsfanatikern entwickeln dennoch ganz natürliches Mitleid.
Ja die Unmenschlichkeit muß zur Wirkung selbst den Trick anwenden, ihre religiösen und politischen Verfolgungen mit Mitleid für eine benachteiligte Person oder Gruppe zu begründen. Oder mit Rache zum Ausgleich einer Tat oder des Unterlassens von Hilfe , wo sie nicht Angst vor Gott oder selbst erdachtem Horror zur Verfügung hat. Heute ist der Name Putin, Kabirov, Assad, Kim. Andere gingen voraus, andere folgen.
Ist also Mitleid bereits vor dem Verstand da? Mir scheint die Aufgabe der Vernunft lediglich darin zu liegen, die Sicht zu öffnen. Auf das Erbarmen oder aber auch auf das Ich-zuerst.
Die Chance von Therapie, Gewissheit, also etwas mehr Gewissheit über Ich, Du und Welt, zu gewinnen war früher der Philosophie und Meditation vorbehalten.
Wie sehen den Therapeuten im Film wanken und schwanken und mit Klienten ein tieferes Gespräch über Sinn, Verstehen und Wille führen wollen. Es ähnelt einem, oft unbeholfenen, Tanz.
Ja klar: was, in aller Erfahrung, wissen wir wirklich? Die Hoffnung liegt im miteinander Reden und Denken. Entscheidender Faktor ist das Miteinander, Austausch und Vertrauen. Auf der Seite der angeblich Wissenden Gleichwertigkeit und Achtung.
Es bewegt mich zu sehen, wie der Therapeut sucht und versucht. Ein - hoffentlich nicht mystifizierendes - Bild eines Menschen, der hinaus zu den Sternen sieht und in sich und Dir sucht, was das Leben bedeutet.
Das Ergebnis, wenn gut, ist wohl stets die Ausbreitung des fragenden Gefühls über alles Wollen, Erkennen, Trauern, Lieben. Wir wissen nicht, versuchen gemeinsam zu ergründen. Ein Therapeut, eine Supervisorin ist da eine hilfreiche Begleitung. -Unter Umständen.
26.3.22
Narzissen 2022
Ich sang mit meiner Sehnsucht. Jetzt spreche ich mit meiner Erinnerung über das Glück, geboren zu sein.. Mag der Sturm kommen; jetzt blühen die Blumen auf dem Felde!
Ich habe die Fenster gereinigt, mich gestreckt und gebeugt. Jetzt öffnet die Sonne der Vögel Gesang.
Das Böse brütet Hass in gepanzerter Yacht. Der düstere Gedanke will nicht gehn. Die Sonne aber scheint in die Saaten der Menschen!
So schaue ich in den Spiegel Erinnerung, liebend und noch ergriffen von Sehnsucht.
Kinder lachen: Chill mal, Alter!
26.3.22
25.3.22
Ngongo - Aberrationen
Aberrationen
Aus einer Sternen-Diskussion:
"Maybe "stellar aberration" could explain that. "
*
Akai richtet die Linse des Teleskops auf Sirius aus. Er seufzt. Wie gerne hätte er noch vor der Hinfälligkeit das Rätsel um die Aberration des Sirius + gelöst. Aber ist es die Lichtverschmutzung durch das nahe gelegene Schipka oder kommt der grüne Star jetzt doch noch? Er bekommt nicht ausreichend Klarheit ins Bild.
Er geht in die Küche hinunter und isst den Rest Tarator, eine leckere Zumutung für jeden Indianermagen. Dann versucht er es nochmal. Aber er schläft schon nach 5 Minuten ein.
In einer Lichtung bei Rendalen beginnt das Konzert der Singvögel. Du kennst das. Aber es ist immer wieder schön. Lichtfinger der Sonne in aufbrechendem Grün.
Ein Kind wird geboren. Ein Kind stirbt fern von Dir in großer Einsamkeit. Die Todesmaschine des Kriegsverbrechers hat inzwischen über zweihundert davon gekillt.
Und in Vologda versucht Olga ihre schrumpeligen Kartoffeln loszuwerden.
*
Stell Dir nicht vor, dass es einen roten Knopf gibt und dahinter das Lächeln eines mörderischen Schimpansen von Ngongo.
24.3.22
Walser 22
Er wird noch veröffentlicht. Was mehr? Mir sagt man: Chill mal, Alter! Ich bin ein Vierteljahrhundert jünger, könnte gut aber schon tot sein. Was also geht mich der Mann der struppigen Phantasie dort hinten am Horizont an? Entschuldigen wird er sich nicht mehr. Und sonst war ja nichts.
Und jetzt der andere Rentner, der noch ein paar Jahre morden will, bevor die Ewigkeit ihn weggesperrt! Ob er wie Milosevic einen Freund unter den Leuten am Trog des Nobelpreises bekommt? Die Verehrer warten auf Chancen und blasen Feuilletons in müde Köpfe.
Ich gehe eigenen Weg.
7.3.22
Auf dem Friedhof
X ruft an. Was ich denn zu dieser Entwicklung sage?
Wenn sich neue Ungeheuerlichkeit vor dem Schmerz und den guten Erinnerungen aufschichtet, bin ich so fern! Aber wenn der Irre dann auf den Knopf drückt, werde ich mich an unsere schönen Zeiten erinnern können.
Es wurde uns geschenkt, und ich sehe Dich durch unsere Begegnungen hüpfen. Himmel und Sonne und Freunde und Wiese und Vogelgesang in den Höhen. Ich schaue durch das Fernglas meiner Sehnsucht.
Da aber werden Kinder von Schüssen durchbohrt, Orks von Assad und die Rudel des Wolfs von Leningrad hetzen durch die Räume, ermorden das Leben. Die Liebe stürzt in Abgründe der Trauer, Du weißt...
Hier unter dem Baum treffen wir uns wieder, denken unserer guten Zeiten. Erinnern uns jener letzten Umarmung. Erfüllt von dankbarer Freude.
7.3.22
5.3.22
Leben, nur so
Was die Leute, die gerne Verstand und Vernunft gebrauchen oft überschätzen, ist die Freude an Selbstbestimmung. Nicht nur Spießerin und Spießer, auch ganz alltägliche Menschen, die sich über das eine oder andere Unrecht, die ein oder andere Unbarmherzigkeit miteinander empören, finden es ganz in der Ordnung, wenn irgendwer regiert, so lange er oder sie sich nicht in die Vorgartenangelegenheiten, in die Kinderdressur, Jahrmarkt und Jux einmischt. Zu diesen gehöre zumindest zeitweise auch ich.
Als ich jung war, war es schön, jetzt ist es eher lästig, wenn ich zu allem Stellung nehmen soll. Inzwischen traue ich einer Menge anderer, gerade auch gewählter, Leute zu "es" mindestens ebenso falsch zu machen wie ich und ich glaube auch, dass die prüfenden Instanzen wie Parlamente, Gerichte, Presse und Prüfungsämter hinreichend gut arbeiten. An das Ich-Ich habe ich noch nie geglaubt. Leben...
Aber was rede ich, will ich belehren?!
Der Soldat will Tote sehn, muss und mancher will töten.
Da liegen sie. Die Kinder und Mütter. Die Wehrlosen und die sich Wehrenden. Bist Du mehr wert?! Sie nichts?!
Sie wissen vom Leben nichts.
Jene aber dürfen es nicht mehr erfahren.
Die Ehrfurcht vor dem Leben macht den Unterschied.
Der aber, der die Schuld trägt, als wäre sie ein Witz, trinkt Tee an launiger Tafel.
Singe das Lied der weinenden Liebe oder schweige mit dem bombardierten Gott der Nächstenliebe.
24.2.22
Einmarsch in freies Land
Wenn er seine Mörderkameraden aufruft, schlage ich den Marc Aurel auf und rufe Cato an.
22.2.22
Talk Text 1984
Der Dixie swingt um malerische Gruppen
von sonnigen Empor- und müden Abkömmlingen,
aus deren glatt rasierten Fernsehmasken
manch ausgeglühtes Basiliskenauge glitzert.
Die Musi schweigt, der Moderator lächelt,
plaudert dem Starlet aus dem Unterleib;
die Spanner lachen, Prominenz erzittert,
wo ihr der Flegel in die Psyche faßt.
Ein ernstes Wort fällt, schnell fällt ein der Dixie,
schon reißt ein Spot den nächsten Tisch zur Kamera.
Die Musi schweigt, der Moderator lächelt,
und wer was ist, dem wird es jetzt gezeigt:
daß doch auch er ein kleines Würstel nur,
wie Du und ich, vom gleichen Sein und Schwein.
Der Dixie fällt ins letzte Lachen ein;
wen man brüskiert, grüßt freundlich in das Grinsen,
das nun erlischt und langer Weile weicht,
die gähnend in den Ernst des Lebens schleicht.
10.2.22
Anton und der Alte
Nach einiger Zeit kam Anton in die Pubertät, wurde selbständig und aufmüpfig, wusste alles besser und schwankte auf hohen Wellen der Gefühle.
Ich frage mich, was so ein angeblich weiser alter Mann zu dem Jungen im Stillen sagen würde.
"Du glaubst auch noch im hohen Alter, damals besonders pfiffig gewesen zu sein. Und Du bereust die "böse" Art. Ich erkannte natürlich Deine Heuchelei, die mich vor dem Anblick Deiner plötzlichen Kälte und Dich vor meiner Trauer und meinem Zorn schützen sollte. Aber: Ich war auch einmal jung. Du gehst jetzt eigenen Weg. Tu es ohne Reue.
Wer kann Dir jetzt noch raten? Ich sehe Ehrgeiz und Sehnsucht nach Eintauchen in das Leben, vielleicht ist da auch Liebe zu Menschen. Wer weiß?
Auch Du wirst in meinem Alter, das Du hoffentlich ohne zu große Verluste erreichen wirst, durch regnende Nebelwolken von Fragezeichen treiben. Auf anderem Fluss dem gleichen Horizont entgegen.
Ich blickte mich um und winkte Dir aus der Ferne, als Du Dein Boot los machtest. Selbstverständlich auch voll Sorgen. Wir sind doch Menschen." Der Rest geht in Murmeln über.
Er schließt mit dem gleichen Lächeln wie immer die Tür und geht an das Fenster, das wieder mal einen Frühjahrsputz brauchen könnte.
Klaus Wachowski 10.2.22
7.2.22
Alterserscheinung
14.1.22
Traum von einem alten Bekannten
13.1.22
Dunkle Augen
Es kann täuschen. Hier sprachen die Augen Wahrheit. Der äußere Ring des Raums schien aus der Schwere zu kommen. Aber das Innere schimmerte von Menschenliebe. Und so die dunkle Stimme.
Treffe ich solche Personen, meine ich besonders begeistert sein zu müssen. Das wollen sie nicht.
Nein! Auch sie war nicht wertvoller als irgendein anderer Mensch. Aber die Präsenz der Menschlichkeit ist schon unterschiedlich verteilt. Und dort ist die Freude und die Sympathie bei einer Begegnung größer, so haben Schmerz und Trauer etwas allgemeingültigeres, über die Person hinausweisendes, beim Abschied.
Ich zum Beispiel war eher ein sympathisch fühlender Bekannter als ein naher Freund zu X. Ihr Abschied beschwert mich mit einer dunklen Trauer.
14. 1.22
10.1.22
Literaturposing
Ich gehe eine Stunde vorher ins Café, muß dann aber noch einmal nachputzen. Wäre morgen Termin zum Sterben, würde ich es mir schenken.
Bei aller Beachtung der Ewigkeit denke ich doch nicht an ein baldiges Ende. Anders wohl die Leute, denen beim Anblick von unsereinem der Begriff "vulnerabel" aufgeht.
In Mannheim wird eine Woche mit Lesungen im alten Feuerwehrhaus angekündigt. Beginn der Veranstaltungen regelmäßig 20 Uhr.
Mit 70 gehen wir ab 20 Uhr nicht mehr ins Kino. Es gibt gesonderte Spielzeiten nachmittags für die Senioren. In der Literatur-Acquise scheint sich solcher Gedanke nicht bemerkbar gemacht zu haben. Von Lesungen im Betreuten Wohnen habe ich jedenfalls noch nicht gehört. Einziger Vorteil: Man wird mit Handke, Houellebeq und Walser verschont.
Vermutet man, da säßen wohl Leute, die auf Peter Alexander und Sylvia-Romanen seien? Oder glaubt man dann eine schwatzende und hüstelnde Truppe vom Stamm- und Bridgetisch vorzufinden. Auf den Verkauf von Büchern muß man wohl verzichten bei einem Publikum, das sich in Büchereien und öffentlichen Buchschränken bedient und sich nach der Lesung unendlich lang an Brezel und Plörre vergnügt. Regional und günstig, versteht sich.
Muß man da den Dialeckten aus Dunsach vorbeischicken oder die Vertreterin der Pilates-Diätchallange? Man könnte doch auch die Hörgeräte-App bewerben.
Der eigentlich tiefere Gedanke kommt aber philosophisch daher: Wenn die oder der morgen eingeliefert werden: ist es denn da so wichtig, was da an literarischer, religiöser, spannender, philosophischer, historisch und romantisch bedeutsamer Lektüre durch die Hirnwindungen gespült wurde? Man betrachte doch den Erbumstand Bücherregal: Das fällt doch als erstes in den Container. Und all die Makulatur an Erinnerung und Komik der Sehnsucht folgen nach.
Der Timer meldet sich. Ich gehe.